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Interview mit Daniel Greitens – MAXIMAGO

Daniel Greitens MAXIMAGOWer ist Daniel Greitens? Bitte stell Dich doch mal kurz vor.

Mich begeistern einfache, direkt verständliche digitale Lösungen, die sich nahtlos und helfend in den Lebensraum der Benutzer integrieren.

MAXIMAGO. Dort leite ich heute ein Experten-Team von 23 Digital-Pionieren, das mit den Kompetenzen Business-Analyse, Strategie-Konzept, Visual-Design und Entwicklung kreative und mutige Lösungen für große Software-Projekte in Unternehmensumfeldern diverser Branchen entwickelt.

Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verrate uns doch auch einen kleinen Spleen von Dir.

Wenn ich gezwungen werde, etwas nicht selbsterklärendes, sperriges zu nutzen, gehe ich an die Decke. Beispiel: Meine Fernseh-Fernbedienung, mein Herd, die unfassbare Mikrowelle im Büro. Genug jetzt, ich bekomme gerade schlechte Laune 🙂

Elevator Pitch! Was macht Eure Firma? Und vor allem: was macht ihr am besten, wo liegt Eure Superpower?

Wir verhelfen Software-Herstellern zu radikal einfachen und begeisternden Software-Lösungen.

Unsere Super-Power: Wir sind gedanklich befreit von den gängigen Schemata der Software-Industrie. Wir stellen den Menschen in den Mittelpunkt, leiten von ihm die ideal hilfreiche Schnittstelle zum Digitalen ab, und bauen sie fertig als Software-Komponente, die komfortable und ohne Risiko vor die Business-Logik unserer Kunden gesetzt werden kann.

Apropos Superpower: Verrätst Du uns ein „Best Practice“ Beispiel Deiner Firma, wo ihr besonders erfolgreich wart?

Ein gutes Beispiel für unsere Arbeit ist der Deutsche Zentrale Notruf, den wir mit einer Software ausgestattet haben, die von den Agenten in den Service-Centern genutzt wird. Der Clou des Konzepts: Eine Art „Panik-Knopf“, über den der Agent die umfangreiche Anwendung in einen extrem fokussierenden geführten Dialog verwandelt. Diese Funktion ist deshalb so wertvoll, weil über den Notruf zum Glück vor allem unkritische Ereignisse gemeldet werden und kritische Situationen nur selten auftreten. Der Agent hatte bislang in einem solchen kritischen Notfall keine laufend trainierte Routine und sah sich einer immensen psychischen Belastung ausgesetzt. Der Panik-Knopf bietet ihm nun immer ein Fangnetz und damit ein erheblich sichereres Gefühl bei seiner Arbeit. 

Wenn Du Dir die Netzwirtschaft insgesamt, Euren Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was werden die Haupt-Herausforderungen in den nächsten Monaten oder Jahren sein?

Herausforderung für die Gesellschaft, bzw. den Staat:

Die Digitalisierung bringt eine ganz massive gesellschaftliche Veränderung mit vielen Vor- aber auch Nachteilen, die aktuell so gut wie gar nicht behandelt werden. Beispielsweise ändert sich unsere Kommunikation, mitunter mit massivem Informationsverlust. E-Mails filtern Mimik, Gestik und Betonung fast vollständig heraus. Selbst Video-Konferenzen wurden bereits wissenschaftlich untersucht, mit dem Ergebnis, dass sie in nur sehr geringem Maße die für zwischenmenschliche Kommunikation wichtigen Spiegelneuronen aktivieren. Soziale Beziehungen werden zusehends durch einfach verständliche KPIs wie „Likes“ auf Facebooks oder LinkedIn reduziert. Aber auch die Digitalisierung von Geschäftsprozessen drängen den Menschen mit seinen Stärken wie Intuition immer mehr in den Hintergrund: Das Vertrauen einer Bank zu einem Kunden wird nicht mehr durch den persönlichen Kontakt mit einem Berater geprägt, sondern durch Algorithmen manifestiert. Die Betreuung eines Kunden durch einen Vertriebler wird durch Workflows in CRM-Systemen gesteuert, nicht durch eine persönliche Beziehung. Somit sehe ich die größte gesellschaftliche Herausforderung der Digitalisierung in einer Re-Emanzipierung der menschlichen Stärken.

Herausforderung für die Netzwirtschaft in Deutschland / Europa:

Die IT-Landschaft hierzulande sieht sich mit einem großen Problem konfrontiert:

Es gibt in Deutschland an diversen Stellen verkrustete und unflexible Strukturen, die nur sehr langsam dem internationalen Innovationsdrang folgen. Als da wären die Konzerne, die auf Grund ihrer überkomplexen Strukturen nicht mit der Agilität der neuen Ära mithalten können. Tesla ist sicherlich ein gutes Beispiel dafür, wie es offensichtlich möglich ist, aus dem Stand einen großen mutigen Sprung zu machen. Aber auch die Schwemme an kleinen, fokussierenden Software-Lösungen von Startups wird sicherlich den großen Boliden à la SAP und Microsoft früher oder später den Rang ablaufen.

Die Verkrustung zeigt sich aber auch an anderen Stellen. Beispielweise haben Universitäten und Fachhochschulen lange die Dynamik der heutigen Technologien ignoriert. Es wurden unbekümmert weiter Technologien gelehrt, die zum Zeitpunkt des Vermittelns bereits veraltet waren, und zum Berufseinstieg bis zu einem Jahrzehnt dem Lauf der Zeit hinterher hinkten. Zum Glück ist langsam Bewegung zu erkennen und eine neue Ära an Professoren und Lehrkräften bringen neuen Elan und adhoc einsetzbare Arbeitskräfte.

Eine weitere Verkrustung bricht nur langsam auf: Der Gründergeist in Deutschland. Die Hürden in Form von Kosten und gesetzlichen Vorgaben sind immens und ein Misserfolg führt zu gravierenden gesellschaftlichen Ausgrenzungen. Natürlich gibt es diverse Zuschussprogramme, die in Deutschland aber auf den Moment der Gründung zielen (und damit einen beschönigenden Effekt auf diverse Statistiken haben), der gesellschaftlich spannendste Moment, nämlich wenn der Gründer sich auf Grund von Wachstum aus dem Operativen zurückziehen muss und sich zum Manager mit neuen Kompetenzen mausern muss, bleibt unbehandelt. Obwohl genau in diesem Moment erst gesicherte Arbeitsplätze und Nachhaltigkeit entstehen.

Und hier kommt die nächste Verkrustung in Spiel: Die Banken. Auch sie müssten die Erneuerung untermauern. Aber hier schließt sich der Kreis: Denn eine neue Idee oder Vision lässt sich nicht mit den digitalen KPIs fassen. Nur mit Vertrauen in eine Sache, in ein Gründerteam, und mit Mut etwas Neues zu wagen.

Herausforderung für unseren Markt:

Tja, der Markt wird sich umstellen müssen. Und er wird einen Weg finden müssen, nicht nur mit dem internationalen Vergleich mithalten zu können, sondern wirkliche Innovation voran zu treiben. Der Erfolg der europäischen IT-Landschaft profitiert aktuell noch von den verkrusteten Strukturen und kann noch ausschlachten, was auszuschlachten ist. Und dabei beißt sich die Katze in den Schwanz und hält den Tanz in Gang: Die Nachfrage nach neuen Lösungen ist nämlich genauso verkrustet, wie das Angebot. Mit der Entscheidung für SAP hat schließlich noch nie jemand etwas falsch gemacht. Fehlender Mut also auf beiden Seiten!

Wir müssen lernen, Risiken einzugehen. Mutig zu sein. Visionen nicht als Spinnerei zu verteufeln, sondern einfach mal wagen etwas zu verlieren, aber damit auch mal etwas Neues zu gewinnen.

Herausforderung für unsere Firma:

Wir helfen Unternehmen, mutig zu sein. Damit treffen wir den Kern der Zeit. Unsere größte Herausforderung ist das erschwerte Wachstum auf Grund der fehlenden Ressourcen.

Was hat Dich bisher am meisten „am Internet“ geärgert, was am meisten gefreut?

Mich ärgert täglich die unbedachte oberflächliche Befriedigung sozialer Bedürfnisse. Mich erfreuen die einfachen Web-Anwendungen, die eine Lösung von den Desktop-Boliden ermöglichen.

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Ein Blog alleine deckt nicht alle meine Bedürfnisse ab. Mir ist eine Abbildung der Marktreflexion wichtig, daher nutze ich Facebook als Aggregat von ständig wechselnden Quellen.

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Fällt mir keiner ein. Es gibt viele gute Artikel, an „Begeisterung“ kann ich mich nicht erinnern.

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„The innovator‘s dilemma“

„Der blaue Ozean als Strategie – Wie man neue Märkte schafft“

„No sense in place“ (bereits aus den 80er Jahren!)

„Decoding the New Consumer Mind“

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Große öffentliche Veranstaltungen bringen mir wenig. Ich profitiere viel mehr von kleinen persönlichen Netzwerkveranstaltungen, in denen ein fundierter Dialog stattfindet.

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Eine Eigenentwicklung für Projektplanung. „Turbine“ als super einfaches Beschaffungswerkzeug und „Pipedrive“ als das einzig tolle CRM-System dieser Erde.

Mit welchem Experten würdest Du am liebsten einmal 1 Tag zusammenarbeiten, und warum?

Jony Ive von Apple. Ich würde gerne verstehen, wie es sein kann, dass eine einzige Person so viel Einfluss hatte, und warum sein Wegfall so schlagartig ein ungefülltes Loch hinterlassen kann.