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Interview mit Jill-Evelyn Erlach – la marchante

Jill-Evelyn Erlach la marchanteWer ist Jill-Evelyn Erlach? Bitte stell Dich doch mal kurz vor.

Moin, mein Name ist Jill-Evelyn. Ich bin 35 Jahre, norddeutsche Latina, studierte Betriebswirtin, Mutter einer 1-jährigen Tochter und Unternehmerin aus Frankfurt am Main.

Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verrate uns doch auch einen kleinen Spleen von Dir.

Ich kämpfe seit mehreren Jahren aktiv gegen meine folkloristisch verankerte Vorliebe zu Fleisch vom Grill und lebe – mal mehr und mal weniger erfolgreich – das Leben eines Vernunftsvegetariers.

Elevator Pitch! Was macht Eure Firma? Und vor allem: was macht ihr am besten, wo liegt Eure Superpower?

TeeFee bieten wir  als erstes Unternehmen in Deutschland rein natursüße Kindertees an, die weder Kalorien enthalten noch die Zähnchen angreifen. Durch die Entwicklung und Lizenzierung weiterer Produkte mit Premium-Bio-Stevia wollen wir zum europaweit führenden Hersteller von Lebensmitteln in diesem Segment werden. Besonderes Augenmerk legen wir dabei auf eine kindgerechte Kommunikation mit ernährungspädagogischer Perspektive. Erhältlich sind wir im Lebensmitteleinzelhandel und Drogerien sowie online.

Apropos Superpower: Verrätst Du uns ein „Best Practice“ Beispiel Deiner Firma, wo ihr besonders erfolgreich wart? Was waren Deiner Meinung nach die Erfolgsfaktoren?

Im vergangenen Jahr haben wir die Zusage des Handelskonzerns REWE zur nationalen Listung unseres Bio-Kindertees (TeeFee) bekommen. Die REWE-Group ist mit ca. 14.000 Märkten in Deutschland die Nummer zwei in Deutschland nach der EDEKA-Gruppe aus Hamburg. Um das zu schaffen, bedurfte es zahlreicher Faktoren. Viele davon sind natürlich klassische Vertriebsprozesse – aber dennoch: Nur wenige neue und vor allem bessere Lebensmittel schaffen es tatsächlich in den deutschen Einzelhandel. Das Problem: mangelnde Ressourcen. Und da dieser Umstand bekanntlich kreativ macht, haben wir von Anfang an auf den Aufbau einer Community im Netz gesetzt – auf diversen Plattformen. Wir haben uns dafür entschieden hierfür  eine Vollzeitstelle zu schaffen und dafür Ressourcen aus allen erdenkbar anderen Bereichen abzuziehen. Wir wissen, auch aus eigener Erfahrung, dass Eltern vor allem in den ersten Monaten des Kindes aktiv im Internet nach Informationen suchen. Dort bieten wir regelmäßig Content an, der die Eltern dabei unterstützt, sich eine Meinung über unser Produkt zu bilden. Für unser Produkt scheint dieser Ansatz gut zu funktionieren: Werbewirksame Maßnahmen für Kinder spielen sich zum großen Teil im Netz ab. Das führt dann zu der gewünschten Nachfrage die der LEH benötigt, um ein Produkt letztlich zu listen.

Wenn Du Dir die Netzwirtschaft insgesamt, Euren Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was werden die Haupt-Herausforderungen in den nächsten Monaten oder Jahren sein?

Herausforderung für die Gesellschaft, bzw. den Staat:

Ich habe vor nicht allzu langer Zeit eine britische Serie Namens „Black Mirror“ gesehen. Zugegebenermaßen eine sehr düstere Darstellung über das gesellschaftliche Unbehagen gegenüber einer modernen, technisierten Welt. Mein Fazit: Wenn wir über alles Bescheid wissen möchten, so müssen wir uns nicht wundern wenn wir auch die Hosen runter lassen müssen. Die Herausforderung für unseren Staat besteht in dem Schutz seiner Bürger und unserer Gesellschaft vor dem eigenen Voyeurismus.

Herausforderung für die Netzwirtschaft in Deutschland / Europa:

Ich möchte hier den Handelsverband Deutschland (HDE) zitieren: „Im Handel sind in den letzten Jahren Unternehmen in den Markt eingetreten, deren Kernkompetenz in der Auswertung von Daten besteht. Diese Unternehmen haben ihren Sitz meist außerhalb von Europa. Mit der geplanten Datenschutzgrundverordnung soll das Marktortprinzip verankert werden, womit jeder Anbieter, der innerhalb der EU tätig ist, zur Einhaltung der europäischen Vorgaben verpflichtet ist. Doch selbst damit bleibt die Frage: Wer garantiert die Einhaltung des strengeren europäischen Datenschutzes? Beim E-Commerce existiert de facto ein gemeinsamer europäisch-nordamerikanischer Markt, in dem Unternehmen mit Wettbewerbern z.B. aus den USA konkurrieren, zu denen nach wie vor ein Datenschutzgefälle besteht. Vorhaben – europäische wie nationale – zur Regulierung des Datenschutzes müssen diese datengetriebenen Unternehmen im Blick haben. Gleichzeitig dürfen aber die vielen anderen Unternehmen, die ebenfalls Daten sammeln und verarbeiten, nicht vergessen werden. Datenschutzregeln müssen allgemeingültige Vorschriften sein, die sowohl auf soziale Netzwerke als auch auf einen kleinen Händler mit einer Kundenkartei sinnvoll anwendbar sind.“

Herausforderung für unseren Markt:

Der Handel tendiert zu einer sehr langsamen Anpassung an neue Prozesse oder Trends. Wir als kleiner Hersteller müssen uns fragen, ob der klassische LEH langfristig überhaupt der geeignete Partner in der Distribution unserer Produkte ist. Die Anforderungen wirken sich auf uns wie ein Korsett aus, welches einfach nicht passen will. Wir hoffen natürlich darauf, dass sich das Marktumfeld ändern wird und dementsprechend Alternativen entstehen. E-Commerce im Lebensmittelsegment ist für uns ein großes Thema, wenngleich der Umsatzanteil des Internethandels am Gesamteinzelhandelumsatz noch sehr gering ist.

Herausforderung für unsere Firma:

Wenig netzspezifisch gesprochen ist für uns die Herausforderung, das Vertrauen der Kunden zu gewinnen.

Was hat Dich bisher am meisten „am Internet“ geärgert, was am meisten gefreut?

Ich ärgere mich im Grunde am meisten über mein eigenes Nutzungsverhalten. Das Internet birgt für mich eine riesen Gefahr die Nachtruhe durch Schminktipps von 14-jährigen einzutauschen. Dennoch freut mich am meisten, dass es mir die Möglichkeit eröffnet, in direkten Austausch mit den Kunden zu treten. Nie war es einfacher ohne ein großes Marketing-Budget eine loyale Kundschaft aufzubauen.

Gib uns doch bitte eine Empfehlung für…

einen Blog / eine Newsseite / ein Fachmagazin, mit dem/der Du Dich zu Fachthemen gerne informierst

http://www.bvl.bund.de/). Dort lassen sich recht emotionslos ganz relevante Fragen rund um das Thema „was esse ich hier eigentlich“ beantworten. Für jeden der sich in aller Ernsthaftigkeit informieren will – und ein bisschen Zeit mitbringt.

einen Artikel, der Dich in der letzten Zeit am meisten begeistert hat

http://www.zeit.de/zeit-wissen/2014/05/byung-chul-han-philosophie-neoliberalismus

ein spannendes Buch, das Dich inspiriert hat

Zunächst möchte ich erwähnen, dass ich als Mutter einer rastlosen Einjährigen derzeit noch nicht mal auf die Idee komme ein Buch in die Hand zu nehmen…daher liegt meine Literaturempfehlung schon ein paar Jahre in der Vergangenheit. „The Element“ von Ken Robinson inspiriert und motiviert zu Höchstformen. Unbedingt auf Englisch lesen!

eine Veranstaltung(-sreihe), auf der Du wirklich etwas dazugelernt hast 

Oha! Ich lerne am besten aus meinen eigenen Fehlern. Ich habe den diesjährigen Pitch Club FFM als Teilnehmer als sehr lehrreich empfunden.

TED ist – sofern unter diese Kategorie fallend – sicherlich die beste Veranstaltungsreihe seiner Art. Ich verbringe Stunden auf dieser Plattform und lerne alles von jedem.

das hilfreichste Tool / die hilfreichste Software für Deine Arbeit

Outlook – alles andere beherrsche ich nicht!

Mit welchem Experten würdest Du am liebsten einmal 1 Tag zusammenarbeiten, und warum? Oder von welchem Experten aus Deinem Fachgebiet hast Du bisher am meisten gelernt? Und was war das?

Bevor das Unternehmen 2011 an den Markt ging habe ich intensiv nach Unternehmen am Markt gesucht, die mich beeindrucken. Und gefunden. Stick&Lembke ist ein Hamburger Teeunternehmen von außerordentlicher Qualität. In nahezu allen Handelsstrukturen Deutschlands vertreten, sind die beiden Hamburger Unternehmer nicht nur kommerzielle sondern auch gedankliche Vorreiter. Seitdem wir uns einen Termin vor Ort im kargen Hafenrandgebiet von Hamburg erbettelt haben, versuche ich regelmäßig, Kai Lembke aufzusuchen . Er ist einer der beiden geschäftsführenden Gesellschafter sowie Wirtschaftsmediator und Dozent am Institut für Außenhandel in Hamburg. Ich durfte von ihm vom Teegeschäft lernen, von der Kunst bescheiden zu bleiben und der Freude, Zeit in die Dinge zu stecken die einem wichtig sind.