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Interview mit Joachim Rotzinger – Haufe Gruppe

Joa

Wer ist Joachim Rotzinger? Bitte stell Dich doch mal kurz vor.

Ich bin seit 2010 als Geschäftsführer in der Haufe Gruppe tätig und bereits seit 2001 im Unternehmen. Mein Steckenpferd sind die Themen Unternehmensführung, Organisationsentwicklung und digitale Transformation. Die stetige Veränderung von Unternehmen – intern wie auch bei unseren Kunden – ist meine Leidenschaft. Ich bin überzeugt: Wer nicht vom Weg abkommt, bleibt auf der Strecke!

Das konnte ich in meiner Zeit bei der Haufe Gruppe selbst erleben. Mit der Entwicklung des früheren Rudolf Haufe Verlags zu einem der führenden Online- und E-Business-Anbieter im Segment Wirtschaft-Recht-Steuern, gelang der Haufe Gruppe

Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verrate uns doch auch einen kleinen Spleen von Dir.

Die Digitalisierung greift bei mir auch privat um sich: Ich bin ein echter Technologie-Junkie. Egal, ob Smart Home Devices wie intelligente Heizungsthermostate und Kameras, Sprachassistenten wie Echo und Alexa, alle erhältlichen Smartphone-Varianten, Spielereien wie Earpods, die Fitness-Kopfhörer „The Dash“ oder Saftpressen mit WLAN-Anschluss bis hin zum neuen 5er BMW mit autonomem Fahrkonzept und Gestensteuerung: Ich hab sie alle angeschafft, ausprobiert und auch behalten – zumindest die meisten! 😉

Elevator Pitch! Was macht die Haufe Gruppe? Und vor allem: was macht ihr am besten, wo liegt Eure Superpower?

Die Haufe Gruppe ist heute ein digitales Unternehmen. Eines unserer Kernthemen ist die Transformation von Organisationen. Als Experten auf diesem Gebiet vereinen wir unser Know how in Beratung, Software und Weiterbildung und unterstützen Unternehmen auf dem Weg zu einer digitalen Organisation. Was wir für uns selbst erkannt haben, geben wir an unsere Kunden weiter: Die Digitalisierung verändert alle Branchen und macht eine Transformation alternativlos.

Unsere Superpower bei dieser Transformations-Mission ist die holistische Herangehensweise. Wir sind davon überzeugt, dass Transformation nicht länger eindimensional gedacht werden darf. Es sind drei Dimensionen, die miteinander in Einklang gebracht werden müssen: Organisation, Menschen und Technologie. Nur wenn diese drei Bereiche in gleichem Maße in die der Transformation zugrunde liegenden Strategie integriert werden, kann diese erfolgreich sein.

Zum Journal „Dax Digital“.

Apropos Superpower: Verrätst Du uns ein „Best Practice“ Deiner Firma, wo ihr besonders erfolgreich wart? Was waren Deiner Meinung nach die Erfolgsfaktoren?

Das wohl erfolgreichste Best Practice ist ebenjene Entwicklung der Haufe Gruppe. Als mittelständisches Freiburger Familienunternehmen blicken wir auf eine lange Tradition zurück. Unsere Wurzeln liegen in der klassischen Verlagsbranche. Viele Jahrzehnte lang stand der Haufe Verlag sehr erfolgreich für rechtssichere Fachinformationen. Doch um die (digitalen) Herausforderungen zu meistern, blieb uns nur eine Möglichkeit: Wir mussten uns selbst kannibalisieren, bevor es ein anderer tat.

Dieser Change-Prozess war jedoch kein einfacher und geradliniger. Am deutlichsten wurde uns das von unseren eigenen Mitarbeitern vor Augen geführt. Gerade als wir der Meinung waren, mit der Entwicklung der Haufe Gruppe etwas Großartiges erreicht zu haben, zeigte uns eine Mitarbeiterbefragung, dass die Unzufriedenheit in der Belegschaft so groß war, wie selten zuvor. Unser Fehler: Digitalisierung bedeutete für uns vor allem die Weiterentwicklung von Technologien und Produkten. Die Menschen an sich und die Organisation als Ganzes waren auf der Strecke geblieben. Um sie wieder an Bord zu holen, verbreiteten sogenannte Digitalpropheten, Mitarbeiter, die vom Wandel bereits überzeugt waren, die Änderungen und ihre Leidenschaft dafür im Unternehmen und standen skeptischen Mitarbeitern für Fragen zur Verfügung. So gelang es uns, dass nach nur kurzer Zeit der Großteil der Belegschaft begeistert mit uns an einem Strang zog.

Unser Wandel hat heute, im Jahr 2017, eine weitere Stufe erreicht. Wir verstehen uns nicht länger als reines Digitalunternehmen, sondern als Transformationsbegleiter. Unsere Erfahrung haben wir zu einem einzigartigen Lösungsansatz gemacht, der den Wandel als dreidimensionale Herausforderung begreift und ebenso lösen will. Wir verbinden Consulting, Weiterbildung und Softwarelösungen und geben so nicht nur unser Expertenwissen weiter, sondern lernen auch selbst stetig dazu.

Wenn Du Dir die Netzwirtschaft insgesamt, Euren Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was werden die Haupt-Herausforderungen in den nächsten Monaten oder Jahren sein?

Die nächsten Jahre werden von zwei Strömungen gekennzeichnet sein:
1. Transformation als Konstante
2. Leadership als Variable

Die erste Strömung, die Transformation als Konstante, bedeutet einen grundlegenden Wandel dessen, was wir unter Change verstehen. Der amerikanische Sozialpsychologe Kurt Lewin etablierte 1947 das sogenannte model of change, das bis vor wenigen Jahren noch Gültigkeit hatte. Dieses Modell beschreibt einen Wandel mithilfe von drei Phasen: Unfreezing – Moving – Freezing. Eine Veränderung war demnach ein zeitlich begrenzter Prozess, dessen Ergebnis nach Abschluss des Wandels „eingefroren“ und damit auch nicht mehr verändert wurde. In den letzten und sicherlich auch noch den folgenden Jahren beobachten wir allerdings, dass die Geschwindigkeit der Veränderungen in Unternehmen rasant zunimmt. Das Einfrieren einer abgeschlossenen Veränderung ist so nicht länger möglich. Der Wandel wird zum Dauerzustand – und damit zum Unternehmensalltag. „We learn and we change as we go“ ist unsere Prämisse, um in der digitalen Transformation bestehen zu können. Demnach sind Unternehmen, die die Transformation bereits hinter sich haben, für uns nichts anderes als eine Illusion.

Ähnlich, wie sich Unternehmen ständig wandeln, muss das auch das Führungsmodell – genauer: die Führungsmodelle – eines Unternehmens tun. Wir verstehen Leadership als Variable, die sich an externe wie interne Einflussfaktoren anpassen muss. Das heißt konkret: Jeder muss führen. Und jeder muss folgen. Und damit das funktioniert, muss jeder selbstständig erkennen, wann welche dieser Formen angebracht ist. Wer das Unternehmen oder ein Team führt und in welchem Führungsmodell dies geschieht – vom agilen Netzwerk bis hin zur klassisch-hierarchischen Pyramide – bestimmen die Anforderungen der Mitarbeiter und die des Marktes. Führung definiert sich über situative Kriterien, nicht über Senioritäten. Und davon profitieren Führungskräfte und Mitarbeiter gleichermaßen. Denn, und das hat uns auch die Erfahrung gelehrt und mehrfach bestätigt: Nur wer von seiner Führungsposition in die Belegschaft zurückgeht, kann dann, gestärkt durch diesen Perspektivenwechsel, wieder als gute Führungskraft etwas bewegen.

Was hat Dich bisher am meisten „am Internet“ geärgert, was am meisten gefreut?

Ich liebe am Internet, dass es Geschäftsmodelle erzwungen hat, die vorher so nicht denkbar waren. Ich bin Jahrgang 1967. In meiner Kindheit war es einer meiner größten Träume, mal nachts in einer Videothek (wer weiß noch, was das ist?) eingesperrt zu sein, um alle Filme, auf die ich Lust hatte, sehen zu können. Mit meinem Taschengeld wäre das anders nicht möglich gewesen. Mit Netflix und Amazon Prime ist dieser Traum längst Realität geworden – und zwar wirklich für ein Taschengeld. Für Musik gilt mit Apple Music und Spotify dasselbe. Die Industrie hätte diese Geschäftsmodelle nie von sich aus gelauncht. Doch Plattformen wie Napster haben den nötigen Druck aufgebaut.

Gib uns doch bitte eine Empfehlung für…

…einen Blog / eine Newsseite / ein Fachmagazin (auch Print), mit dem/der Du Dich zu Fachthemen gerne informierst

wired.com: Das einzige Magazin, das es schafft, Technologie, Entrepreneurship, Lifestyle und Design in ein authentisches und inspirierendes Format zu packen. Und ganz nebenbei ist es in meinen Augen auch das Magazin mit dem besten Design der Welt – online wie print.

Haufe Visionsblog 😉 Eine Plattform für Organisationsrebellen und Führungs-Neudenker.

…einen Artikel / ein Video / …, den / das Du Deinen Kunden empfiehlst

ersten Apple Werbespots: Er schafft es immer noch, den Kern exzellenter Innovationsarbeit auf den Punkt zu bringen. Schon erstaunlich für einen mehr als 25 Jahre alten Werbespot.

…ein spannendes Buch, das Dich für Dein Business inspiriert hat

„Information is Beautiful“ von David McCandless. Wissen ist ein Thema, das mich beruflich schon seit langem begleitet. Data beats Opinion! Ich war schon immer der Meinung, dass gute Entscheidungen immer auf Basis der richtigen Daten, aber auch auf Basis sinnvoller & inspirierender Aufbereitungen bestehen müssen.

…das hilfreichste Tool / die hilfreichste Software für Deine Arbeit

Slack: Endlich eine Collaboration Plattform, die funktionierende(!) Schnittstellen zu allen relevanten Tools – von Dropbox bis Google Docs – bietet.

Mit welchem Experten würdest Du am liebsten einmal einen Tag zusammenarbeiten und warum?

Jeff Bezos. Denn er zeigt wie kein anderer, dass sich ein erfolgreiches Unternehmen jeden Tag neu erfinden muss. Amazon war schon Buchhändler, Handelsplattform für Konsumgüter, Telefonhersteller, Musik- und Film-Streaming-Plattform, führender Anbieter für Artificial Intelligence (AI, künstliche Intelligenz)und Cloud Hosting Provider – wer weiß, was wir von diesem Unternehmen noch zu erwarten haben. Das ist sehr beeindruckend. Jeff könnte mir sicher einige wertvolle Tipps geben, wie man eine Organisation immer aufs Neue zu Innovation und Selbst-Disruption inspiriert.