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Interview mit Manfred Gillig-Degrave – Busch Entertainment Media

Manfred Gillig-Degrave Busch Entertainment Media Wer ist Manfred Gillig-Degrave? Bitte stell Dich doch mal kurz vor.

MusikWoche, dem Nachrichtenmagazin für die Musikbranche, seitdem Herausgeber, Publisher at large und at ease. Zwischendurch auch mal Verlagsleiter bei Hannibal, dem Fachbuchverlag für Musik und Musikerbiografien, Übersetzer (William Burroughs: „Ghost of Chance“) sowie Inhaber des Labels Blue Vision (karibische Popmusik).

Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verrate uns doch auch einen kleinen Spleen von Dir.

Seitdem ich mit elf Jahren das erste Heft der SF-Serie „Perry Rhodan“ verschlungen habe, hat mich diese Endlos-Saga immer mal wieder in ihren Bann geschlagen; die ersten 2500 Hefte besitze ich komplett. Außerdem kann ich mich von keiner Platte und keinem Buch trennen, und sei sie oder es auch noch so schlecht. Dazu kommt noch eine nicht ganz kleine Comic-Sammlung.

Elevator Pitch! Was macht Eure Firma? Und vor allem: was macht ihr am besten, wo liegt Eure Superpower?

Busch Entertainment Media ist Deutschlands einziger Fachverlag für alle Bereiche der Entertainmentbranche – Musik, Film, Games, DVD. Die Redakteure unserer Fachmedien – MusikWoche, Blickpunkt:Film, Gamesmarkt, Videomarkt – wissen, worauf es den Menschen in der Branche ankommt. Und wir bespielen alle Kanäle: Online, Print, Newsletter, Livepaper, Mobil. Zudem pflegen wir eine komplexe Datenbank.

Wie lebt ihr Digitalisierung in Eurem Unternehmen? In welchem Bereich habt ihr Digitalisierung erfolgreich um- oder eingesetzt?

Mediabiz als Dachmarke für die einzelnen Branchenkanäle online gegangen. Mit Livepaper haben wir sehr früh (2003) ein eigenes E-Paper-Angebot entwickelt, das durch die Anbindung an die Datenbank einen Zusatznutzen fürs Fachpublikum bietet. Und zumindest in der MusikWoche-Fachredaktion gab es nie eine Trennung zwischen Online- und Printredakteuren.

Wenn Du Dir die Netzwirtschaft insgesamt, Euren Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was werden die Haupt-Herausforderungen in den nächsten Monaten oder Jahren sein?

Herausforderung für die Gesellschaft, bzw. den Staat:

„Das Netz ist nicht schuld daran, dass wir im Netz zu Idioten werden.“ (Mercedes Lauenstein, siehe weiter unten). Aber das Netz wird in den Social-Media-Filter-Bubbles zunehmend zum Tummelplatz von Idioten. Was die Gesellschaft oder der Staat dagegen tun können? Ich weiß es nicht, gestehe ich mit Bedauern und einer gewissen Resignation. Die Herausforderung für die Gesellschaft besteht darin, die Netzwelt nicht als Parallelwelt mit eigenen Naturgesetzen zu begreifen, sondern als selbstverständliche und in tausendfacher Hinsicht nützliche Erweiterung der alltäglichen Realität.

Herausforderung für die Netzwirtschaft in Deutschland / Europa:

Die Europäische Union ist prinzipiell eine feine Sache, doch der Teufel steckt im Detail und in den unterschiedlichen Regularien der Teilmärkte. Die Bretter, die gebohrt werden müssen, sind oft ziemlich dick, und es wäre hilfreich, wenn sie dünner wären. Doch es bringt nichts, die europäischen Verhältnisse an die Bedürfnisse der US-Riesen anpassen zu wollen. Die europäischen Hürden sind vielleicht oftmals höher, aber wer sie als Startup nimmt, bringt vermutlich auch was Dauerhaftes und Sinnvolles auf die Reihe.

Herausforderung für unseren Markt:

Die Musikwirtschaft sah sich schon sehr früh mit Napster & Co., mit „Sharing“, P2P etc, und damit mit dem Wegbrechen traditioneller Geschäftsmodelle konfrontiert. Auch die anderen Bereiche der Entertainmentindustrie hat es dann bald erwischt. Zum Teil drastische Erlösrückgänge waren die Folge, aber man hat sich inzwischen auf die veränderten Spielregeln eingestellt. Dennoch ist die Herausforderung, wie sich neue Inhalte finanzieren lassen, größer als früher. Natürlich lassen sich per Crowdfunding auch Nischenkonzepte umsetzen, und das stimmt mich zuversichtlich, dass die kreative Vielfalt nicht auf der Strecke bleiben wird. Und auch Streaming ist eine feine Sache, von der auf lange Sicht viele Künstler und Firmen profitieren werden. Doch viele werden auch auf der Strecke bleiben, weil sie nicht einen gewissen Schwellenwert überschreiten.

Herausforderung für unsere Firma:

Fachinformation wird immer gebraucht, und das sehen wir auch an der täglichen Nutzung unserer Angebote. Trotzdem ist es schwieriger geworden, unsere Arbeit mit traditionellen Vertriebswegen und Anzeigenkonzepten zu finanzieren. Wir befinden uns mittendrin in einem Prozess, an dessen Ende mehr Flexibilität – und auch Kleinteiligkeit – in der Vermarktung stehen wird. Dieser Weg, er wird kein leichter sein.

Was hat Dich bisher am meisten „am Internet“ geärgert, was am meisten gefreut?

Von Anfang an hat mich erst einmal so gut wie alles gefreut, fasziniert, auf Trab gehalten, inspiriert – so wie ich mich in den Siebzigern für die ersten Lochstreifenprogramme an der Uni begeisterte, mit denen man zum Beispiel Insektenarten bestimmen konnte, oder in den Achtzigern für die ersten redaktionellen Textprogramme auf Atari-Computern oder in den Neunzigern für die erste DFÜ-Standleitung, mit der wir die fertig produzierten Seiten über Nacht in die Druckerei schicken konnten.

Geärgert hat mich demnach sehr lange Zeit so gut wie nichts. Allerdings empfinde ich das Data Mining, wie es Google und Facebook perfektioniert haben, schon lange als Zumutung. Und richtig ärgerlich wird es, seit in den Social Media, aber auch bei den Kommentaren auf vielen Seiten Hass und Vorurteile hochkochen. Ein seltsames Paradox: Die Technologie war noch nie so fortgeschritten, die Ressentiments und Reaktionen vieler Nutzer scheinen aus dem Mittelalter zu stammen.

Gib uns doch bitte eine Empfehlung für…

einen Blog / eine Newsseite / ein Fachmagazin (auch Print), mit dem/der Du Dich zu Fachthemen gerne informierst 

pando.com: ein bestens vernetzter US-Fachdienst über Silicon Valley, Sharing Economy und Startup-Szene mit durchaus gesunder und kritischer Skepsis

einen Artikel, der Dich in der letzten Zeit am meisten begeistert hat (wenn Web, bitte mit URL)

„Wasteland“ von Mercedes Lauenstein:
http://www.brandeins.de/archiv/2016/befreiung/wasteland/

ein spannendes Buch, das Dich inspiriert hat

* „Der Schockwellenreiter“: SF-Roman von John Brunner, in dem schon 1975 viele Aspekte des Internets auftauchten (Computernetzwerke, Viren, Hacking…)
* „Neuromancer“ von William Gibson

eine Veranstaltung(-sreihe), auf der Du wirklich etwas dazugelernt hast

Da fallen mir einige frühe Ausgaben der Ars Electronica in Linz ein, wo man zum Beispiel den Fairlight-Sampler vorstellte oder mit Wendy Carlos über die Entwicklung des Synthesizers fachsimpeln konnte.

das hilfreichste Tool / die hilfreichste Software für Deine Arbeit

Oskar und seine Schwester Jeannie: Oskar ist das Redaktionssystem, das Entertainment Media selbst entwickelt hat, und Jeannie ist das dazu gehörige Fotoarchiv. Ohne die beiden gäbe es keine Onlinenews, keine Newsletter, keine Apps, keine Printhefte, kein Livepaper.

Mit welchem Experten würdest Du am liebsten einmal 1 Tag zusammenarbeiten, und warum?

Nehmen wir mal einen Musiker: Christopher Franke hat mir nach dem Konzert von Tangerine Dream in der Londoner Royal Albert Hall schon 1975 erklärt, welche neuen Horizonte die Digitalisierung der bis dahin noch analogen Synthesizermusik eröffnen würde. Da ahnte ich, dass die Digitalisierung nicht bei der Musik halt machen würde und dass sie letztlich so gut wie alle Lebensbereiche umkrempeln würde. Und im Journalismus? Da haben mich die Kollegen Jörg Gülden und Helmut Salzinger, Gott habe sie selig, bei „Sounds“ vemutlich am meisten geprägt.