interview

Interview mit Gudmund Semb – wob AG

Gudmund Semb wob AGWer ist Gudmund Semb? Bitte stell Dich doch mal kurz vor.

wob und zur Kommunikation gekommen.

Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verrate uns doch auch einen kleinen Spleen von Dir.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass ich gerne Gitarrist bei „Talk Talk“ gewesen wäre – der meist unterschätzten Band des 20 Jahrhunderts. Vielleicht mache ich auch mal ein Talk Talk Seminar für junge Menschen.

Elevator Pitch! Was macht Eure Firma? Und vor allem: was macht ihr am besten, wo liegt Eure Superpower?

wob liegt sicherlich in der Konzentration auf zwei Dinge: Zum einen die klare Positionierung als B2B Agentur, die sich über 40 Jahre entwickelt hat und ein immenses Wissen in diesem Segment geschaffen hat, zum anderen der Glaube an das  Konzept der Marke, das uns gerade jetzt in der Digitalisierung in die Lage versetzt, die Dinge ganzheitlich zu betrachten.

Ich weiß, dass dieser Blick aus der Vogelperspektive nicht auch, sondern ganz besonders im digitalen Raum notwendig ist: Die Kanäle sind flüssig, die Marke ist Fluss. Während es früher eine Branding-Kardinaltugend war, alles festzuschreiben und in Granit zu meißeln, müssen wir Marken im Netz viel dynamischer führen – alles ist Beta. Veränderung und Adaption geschehen in Echtzeit. Marke ist besonders in B2B zum permanenten, individuellen Dialog mit Kunden, Interessenten und den eigenen Mitarbeitern geworden.

Und wenn wir hier schon von Superpower reden, dann dann kann man sagen: Stillstand ist das grüne Kryptonit für Marken.

Wie lebt ihr Digitalisierung in Eurem Unternehmen? In welchem Bereich habt ihr Digitalisierung erfolgreich um- oder eingesetzt?

Wir sind ja kein Kind der Digitalisierung, sondern seit 1973 am Markt. Da gab es dann vor einigen Jahren einen Punkt, an dem wir gesehen haben, dass es nicht reicht, ein bisschen digitale Kompetenz zuzukaufen. Im Gegenteil: Wir haben die Agentur von Grund auf umgebaut und neu gedacht. Das war und ist ein umfänglicher Prozess, der viel Energie erfordert, aber er lohnt sich und ist natürlich notwendig.

Der Umbau betraf die Inhalte genauso wie die Organisation, und interessanterweise lässt er sich an zwei unterschiedlichen Polen festmachen: IT-Kompetenzen in bezug auf Marketing-Infrastrukturen  und Emotionalisierung in Bezug auf Inhalte. Wir sagen heute mit Stolz, wir sind eine Agentur für Technologie und Gefühle.

Heute reden wir sogar mit Kunden darüber, dass auch Marketing-Abteilungen ihre Strukturen überdenken müssen.

Wenn Du Dir die Netzwirtschaft insgesamt, Euren Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was werden die Haupt-Herausforderungen in den nächsten Monaten oder Jahren sein?

Herausforderung für die Gesellschaft, bzw. den Staat:

Ich glaube, dass es die wichtigste Aufgabe in diesem Zusammenhang überhaupt ist, massiv Mediennutzungskompetenz bei jungen Menschen zu entwickeln. Das Internet ist ein fantastisches Instrument, wenn man weiß wie es funktioniert und wie man es nutzt. Und damit meine ich nicht, sich unfallfrei bei Instagram anzumelden. Ich meine Grundkenntnisse Programmieren genauso wie die Fähigkeit vielfältige Informationen auf Plausibilität zu prüfen und ähnliches. Dazu kommen Themen wie Netzneutralität oder Datenschutz. Auf der einen Seite wird Vorratsdatenspeicherung durchgewunken, auf der anderen Seite benötige ich ein doppeltes Opt-in, wenn ich jemandem berufliche Informationen mailen möchte (was ich bei einem Brief übrigens nicht machen muss). Hier müssen Staat und Gesellschaft mehr verstehen und besser arbeiten.

Herausforderung für die Netzwirtschaft in Deutschland / Europa:

Ich möchte ein freies, innovatives, produktives Netz. Wir tun uns alle keinen Gefallen, wenn wenige Anbieter alles in Apps gießen und mehr oder weniger ein interaktives Fernsehen daraus machen. Die Netzwirtschaft muss daran mitarbeiten, das zu verhindern.

Herausforderung für unseren Markt:

Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass die Arbeit von Agenturen fair bezahlt wird. Ich sehe hier zunehmend Probleme, denn wir haben uns trotz Investitionen in neue Technologien bereits extrem verschlankt. Man kann Stundensätze nicht alle zwei Jahre senken, das Ende der Fahnenstange ist erreicht. Aber der Wettbewerbsdruck ist hoch und man findet immer jemanden , der es billiger macht – hier werden die Agenturen gegeneinander ausgespielt. Wie wir hier Solidarität hinbekommen sollen, ist mir momentan allerdings schleierhaft.

Herausforderung für unsere Firma:

Wir wollen die Chancen, die die digitalen Kanäle für emotionalere B2B Kommunikation bieten, immer besser nutzen. Dazu gehört die Integration von Marketing, Vertrieb und IT, mehr Wissen über Funktionsweisen zu generieren und effektives Leadmanagement.  Das ist unser Kreuzzug, sozusagen entlang der Customer Journey, dafür sind wir unterwegs. Ich bin froh und stolz, dass wir unsere größte Herausforderung als Unternehmen inzwischen auf der inhaltlichen Seite sehen – und nicht auf der strukturellen.

Was hat Dich bisher am meisten „am Internet“ geärgert, was am meisten gefreut?

Der größte Ärger – das hab ich oben schon gesagt: das doppelte Opt-in, das ich brauche, um jemandem in beruflichen Zusammenhängen emails zu schicken.

Die größte Freude ist zweifellos, wie wir den Erfolg von Kampagnen in Echtzeit sehen und sozusagen „live“ Anpassungen vornehmen können.

Gib uns doch bitte eine Empfehlung für…

einen Blog / eine Newsseite / ein Fachmagazin, mit dem/der Du Dich zu Fachthemen gerne informierst

Fast schon widersinnig, da eins zu nennen. Mich fasziniert, dass wir heute die Möglichkeit haben, uns umfassend und breit zu informieren und unterschiedlichste Quellen zu nutzen.

einen Artikel, der Dich in der letzten Zeit am meisten begeistert hat 

http://newclues.cluetrain.com

ein spannendes Buch, das Dich inspiriert hat

Ein Kommunikationsbuch, an das ich mich immer gerne erinnere, ist zweifellos Jean Marie Drus „Disruption“, das habe ich damals mit viel Gewinn gelesen.

eine Veranstaltung(-sreihe), auf der Du wirklich etwas dazugelernt hast

Das ist eigentlich alljährlich wiederkehrend die BMA Konferenz in Chicago, wo sich um die 1.000 B2B Marketer treffen. Nirgendwo kann man früher die wesentlichen Trends in der B2B Kommunikation spüren. Da führe ich wirklich inspirierende Gespräche und höre tolle Vorträge. BMA Eindrücke und Erlebnisse trage ich oft noch monatelang mit mir herum.

das hilfreichste Tool / die hilfreichste Software für Deine Arbeit

Der Flughafen in Frankfurt und der Hauptbahnhof in Heidelberg – ich glaube immer noch daran, dass es in unserer Branche wichtig ist, persönlich mit den Menschen zu sprechen. Wir sollten jede Möglichkeit zum persönlichen Austausch nutzen.

Mit welchem Experten würdest Du am liebsten einmal 1 Tag zusammenarbeiten, und warum?

Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich im Zusammenhang mit der Digialisierung eine Menge aus der Zusammenarbeit mit meinen jungen Mitarbeitern ziehe – da ist schon eine Menge kollektive Kraft in der Generation der „digital natives“, von der ich gerne lerne.

Da ist aber auch meine Herkunft aus der IT-Branche, meine Zeit als Finanzchef von DELL  Deutschland, als wir die ersten waren, die PCs direkt vertrieben haben. Da habe ich eine Menge vom Mut und Innovationswillen von Michael Dell gelernt. Übrigens war wob damals, Ende der 80er, unsere Werbeagentur bei DELL.