interview

Interview mit Werner T. Fuchs – Propeller Marketingdesign

Werner T. Fuchs Propeller MarketingdesignWer ist Werner T. Fuchs? Bitte stell Dich doch mal kurz vor.

Ich bin die Summe meiner erlebten Geschichten. Und weil das für jeden Menschen zutrifft, beschäftige ich mich seit über 25 Jahren mit der Frage, wie unser Gehirn Geschichten wahrnimmt, speichert und abruft. Denn wer das weiss, kann menschliches Wahlverhalten besser beeinflussen. Bevor ich mich in die Neurowissenschaften und ins Marketing stürzte, studierte ich Germanistik und Theologie und übte viele Jobs in den unterschiedlichsten Branchen aus.

Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verrate uns doch auch einen kleinen Spleen von Dir.

Ich kann ohne meine roten Cowboystiefel und meine Hüte nicht aus dem Haus, halte mich ungern in Autos und vor dem TV-Kasten auf, liebe Urschreie und komme mit politischen Korrektheiten nicht zurecht.

Elevator Pitch! Was macht Eure Firma? Und vor allem: was macht ihr am besten, wo liegt Eure Superpower?

www.propeller.ch) übersetzen die Zeichensprache des Unbewussten in den Alltag, um Menschen dazu zu verführen, Produkte, Ideen und Dienstleistungen unserer Kunden zu einem festgelegten Preis zu kaufen. Wir wissen, nach welchen Rechenregeln das neuronale Datenverarbeitungssystem Informationen verarbeitet und gewichtet.

Wie lebt ihr Digitalisierung in Eurem Unternehmen? In welchem Bereich habt ihr Digitalisierung erfolgreich um- oder eingesetzt?

Wir leben die Digitalisierung, indem wir uns auf das Analoge konzentrieren und die digitale Umsetzung unserer Konzepte den „Digital Natives“  und Spezialisten überlassen.

Wir leben die Digitalisierung, indem wir erforschen, wann und weshalb die unbewusst arbeitenden Hirnareale „Ja“ oder „Nein“ sagen. Dieser binäre Code, ist der einzige, der uns interessiert.

Wir leben die Digitalisierung, indem wir den Menschen so sehen, wie er ist – und nicht wie er sein soll. Denn der neue Mensch ist der alte. Die Kunden des digitalen Zeitalters treffen ihre Entscheidungen nach dem gleichen Regeln wie Fred Feuerstein und Wilma. Davon auszugehen, ist unsere ganze Weisheit.

Wenn Du Dir die Netzwirtschaft insgesamt, Euren Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was werden die Haupt-Herausforderungen in den nächsten Monaten oder Jahren sein?

Herausforderung für die Gesellschaft, bzw. den Staat:

Die primäre Herausforderung besteht vor allem darin, Geschichten zu erfinden, mit denen sich das evolutionäre Programm „Ändern nur wenn nötig“ überlisten lässt. Denn ohne Leidensdruck wird an bewährten Mustervorlagen nicht gerüttelt. Dummerweise war langfristiges Denken in der langen Geschichte unserer Menschheit kein großer Wettbewerbsvorteil. Da menschliches Verhalten zum größten Teil vom Unbewussten gesteuert wird, ist Lernen durch Einsicht eher die Ausnahme als die Regeln. Würden wir endlich anerkennen, dass Informationen primär danach gewichtet werden, ob sie mir Antworten auf die drei grossen Fragen „Wer bin ich? – „Wer ist der andere?  – „Wo ist mein Platz in dieser Welt?“ geben, sähe vieles schon anders aus.

Herausforderung für die Netzwirtschaft in Deutschland / Europa:

Da Marken und Monopole dem Menschen die Orientierung erleichtern, ist es eine Sisyphus-Übung, Monopolisten zu verbieten oder zu zerschlagen. Besser, man schaut genau hin, was sie besser machen und sorgt dafür, dass sie ihre Gewinne so versteuern müssen wie die Kleinen.

Als größte Herausforderung betrachte ich die Verabschiedung vom „Homo oeconomicus“. Denn solange wir dem Irrglauben anhängen, menschliches Verhalten werde primär von der Vernunft, also von den bewusst arbeitenden Hirnarealen gesteuert, werden wir bei der Bewältigung wichtiger Aufgaben kläglich scheitern.
Selbstverständlich haben wir zu viel Bürokratie. Aber auch diese Hydra lässt sich nur besiegen, wenn wir den Menschen so nehmen, wie er ist und den Glauben aufgeben, wir könnten mit Gesetzen zu einem Ideal formen, das es nie gegeben hat und nie geben wird.

Mein Lieblingsbeispiel ist das Steuerrecht: Wenn ich weniger als 20 Prozent meines Gewinns versteuern muss, überlege ich es mir gut, ob es sich der Aufwand für eine „Optimierung“ lohnt. Zumal mein Unbewusstes davon ausgeht, dass ich für meinen bescheidenen Beitrag eigentlich ganz schön viel bekommen. Und in meinem autobiographischen Gedächtnis ist auch die Geschichte abgespeichert, dass sich Steuerbetrug ohnehin nie ganz verhindern lässt.

Herausforderung für unseren Markt: Eine Kultur unterstützen und fördern, die Lernen durch „Versuch und Irrtum“ erleichtert.

Herausforderung für unsere Firma: Modelle entwickeln, die noch mehr Andockstellen an gewohnte Verhaltensmuster haben.

Was hat Dich bisher am meisten „am Internet“ geärgert, was am meisten gefreut?

Eigentlich ärgern und freuen mich noch immer die gleichen Dinge, die mich auch vor der Erfindung des Internets geärgert und gefreut haben. Oder krass gesagt: Ein Arschloch bleibt in der Regeln mit und ohne Internet ein Arschloch. Und die gleiche Einschätzung gilt selbstverständlich auch für die „Guten“. Ich finde das Internet praktisch, mehr nicht.

Gib uns doch bitte eine Empfehlung für…

einen Blog / eine Newsseite / ein Fachmagazin (auch Print), mit dem/der Du Dich zu Fachthemen gerne informierst

http://www.der-postillon.com
Ich liebe diese Seite, weil sie das menschliche Gewusel mit Humor sieht und oft so herrlich absurd ist.

einen Artikel, der Dich in der letzten Zeit am meisten begeistert hat

Ich liebe die letzte Seite der ZEIT: Zeit der Leser. Und dort besonders die Rubrik „Was mein Leben reicher macht“. Good News tun mir einfach besser. Und Bad News gelangen früher oder später ohnehin bis zu mir.

ein spannendes Buch, das Dich inspiriert hat

Mich inspirieren nach wie vor die grossen Geschichtensammlungen der Menschheit wie Tausend und eine Nacht, Die griechischen Sagen, Grimms Märchen oder die Bibel. Wobei ich das Alte Testament sehr viel spannender finde als das neue.

Ein Sachbuch, das ich gerne weiterempfehle ist: Daniel Kahneman: Schnelles Denken, langsames Denken. ISBN 978-3-88680-886-1 / Wer noch immer glaubt, der Mensch sei ein vernünftiges Wesen, lese diese leicht verständliche Grabrede eines Verhaltensökonomen, der 2002 als erster Nicht-Ökonome den Wirtschaftsnobelpreis erhielt.

eine Veranstaltung(-sreihe), auf der Du wirklich etwas dazugelernt hast (und was, bzw. von wem)

CAMPIXX
Als einer der älteren Referenten traf ich an dieser Marketingveranstaltung in Berlin auf viele junge, neugierige und hungrige Leute, von denen ich ganz viel über die Freuden und Ängste einer Generation lernen konnte, die sich in einer Flut von Informationen über Wasser halten und ständig Entscheidungen treffen muss.  http://www.campixx-week.de

das hilfreichste Tool / die hilfreichste Software für Deine Arbeit

Sorry, aber ich finde meinen Story-Check am hilfreichsten. Nebst der „limbic map“ meines Kollegen Hans-Georg Häusel.

Mit welchem Experten würdest Du am liebsten einmal 1 Tag zusammenarbeiten, und warum?

Auch wenn mir seine Auffassung von Datenschutz auf den Geist geht, würde ich gerne einen Tag lang mit Mark Zuckerberg zusammenarbeiten. Oder natürlich mit Bob Dylan.