interview

Interview mit Erkan Karakoç – raumHOCH

Erkan Karakoç raumHOCHWer ist Erkan Karakoç? Bitte stell Dich doch mal kurz vor.

raumHOCH GmbH, einer Agentur für digitale und räumliche Kommunikation mit Standorten in Berlin, Stuttgart und Zürich. Und dann noch die Story dahinter: Ich bin Zuwanderer – geboren in Istanbul und mit meinen Eltern als 12-Jähriger nach Deutschland gekommen. Damals trauten die Lehrer dem dunkelhaarigen Jungen nichts zu – zu schlecht waren meine Leistungen in Deutsch. Dass ich in anderen Fächern sehr gut war, wollte niemand so recht bemerken. Ich landete auf der Hauptschule. Um es von dort dann doch zum Fachabitur auf dem zweiten Bildungsweg zu schaffen – dafür brauchte es eine Menge Willen. Und der hilft mir nach wie vor.

Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verrate uns doch auch einen kleinen Spleen von Dir.

Fußball! Das wirkt zwar immer wie etwas Grobes, Herbes, das eigentlich zum Gröhlen wie gemacht ist. Mich interessiert aber vielmehr das Fingerspitzengefühl, das Strategische und die Menschenführung, die dahinter steckt. Wie schafft es ein Trainer, zum Beispiel das System mitten im Spiel zu ändern und die Spieler auf eine andere Position zu bringen, und Kopf und Körper so zu beeinflussen, dass sie auch unter diesen veränderten Bedingungen noch als Team agieren können?

Elevator Pitch! Was macht Eure Firma? Und vor allem: was macht ihr am besten, wo liegt Eure Superpower?

Wir konzipieren, planen und realisieren Marken-Kommunikation im Raum. Das heißt konkret: Vor allem Messestände, Showrooms und Events. Unsere Superpower: Das geschickte Zusammenfügen von Realem und Digitalem. Unsere Messestände können beispielsweise auch auf das „Futter“ reagieren, mit dem Aussteller oder Besucher sie auf digitalem Wege versorgen.

Apropos Superpower: Verrätst Du uns ein „Best Practice“ Beispiel Deiner Firma, wo ihr besonders erfolgreich wart?

Beim Messesystem für RWE haben wir es wirklich geschafft, digitale und räumliche Kommunikation zu vernetzen. Jung von Matt/brand identity hatte für RWE ein neues Markenerscheinungsbild entwickelt und das sollte nun auch für die Kommunikation im Raum eingesetzt werden. Dazu muss man wissen: Die gesamte Kommunikation von RWE bei Messen und Ausstellungen basierte vorher auf Print, war also relativ starr und unflexibel, weil jede Änderung einen enormen finanziellen Aufwand bedeutete. Wir entwickelten ein ganzes Messesystem, das aus einer digital bespielbaren Wand besteht, die ganz auf den Dialog mit dem Besucher ausgerichtet ist. Der große Vorteil: Das Ganze ist vollkommen flexibel, räumlich wie inhaltlich und kann auf jede Situation individuell angepasst werden – und kommt doch aus einer Art Baukasten, aus dem man für einen neuen Auftritt einfach die passenden Elemente auswählen kann. Das eigens dafür entwickelte Präsentationssystem haben wir dann perfektioniert, cloudFOLIO genannt und setzen es heute für viele Kunden ein.

Wie lebt ihr Digitalisierung in Eurem Unternehmen? In welchem Bereich habt ihr Digitalisierung erfolgreich um- oder eingesetzt?

Wir lösen Probleme an den Stellen digital, wo uns das sinnvoll und arbeitserleichternd erscheint. Digital zusammenarbeiten ist da ein Thema, zum Beispiel über Plattformen wie ZOHO. Das ist schon deshalb unverzichtbar, weil wir an drei verschiedenen Standorten präsent sind. Aber wo die Digitalisierung uns das Leben nur komplizierter machen würde, lassen wir es sein. Wir bauen zum Beispiel auch hin und wieder noch ganz reale Modelle von Messeständen – und die Suppenliste für mittags geht nach wie vor auf Papier rum.

Wenn Du Dir die Netzwirtschaft insgesamt, Euren Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was werden die Haupt-Herausforderungen in den nächsten Monaten oder Jahren sein?

Herausforderung für die Gesellschaft, bzw. den Staat:

Wir müssen lernen, die Möglichkeiten des Digitalen wirklich bedacht und intelligent zu nutzen. Noch schöpfen wir sein eigentliches Potential nicht aus, sondern haben an vielen Stellen durch die Digitalisierung unseren Alltag schlicht komplexer als einfacher gemacht. Ich glaube, wir müssen in Zukunft besser verstehen lernen, wo die Chancen der Digitalisierung liegen und aus der gewonnenen Selbstsicherheit heraus das Digitale auch hauptsächlich in diesen Bereichen stärken. Dann bliebe mehr Energie und Zeit für reale Erlebnisse an den Stellen, wo die Digitalisierung nicht der richtige Weg ist.

Herausforderung für die Netzwirtschaft in Deutschland / Europa:

Ich glaube, die Netzwirtschaft muss an ihrer Haltung arbeiten. Sie verkauft heute nicht immer das Sinnvolle, sondern einfach das, was die etablierte Economy in Ihrer Unkenntnis nachfragt. Das empfinde ich als wenig verantwortungsvoll. Sobald die etablierten Wirtschaftszweige mehr Durchblick in der digitalen Welt haben werden – zum Beispiel weil die Digital Natives in diesen Unternehmen ans Ruder kommen –, wird die Netzwirtschaft mit dieser ihrer Haltung gewaltige Probleme bekommen. Es wäre wohl gut, sie käme diesem Punkt zuvor und würde sich schon jetzt darauf besinnen, verantwortungsvoll zu handeln.

Herausforderung für unseren Markt:

Die Unternehmen müssen wirklich den Sprung schaffen, das Digitale immer mitzudenken – denn es ist ein Teil unserer Welt geworden. Aber aktuell läuft es doch eher so: Ein Besucher kommt auf eine Messe, besucht dort einen Stand, hat eine nette Zeit – und dann holt ihn die digitale Kommunikation von diesem Erlebnis alles andere als lückenlos ab. Wir müssen das Digitale und das Reale in einer Form besser verzahnen, die die Stärken jeder „Daseinsart“ optimal nutzt. Ein Beispiel: Facebook müßte Cafés eröffnen, um die Menschen digital und real gleichermaßen vernetzt zu halten. Die Firmen, die diese Verzahnung bewältigen werden, schaffen auch den Sprung auf die nächste Stufe der Digitalisierung.

Herausforderung für unsere Firma:

Wir meistern gerade eine ganz besondere Situation, weil wir unser Unternehmen völlig neu positioniert haben. Seit unserer Gründung 2006 waren wir eigentlich immer eine Art verlängerte Werkbank für namhafte Agenturen. Aber seit zwei Jahren benehmen wir uns wie ein Startup. Wir sind dabei sicher auch ein bisschen vom Gedanken der Weltverbesserung getrieben: Unser Ziel ist, das Reale und das Digitale gleichberechtigt zu behandeln – und das geht nur im direkten Kontakt mit dem Kunden wirklich gut. Die größte Herausforderung dabei ist, eben diesen Kunden auch direkt zu gewinnen – mit einem Portfolio, das in seiner Art relativ neu ist.

Was hat Dich bisher am meisten am Internet geärgert, was am meisten gefreut?

Am meisten ärgert mich nach wie vor Werbung per Pop-up-Fenster. Ein Glück bin ich damit nicht alleine – genau wie mit dem Gedanken der Weltverbesserung: Einer der Mitgründer von raumHOCH, Georgi Musev, hat sich des Problems angenommen und mit seiner neuen Firme Humancredit einen Ad-Filter entwickelt, der gleichzeitig für soziale Projekte Geld sammelt. Dass so etwas möglich ist, freut mich am Internet. Am besten allerdings finde ich Wikipedia. Als Kind war ich passionierter Lexika-Leser, heute darf ich das im Büro – manchmal – auf andere Art fortsetzen. Super, oder?

Welches „Problem“ (privat oder im Unternehmen) würdest Du gerne von einem Start-up gelöst bekommen?

Hundehaufen.

Gib uns doch bitte eine Empfehlung für…

einen Blog / eine Newsseite / ein Fachmagazin, mit dem/der Du Dich zu Fachthemen gerne informierst

http://experientialmarketingnews.com. Da sind wirklich verrückte Sachen aus der ganzen Welt zu sehen, die man sonst nicht so mitbekommt. Mir hilft das, den Kopf zu lüften.

einen Artikel, der Dich in der letzten Zeit am meisten begeistert hat 

Ich finde leider keinen Link dazu, aber er handelte vom Betreiber des griechischen Restaurants „Ach, Niko, ach“ am Kudamm. Niemand hat es bis jetzt geschafft, die Unterschiede zwischen griechischem und deutschem Denken so gut zu beschreiben. Ich glaube, dafür gab’s sogar den Grimme-Preis.

ein spannendes Buch, das Dich für Dein Business inspiriert hat

Ganz klar „Snow Crash“ von Neal Stephenson. Das Buch erschien 1992 – und der Autor hat darin das Internet beschrieben, wie wir es heute haben: Es gibt das wahre Leben und das Metaversum. In letzteres kommt man kommt nur, wenn man eine Spezial-Brille aufsetzt. Der Held ist im wahren Leben Pizzalieferant, im Metaversum Schwertkämpfer. Mich hat damals fasziniert, dass es eine zweite Welt geben könnte, in der man sich bewegen und jemand anderes sein kann. Mitte der 90er war dieser Gedanke richtig WOW!

eine Veranstaltung(-sreihe), auf der Du wirklich etwas dazugelernt hast

Die Design Thinking Workshops von „The dark horse“ aus Berlin. Darin habe ich extrem viel über serviceorientiertes, kreatives Denken gelernt.

das hilfreichste Tool / die hilfreichste Software für Deine Arbeit

Ich habe das Gefühl, das könnte bald „User Story Mapping“ werden. Ich hab‘ zwar erst kürzlich eine Einführung bekommen, aber glaube, dass sich damit bedarfsorientierte Prozesse extrem gut definieren und strukturieren lassen. Der Gedanke dahinter ist, ein digitales Projekt aus Userebene in einzelne Bausteine zu zerlegen und damit dann zu arbeiten. Die zentrale Frage ist immer: Was braucht der User, damit das Ding am Ende funktioniert?

Mit welchem Experten würdest Du am liebsten einmal 1 Tag zusammenarbeiten, und warum?

Thomas Tuchel. Weil er es schafft, Kopf und Körper seiner Leute so zu lenken, dass die Dinge einfach laufen, auch bei spontanen Veränderungen. Ob das allerdings im Agenturgeschäft dann umsetzbar ist – naja, vielleicht kann Tuchel wenigstens ein paar Tipps geben …