interview

Interview mit Detlef Gürtler – GDI Impuls

Detlef Gürtler GDI ImpulsWer ist Detlef Gürtler? Bitte stell Dich doch mal kurz vor.

GDI Impuls in Rüschlikon bei Zürich. So lange war ich noch nie zuvor am Stück bei und demselben Blatt.

Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verrate uns doch auch einen kleinen Spleen von Dir.

Ich sammle „Kundschafterromane“ – Spionagekrimis aus dem Militärverlag der DDR. Sie sind handwerklich meist gut gemacht, und sind der wohl einfachste Weg, um heute noch die Ideologie jenes real existiert habenden Sozialismus kennenzulernen. James Bond vom Kopf auf die Füsse gestellt, sozusagen.

Elevator Pitch! Was macht Eure Firma? Und vor allem: was macht ihr am besten, wo liegt Eure Superpower?

Denke Dir ein beliebiges Substantiv. Irgendeins. Hast du? Okay.

Schreib es hier im Genitiv (mit Artikel) hin:

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Hast du? Okay.

Wenn du jetzt „Die Zukunft“ davorschreibst, steht da, womit wir uns am besten auskennen. Wir, das GDI Gottlieb Duttweiler Institute, und wir, dessen Zeitschrift GDI Impuls.

Apropos Superpower: Verrätst Du uns ein „Best Practice“ Beispiel Deiner Firma, wo ihr besonders erfolgreich wart? Was waren Deiner Meinung nach die Erfolgsfaktoren?

Trendforscher verkaufen Begriffe oder Bilder. Eine Zukunft, die noch keiner kennt (auch wir nicht) so auf den Punkt bringen, dass jeder sie sich vorstellen kann. Als ich am GDI anfing, im Herbst 2008, passierte der Welt gerade die 2. Weltwirtschaftskrise. Eine Woche nach der Lehman-Pleite prägte unser CEO David Bosshart bei der Internationalen Handelstagung den Begriff „Age of Less“. Der passte damals hundertprozentig auf das, was der (entwickelten) Welt bevorstand, und passt immer noch genauso gut. „Gut“ ist, ganz zufällig, auch das Schlüsselwort dafür: Im Age of Less geht es nicht mehr darum, grösser, profitabler, besser zu sein – es geht darum, gut zu sein. Wir werden allerdings noch lange damit zu tun haben, das dem Kapitalismus beizubringen. 

Wenn Du Dir die Netzwirtschaft insgesamt, Euren Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was werden die Haupt-Herausforderungen in den nächsten Monaten oder Jahren sein?

Herausforderung für die Gesellschaft, bzw. den Staat:

Der Übergang von der quantitativen (Wachstums-) Orientierung zum qualitativen Denken und Handeln erfordert mittelfristig ein Umstülpen sämtlicher ökonomischer, politischer und sozialer Systeme. Gut, dass die Schweiz da schon relativ weit gekommen ist.

Herausforderung für die Netzwirtschaft in der Schweiz / Europa:

Man sollte meinen, dass gerade die Netzwirtschaft am besten mit der Vorstellung zurechtkommt, dass alles, was digitalisiert werden kann, auch digitalisiert werden wird. Pustekuchen. Die heutigen Anbieter von Smart-Home-Services in der Schweiz beispielsweise sind auch nicht ansatzweise auf das vorbereitet, was da in den kommenden Jahren auf sie und uns zukommt. Eine etwas weiter ausgreifende Perspektive wäre nicht nur dort sehr sehr sinnvoll.

Herausforderung für unseren Markt:

Wer braucht schon noch Trendforscher, wenn es Google Trends gibt? Jeder eigentlich – aber erklär das mal…

Herausforderung für unsere Firma:

Wie stellt man in Zukunft noch den Menschen in den Mittelpunkt (so die Philosophie unseres Stifters Gottlieb Duttweiler), wenn dort schon die Roboter sind?

Was hat Dich bisher am meisten am Internet geärgert, was am meisten gefreut?

Geärgert: Ich warte noch immer darauf, dass irgendeines der Unternehmen, die mit meinen Daten operieren, mir eine auch nur annähernd für mich sinnvolle oder zumindest interessante Werbung auf den Bildschirm bringt. IST DAS DENN WIRKLICH SO SCHWER???

Gefreut: Als ich meinen ersten Winter in Spanien verbrachte, habe ich meine Texte noch per Diskette und Fax in die Redaktionen geschickt…

Welches „Problem“ (privat oder im Unternehmen) würdest DU gerne von einem Start-up gelöst bekommen?

Ich möchte jeden beliebigen Geldbetrag jedem beliebigen Menschen aufs Handy schicken können – ob 20 Schekel für Muhammad in Bethlehem oder 100 Pesos für Maria in Bogota.

Gib uns doch bitte eine Empfehlung für…

einen Blog / eine Newsseite / ein Fachmagazin (auch Print), mit dem/der Du Dich zu Fachthemen gerne informierst

Das deutsche WIRED ist im zweiten Anlauf richtig gut geworden.

einen Artikel, der Dich in der letzten Zeit am meisten begeistert hat

Aladin El-Mafaalani: Salafismus als Jugendkultur – Burka ist der neue Punk . Dieser Text trägt mehr zum Verständnis von ISIS und Konsorten bei als jedes Geheimdienst-Dossier
http://www.sueddeutsche.de/politik/salafismus-als-jugendkultur-burka-ist-der-neue-punk-1.2318706

ein spannendes Buch, das Dich für Dein Business inspiriert hat

Stanislaw Lem: Imaginäre Grösse, von 1973 – und dort insbesondere die Ansprache des Lichtcomputers Golem XIV aus dem Jahr 2029 an die Menschheit.

eine Veranstaltung(-sreihe), auf der Du wirklich etwas dazugelernt hast

Wenn ich unsere eigenen Trendtage und Handelstagungen ausklammere (sehr ungerecht denen gegenüber): der letzte Entrepreneurship Summit in Berlin – ich weiss jetzt, wie man das Flüchtlingsproblem in Europa löst. Falls es jemand interessiert: detlef.guertler (at) gdi.ch.

das hilfreichste Tool / die hilfreichste Software für Deine Arbeit

Dropbox erleichtert es ungemein, räumliche Barrieren und Unternehmensgrenzen zu überwinden. Wenn man sich zwischen Berlin, Zürich und Marbella bewegt, ist das sehr hilfreich.

Mit welchem Experten würdest Du am liebsten einmal 1 Tag zusammenarbeiten, und warum?

Bei Stephen Wolfram (Wolfram Alpha) habe ich seit langem das Gefühl, dass er viel viel viel mehr aus seinen Forschungen und Produkten machen könnte – er bekommt es nur nicht rübergebracht. Dazu wiederum würde mir in einem Tag mit ihm ziemlich viel einfallen. Aber ach, vermutlich interessiert er sich eigentlich überhaupt nicht dafür.