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Interview mit Jürgen Zietlow – German Publishing-Group

Jürgen Zietlow German Publishing-GroupWas macht die German Publishing-Group GmbH  & Co. KG? Bitte stell Dich doch mal kurz vor.

druckdeal.de  – ein Onlinetreffpunkt zwischen Druckereien und Printbuyern mit diversen Marktplatzfunktionen.

Seither publizieren wir zudem sehr spezielle und umfangreiche Fachmagazine und ja, die drucken wir sogar: Aus vielen guten Gründen, obgleich sie auch als E-Books zu haben sind. Beides zusammen erreicht im Mittel circa 30.000 Leser, circa zwei- bis dreimal jährlich.

Im Kern sind wir kreative Strategie- und Absatzberater. Wir entwickeln Konzepte für Druckereien und beraten am liebsten, wenn außergewöhnliche Inhalte oder Marketingstrategien gefragt sind, die spürbar abseits des Mainstreams liegen, aber gute Chancen haben, Mainstream zu werden. So wie der heutige onlinebasierte Systemdruck, den einige Druckereien vor 15 Jahren noch als „absurd“ bezeichnet haben. Content Marketing, Schwerpunkt Storytelling, ist ein weiteres operatives Angebot. Wir betreuen seit Jahren hochwertige Blogs.

Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verrate uns doch auch einen kleinen Spleen von Dir.

Ich kontrolliere mich selber – mehrfach am Tag. Und das lohnt sich, denn ich erwische mich regelmäßig bei kleinen und großen Fehlern, was dazu führt, dass ich mich noch mehr selber kontrolliere. Vielleicht müsste ich das mal mit einem Psychologen besprechen?

Elevator Pitch! Was macht Eure Firma? Und vor allem: was macht ihr am besten, wo liegt Eure Superpower?

Kreativität: Wir sind vor allem kreativ. Gerade, wenn es um gute Ideen für Medienschaffende und Druckdienstleister geht, die gelegentlich etwas mehr Mut erfordern. Manchmal gilt: Wer an die Quelle will, muss (auch konzeptionell) gegen den Strom schwimmen.

Neben Strategie- und Absatzkonzepten liefern wir täglich hochwertigen, performanten und spannenden Content. Gute, kernige, packende, amüsante und authentische Storys, nebst Bildern, Designs, Charts oder Videos: Stichwort: Scrollytelling.

Apropos Superpower: Verrätst Du uns ein „Best Practice“ Beispiel Deiner Firma, wo ihr besonders erfolgreich wart? Was waren Deiner Meinung nach die Erfolgsfaktoren?

Als wir einigen Medienunternehmen damals (als Google noch keiner aussprechen konnte) empfohlen haben, Nutzen auf Druckbogen zu sammeln, also mehrere Kundenaufträge in einem Rutsch zu drucken und dieses Einsparprinzip durch Akquise über das Internet volumenmäßig weiter zu optimieren, sind wir auch schon mal belächelt worden. „Das ist utopisch“ oder „unmöglich“ oder noch besser: „[…] das Internet ist nur eine Modeerscheinung“, etc. so einige Reaktionen des damaligen Mainstreams unserer Branche.

Einige Druckereien haben sich den ersten von uns konzipierten Onlinedruckshop sehr genau angesehen. An diesen bis heute erfolgreichen Onlineprintern haben wir unseren Anteil. Heute sehen wir aber auch an CEWE, flyeralarm, Saxoprint und anderen Druckfabriken mit Jahresumsätzen bis in den neunstelligen Millionenbereich: So manche Utopie kann sich binnen weniger Jahre zu einem Milliardenmarkt entwickeln. Eigenlob stinkt, aber wir wussten das.

Wie lebt ihr Digitalisierung in Eurem Unternehmen? In welchem Bereich habt ihr Digitalisierung erfolgreich um- oder eingesetzt?

druckdeal.de, haben sich circa 6.000 Druckdienstleister eingeschrieben, verwalten dort ihre eigenen Daten und kommunizieren autark mit Kunden. Das System fußt auf einem eigenen CMS und natürlich arbeiten wir die Daten über ein CRM-System auf. Redaktionell arbeiten wir mit einem kollaborativen, webbasierten Redaktionssystem. Zudem haben unsere Redakteure seit Jahren Zugriff auf unser spezielles Onlineredaktionssystem.

Wenn Du Dir die Netzwirtschaft insgesamt, Euren Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was werden die Haupt-Herausforderungen in den nächsten Monaten oder Jahren sein?

Herausforderung für die Gesellschaft, bzw. den Staat:

Mehr Aufklärung in den Schulen in puncto Digitalisierung. Insbesonders auch über die Gefahren. Beispielsweise wenn es darum geht, Daten leichtfertig herzugeben. Wenn im öffentlichen Raum schon so massiv und für Konzerne gratis Werbung für ihre Social Media-Dienste betrieben wird, sollten Kinder ebenso beharrlich erfahren, was mit ihren Daten passiert. Auch wie die Daten über die Lebenszeit gesammelt und verwendet werden, aber auch, welche Möglichkeiten bestehen, sich vor Facebook & Co. effektiv zu schützen. Eine klare Aufgabe an die Politik.

Mehr Regulierung in Bezug auf Cloudworker, weil hier die Löhne gedrückt und vor allem qualifizierte Selbständige nicht immer angemessen honoriert  werden. So entsteht immer häufiger ein Wettbewerb mit qualifizierten Angestellten. Lohndumping gefährdet den sozialen bzw. dann selbst auch den unsozialen Frieden. Schon heute gibt es weit mehr miese Jobs, als offiziell eingestanden wird. Wie die Bundesagentur für Arbeit auf Ihrer Website darstellt, ist die tatsächliche Quote Hilfsbedürftiger signifikant höher als diese irrelevante offizielle Quote. Da sind Leiharbeiter oder sonstige grauenhaft bezahlte Jobs noch gar nicht eingepreist. Das Vokabular bundesdeutscher Statistiken ist mit großer Mühe auf Beschönigungen ausgerichtet. Schlussendlich leidet die Kaufkraft, dann wieder die Löhne und Beschäftigungszahlen – eine  Abwärtsspirale.

Automation, Effizienz: Ein Arbeitnehmer ist heute im Schnitt siebenmal produktiver als noch in den 70er Jahren. Dieser Mehrwert müsste bei den Sozialversicherungsleistungen gewürdigt werden, denn was die EU-Region schon heute erschüttert und, wie erwähnt, den Erfolg aller Unternehmen massiv beeinträchtigt, sind soziale Turbolenzen und spürbare Kaufkraftverluste. Anstelle politisch nachhaltiger Lösungen, stecken wir enorme Ressourcen in das Ignorieren des tatsächlichen Status quo.

Herausforderung für die Netzwirtschaft in Deutschland / Europa:

Weniger Schwarmverhalten, mehr unternehmerische Emanzipation: Nicht jeder Trend ist gut. Im Bereich Social Marketing gibt es hunderttausende Unternehmen, die seit Jahren Inhalte posten, die weder performen, noch spannend sind. Sie posten sie aber täglich aufs Neue. Wir raten, intensiver über die Inhalte nachzudenken und nicht nur auf Monopolisten zu setzen.

Monopolisten wie Facebook, ändern über Nacht ihre Regeln und kappen die Sichtbarkeit von Unternehmen, während die eigenen Websites häufig vernachlässigt wurden. Wir raten unseren Kunden, das Internet verstärkt als Punkt für die eigenen Kunden anzubieten (Direktzugriffe) und sich nicht bedingungslos und hauptsächlich auf solche Alpha-Netze zu verlassen.

Herausforderung für unseren Markt:

Drucksachen sind nach wie vor wichtige Medien. Es gibt Magazine, die ihre Auflagen signifikant steigern konnten, siehe Landlust. Ein banaler Wandkalender funktioniert im Preis-Leistungsverhältnis immer noch hervorragend gegen die meiste „mobile Werbung“ (ein ganzes Jahr lang….) und eine hochwertig veredelte Visitenkarte ist ein Statussymbol für guten Geschmack und eine echte Wertschätzung für ihre Adressaten. Die Panik der Branche wird von wenigen angefeuert, ist aber de facto falsch begründet. Print ist nicht rückläufig, „nur“ die Preise für Akzidenzien haben sich durch den Systemdruck im Durchschnitt mehr als halbiert.

Webbasierte Kreativworkflows und sonstige Web-to-Service-Dienstleistungen für Schlüsselkunden anbieten und dabei zunächst die Schlüsselkunden kennenlernen, erst dann das Angebot ausarbeiten und Software zukaufen. Hier beobachten wir seit Jahren, dass oft umgekehrt agiert wird, da Experten dies raten. Experten rühren manchmal auch im Trüben, können dies aber natürlich nicht zugeben.

Herausforderung für unsere Firma:

Wir bauen unsere Portale derzeit um. Dabei ist das das Thema „Responsive“ eine Aufgabe. Zudem möchten wir mehr Klasse als Masse publizieren. Wir werden ab 2016 intensiver auf Innovationen, spannende Sortimente, Services und hochwertige Prints fokussieren.

Der Druckmarkt hat sich geändert. Große Druckfabriken produzieren heute den früheren Load hunderter Offsetdruckereien. Die Standarddrucksache ist sehr günstig, kommt schnell und stellt keine Alleinstellung mehr dar. Im Interesse der User z. B. auf druckdeal.de, werden wir mehr auf das Premiumsortiment zoomen, seien es Produkte, Dienstleistungen oder sonstige Alleinstellungen.

Was hat Dich bisher am meisten am Internet geärgert, was am meisten gefreut?

Die Alleinstellung weniger Konzerne ist alarmierend. Die sogenannten Alpha-Apps oder -Pages werden mehr und mehr Traffic aufsaugen und schlussendlich noch stärker auch Meinungen forcieren. Die Verlage werden sich mit Angeboten wie „facebook instant articles“ noch mehr Blut aus den Adern saugen lassen und fallen danach vielleicht wie leere Wursthüllen zu Boden. Das ist ein massiver Angriff auf die so wichtige vierte Macht im Staat.

Gefreut hat mich in diesem Zusammenhang, dass es immer noch genügend Menschen und Experten mit gutem Gewissen gibt, die das Internet nutzen, um auf solche geradezu gesellschaftsdramatischen Umstände hinzuweisen.

Welches „Problem“ (privat oder im Unternehmen) würdest DU gerne von einem Start-up gelöst bekommen?

Anbieter und Themen im Internet finden, die ich bei Google erst auf Seite 20 sehe oder noch weiter hinten entdecke, weil sich die Initiatoren nichts aus Google-Optimierung machen. Unternehmen, die aber trotzdem interessanten Content bieten und ja: Das Internet für sich beanspruchen, welches ja nicht Google alleine gehört. Mal sehen, ob sich die Suchalgorithmen durch die zunehmende Bedeutung von Content künftig ändern und Google dann transparenter agiert.

Gib uns doch bitte eine Empfehlung für… (inklusive kurze Begründung, warum Du es empfiehlst)

einen Blog / eine Newsseite / ein Fachmagazin (auch Print), mit dem/der Du Dich zu Fachthemen gerne informierst

Da gibt es sehr viele Blogs und Newsdienste, die ich mir regelmäßig mit gleicher Begeisterung ansehe. Es ist für mich unmöglich, einem dieser Webseiten den ersten Rang zu geben.

einen Artikel, der Dich in der letzten Zeit am meisten begeistert hat (mit URL)

http://www.mobilegeeks.de/adblock-plus-undercover-einblicke-in-ein-mafioeses-werbenetzwerk/

Softwares zum Blockieren von Anzeigen im Internet sind nach meiner Überzeugung Kindersicherungen für unmündige Erwachsene. Im Internet wird genug bevormundet. Mündige User entscheiden eigenständig, für wen Werbung im Netz nach wie vor eine überlebenswichtige Einnahmequelle ist, anstelle Kreative und Macher von Werbeeinnahmen gleich kategorisch auszuschließen.

Bei Adblock-Software muss häufig einzeln eingestellt werden, welche Seiten nicht blockiert werden sollen. Das bleibt meistens aus, worunter Lieferanten guter Inhalte massiv leiden, die die Werbeeinnahmen dringend brauchen. Wer Inhalte trotzdem konsumiert, sollte sich fragen, ob er sich noch als fair bezeichnen kann. Es gibt genug Monopolisten im Internet „mit guten Absichten“ – Adblock-Softwares sind aus meiner Sicht  Lätzen für User, die sich ihre Mündigkeit abnehmen lassen und aus purer Bequemlichkeit ziemlich unfair agieren. Ich schalte Seiten über meinen Browser ab, die zu penetrante Werbung einblenden.

ein spannendes Buch, das Dich für Dein Business inspiriert hat

Peter Lauster: Wege zur inneren Freiheit: Ich bin überzeugt, dass zu wenig gegrübelt und zu viel funktioniert wird. Ich schließe mich da selber gar nicht aus. Wir erleben die Monokultivierung der Strategien und Gedanken, des Aussehens und des Handelns. Ein guter Unternehmer sollte sich aber gelegentlich von Zwängen, Herdentrieben, allgemeinen Stimmungen und Gelerntem frei machen und zu sich selber finden, anstelle so zu funktionieren, wie es andere vielleicht von ihm erwarten. Möglicherweise ist Wachstum an sich und sind gängige Lehren, die wir unkritisch praktizieren, gar nicht so wichtig wie wir dachten. Und wieder: Querdenken, statt dem Schwarm zu folgen. Raus aus dem zwickenden und kneifenden Korsett. Was kann schon passieren?

eine Veranstaltung(-sreihe), auf der Du wirklich etwas dazugelernt hast (und was, bzw. von wem)

Es gibt einige spannende Events, auch in unserer Branche. Als Journalist stehe ich jedoch häufig vor dem Saal, z. B. um Interviews zu führen, während drinnen jemand zitiert, was ein anderer sagt, der es von jemandem gehört hat, der es wahrscheinlich wusste. Ein bisschen lernt man auf jedem Event dazu. Gelegentlich sind sie auch aufgepustet und liefern real gar nicht so viel Input, wie die Aufgeregtheit vor Ort vermuten lässt – deshalb kneife ich bei dieser Frage.

das hilfreichste Tool / die hilfreichste Software für Deine Arbeit

Da gibt es viele im Range gleich: Beispielsweise die gesamte Adobe CC-Softwarefamilie, Mindmap, unser eigenes CRM- und Backendsystem, nach wie vor Outlook, Sistrix, Google Analytics, Produkte für kollaboratives Arbeiten im Verlag oder so banale Software wie OneNote (in Kenntnis zahlreicher weiterer Orga-Softwares) zum Organisieren täglich neuer Berge von Gedanken und Ideen.

Mit welchem Experten würdest Du am liebsten einmal 1 Tag zusammenarbeiten, und warum?

Mit Harald Welzer (Autor des Buches Selbst denken – eine Anleitung zum Widerstand), den ich bald interviewen werde. Im Kern geht’s darum, sich wenigstens einmal im gedanklichen Selbstversuch vom Schwarm und den allgemein üblichen Thesen und beobachteten Ritualen zu lösen. Viele von uns Unternehmern sind so sehr auf das Hier und jetzt und auf das Gelernte und Gehörte fixiert, dass sie darüber vielleicht vergessen, was wirklich eine Bedeutung für das Unternehmen und seiner Mitarbeiter hat.

Es bildet sich, fokussiert auf viele weitere Autoren und Unternehmer mit ähnlichen Denkansätzen, eine hochmotivierende neue Denkweise heraus. Entwickelt aus dem Kreise einer quasi frühreifen „Gedankenelite“, die hochkreativ ist, funktionierende Lösungen bietet und möglicherweise als intellektuelles Gerüst für eine neue Gesellschaft verfügbar ist, denn dieses System ist im Grunde fertig. Einzig, das viele Protagonisten versuchen, den Untergang mit allen Mitteln nicht wahr haben zu wollen, sorgt derzeit noch für eine Verzögerung des Status quo – mit immer aufwändigeren Wiederbelebungs-Szenarien, die gelegentlich geradezu perverse Züge annehmen.

Ich bin überzeugt, dass diese radikal konsumprogrammierte Gesellschaft der heutigen Extremform innerhalb der kommenden zehn Jahre kollabiert. Ich denke, dass daran auch keine geschönten Statistiken oder Manipulationen z. B. in der Finanzwirtschaft, langfristig etwas ändern können.

Im Grunde sind wir schon mittendrin: Seit Jahren beobachten wir eine signifikante Verschlechterung der Situation für Millionen von Arbeitnehmern. Wer hinschaut, sieht das auch. Das kann und wird nicht immer so weitergehen, auch wenn wir den alten Schimmel noch so bemüht überstreichen.