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Interview mit Christian Martin – BAUR Versand

Wer ist Christian Martin? Bitte stell Dich doch mal kurz vor.

Ich arbeite seit 2002 beim BAUR Versand in Burgkunstadt und habe seitdem die Themen E-Mail-Marketing, E-Commerce-Controlling, Online-Marketing und Neukundenakquise verantwortet. Aktuell betreue ich das Thema Online-Marketing zusammen mit meinem Team aus Fachexperten und Controllern.

Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verrate uns doch auch einen kleinen Spleen von Dir.

Meine Frau wäre zu meinen Spleens sicherlich der passendere Gesprächspartner. Aber nutzen wir die Zeit für das Interview doch sinnvoller.

Elevator Pitch! Was macht Eure Firma? Und vor allem: was macht Ihr am besten, wofür stehen Eure Produkte und Marken?

Der BAUR Versand hat eine enorme Überlebens- und Anpassungsfähigkeit. Wir sind seit über 90 Jahren als Distanzhändler im Endkundengeschäft erfolgreich im Markt und konzentrieren uns auf die Sortimentsbereiche Mode, Schuhe & Wohnen. Unser USP: Wir sehen uns als Zielgruppenspezialist. Das bedeutet: Wir kommen nicht vom Sortiment, sondern von den Bedürfnissen unserer Kundinnen. Unsere Zielkundinnen sind selbstbewusste und werteorientierte Frauen von Anfang 40 bis Mitte 50. Wir kennen die Wünsche und Bedürfnisse unserer Kundinnen besser als der Wettbewerb und können daher zielgerichteter agieren.

Welche Rolle spielt Business Intelligence für die Produktentwicklung und / oder den Vertrieb Eurer Produkte – und warum?

Um als Zielgruppenspezialist erfolgreich zu sein, reicht es natürlich nicht, dies von sich zu behaupten, vielmehr müssen wir aktiv die Nähe zu unseren Kundinnen suchen. Dies schaffen wir über zwei Wege: Zum einen dadurch, dass alle Mitarbeiter die Lebenswelt unserer Kundinnen aktiv aufsaugen und dies in ihrem täglichen Tun reflektieren. Und zum anderen – und dafür kommt Business Intelligence ins Spiel – beobachten wir das Verhalten unserer Kundin ganz genau.

Wir wollen auf Basis von Daten mehr über unsere Kundinnen erfahren und dieses Wissen wiederum für wirksame Maßnahmen einsetzen. Diese Komplexität in Verbindung mit Schnelligkeit bekommen wir nur dann hin, wenn wir das Aufgabenfeld Business Intelligence bestmöglich bearbeiten.

Verrätst Du uns ein “Best Practice” Deines Unternehmens im Bereich Business Intelligence? Was waren Deiner Meinung nach die Erfolgsfaktoren für diesen Case?

Schwierig zu beantwortende Frage. Wenn man Business Intelligence als Verfahren zur systematischen Analyse von Daten versteht, dann baut unser ganzes Unternehmen schon seit Jahrzehnten darauf auf. Wir haben bereits eine Vielzahl an „Best Practices“ dabei erzielt. Anfangs noch stark mit Excel und dahinter geschalteten Datenbanken und manueller Logik. Seit einigen Jahren aber immer stärker automatisiert und in Realtime. So werden beispielsweise Veränderungen im Shop-Auftritt nicht einfach live gestellt, sondern mit Hilfe von Multivariate-Tests in einer Vielzahl an möglichen Ausprägungen getestet und dann entsprechende Winner-Varianten live gestellt. Je nach Shop-Knotenpunkt sind da signifikant 5 bis 10 Prozent an Mehrumsatz nicht unrealistisch. Bei unserer Größe können wir uns rasch weitere Millionen-Beträge an Zusatzumsatz im Jahr erschließen.

Wenn Du Dir Euren Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was werden die größten Herausforderungen in den nächsten Monaten oder Jahren sein?

Als Unternehmen mit viel Tradition und Wurzeln im Kataloggeschäft ist für uns die entscheidende und zentrale Aufgabe. Wie meistern wir die digitale Transformation und passen unsere Aktivitäten voll und ganz den Kundenwünschen innerhalb einer „Always-Online-Welt“ an? Auf diesem Weg sind wir schon ein gehöriges Stück vorangekommen. Wir haben uns – auch und gerade im Wandel vom Kataloganbieter zum Online-Händler – gut im Markt behaupten können. Doch unsere Teams müssen sich noch stärker darauf konzentrieren, schneller zu Entscheidungen zu kommen.

Wir wollen in unseren Märkten vom Mitläufer zum Marktgestalter werden. Wir müssen viele Prozesse – gerade mit Hilfe von Daten – automatisieren und auch die Zusammenarbeit im Unternehmen auf eine neue Ebene heben – eigenverantwortlicher, vernetzter, stets auf der Suche nach Neuem. Unsere Mitarbeiter benötigen alle wesentlichen Informationen, um schnell die richtige Entscheidung zu treffen. Langatmige, hierarchiegeprägte Entscheidungswege können und wollen wir uns zukünftig nicht mehr leisten.

Hand auf’s Herz: Wenn Du Dir eine Sache im Bereich Business Intelligence wünschen könntest, was wäre das?

Wie bei vielen Trend-Begriffen wünsche ich mir auch zum Begriff Business Intelligence etwas mehr Sachlichkeit und vor allem auf Anbieterseite etwas weniger Nervosität. Man hat – wie bei vielen Begriffen in der Online-Welt – den Eindruck, dass manche Themen so „overhyped“ sind und eine ganze Industrie immer nur dabei ist, die gerade „aktuelle Sau durchs Dorf zu treiben“. Dabei wird meist der kurzfristige Nutzen deutlich überschätzt, während der langfristige Nutzen maßlos unterschätzt wird. Diese Hybris schädigt auf Dauer die Relevanz für solch wichtige Themen wie Business Intelligence.

Gib uns doch bitte eine Empfehlung für…

… einen Blog / eine Newsseite / ein Fachmagazin (auch Print), mit dem/der Du Dich zu (digitalen) Themen gerne informierst

Kassenzone.de von Alexander Graf: An Alexander, selbst einmal OTTO-Group-Mitarbeiter, schätze ich seine neutrale und reflektierende Sicht auf die Dinge. Hier werden weltumspannende Trends auch mal aus der Sicht des „kleinen Mannes“ gesehen. Gerade dadurch erhalten die Themen einen ungeheuren Push an Relevanz – eine Wichtigkeit wie ihn viele Fachmagazine mit Gastartikeln der Industrie nicht unterstreichen können.

… einen Artikel / ein Video / …, zum Thema Business Intelligence, den / das Du Deinen Kollegen gerne empfiehlst

Auch wenn der Schwerpunkt nicht speziell auf Business Intelligence liegt, kann ich nur jedes Interview/Vortrag/Keynote-Referenz von Prof. Dr. Gunter Dueck empfehlen.

…ein spannendes Buch, das Dich für Dein Business inspiriert hat

Frage ist schwer zu beantworten, da heutzutage Bücher das schnelllebige Business, in dem ich arbeite, zu wenig reflektieren und auch zu wenig inspirieren. Für mich sind es Podcasts, Online-Artikel, Feeds und Videos, die mich in meiner Arbeit inspirieren und weniger das gedruckte Wort in Form eines Buches.

… das hilfreichste Tool / die hilfreichste Software für Deine Arbeit

Auch wenn es sehr nach „Oldschool“ klingt: Excel. Kein anderes Tool hilft mir mehr komplexe Sachverhalte auf ihre wichtigsten Ebene herunterzubrechen und einen strategischen Fahrplan zu entwickeln.

Mit welchem Experten aus dem Bereich Business Intelligence (oder der Netzwirtschaft insgesamt) würdest Du am liebsten einmal einen Tag zusammenarbeiten und warum?

Am liebsten mit Florian Heinemann von Project A Ventures, weil er für mich die ideale Besetzung eines Experten ist, der sowohl die globale Perspektive eines Trends erkennt, aber auch die Sichtweise von „Lieschen Müller“ und somit der Kundin einnehmen kann. Und gerade diese Assimilation von Vision und Pragmatismus ist in der aktuellen Expertenlandschaft eine viel zu seltene Kombination, deren Mehrwert nicht hoch genug einzuschätzen ist.