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Interview mit Dr. Inga Ellen Kastens – Lux Kastens Partner GmbH

Dr. Inga Ellen Kastens Lux Kastens Partner GmbHWer ist Dr. Inga Ellen Kastens? Bitte stell Dich doch mal kurz vor.

Ich bin Managementberaterin sowie Methodenentwicklerin in den Bereichen Markenmanagement, Unternehmenskommunikation und –kultur. Meinen Job könnte und wollte ich aber ohne die leidenschaftliche Anbindung an Forschung und Lehre aus geistes- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen nicht machen. Mich faszinieren Denkzugänge und Lösungsmethoden, die dabei helfen, Komplexität zu verstehen – und nicht gnadenlos zu reduzieren. Bildung, Lehre und Forschung an Universitäten, Hochschulen sowie in Fachpublikationen gehört daher ein wichtiger Teil meiner Zeit und Energie.

Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verrate uns doch auch einen kleinen Spleen von Dir.

Ich bin „Brückenbegriffen“ gegenüber fürchterlich misstrauisch, die die Welt vermeintlich einfach erklären. Im Unternehmenskontext ist „Marke“ so ein typischer Vertreter: Die Verständigung über Disziplingrenzen hinweg hat längst deutlich gemacht, dass immaterielle Assets wie Marke aus den vitalen Beziehungsgeflechten und Kommunikationen der Menschen heraus zu verstehen – und zu managen – sind. Trotzdem „bauen“ viele Unternehmen ihre Marke noch getreu den alten Branding-Prinzipien, die kaum Antworten auf zeitgemäße Fragen liefern. Z. B. so vermeintlich banale wie „Was ist der trennscharfe Unterschied zwischen Marke, Image und Reputation…?“

Ein zweiter Spleen ist ohne Frage, dass ich morgens im Wald vor dem Training regelmäßig versuche, mein Fahrrad  mit dem Funkschlüssel meines Autos abzuschließen…

Elevator Pitch! Was macht Eure Firma? Und vor allem: was macht ihr am besten, wo liegt Eure Superpower?

www.luxkastens.com) legen das Fundament für eine markenorientierte Unternehmensführung, die verstanden hat: Alles, was ein Unternehmen sagt oder nicht sagt, macht oder nicht macht, ist potenziell markenwirksam. Dazu gehört – um nur ein paar Aspekte zu benennen: Silodenken reduzieren, Marke von innen heraus wirksam werden lassen, echte Dialoge und Diskurse führen, Schlüssel-Kompetenzen der semantischen Sprach- und Datenanalyse (qualitative Insights!) intern verankern. Aus der Vogelperspektive gesprochen transformieren wir Markenmanagement von einem linearen Kampagnen-Denken zu einem zirkulären Markenwertschöpfungsprozess, der dem Unternehmen einen messbaren materiellen wie immateriellen Gewinn liefert.

Wie lebt ihr Digitalisierung in Eurem Unternehmen? In welchem Bereich habt ihr Digitalisierung erfolgreich um- oder eingesetzt?

Immer getreu dem Wienerschen Motto: „Ich weiß nicht, was ich gesagt habe, bevor ich nicht die Antwort des anderen darauf gehört habe.“ Wertschöpfende Wissensflüsse innerhalb eines Unternehmens sowie zwischen Unternehmen und gesellschaftlichen Beziehungsgruppen gehorchen nicht-linearen Gesetzen. Und damit Prinzipien komplexer Systeme: Das In-Beziehung-Denken wird zur Kernkompetenz erfolgreicher Unternehmen. Genau hier setzen wir an und dürfen durch exzellentes systemisches wie semantisch-semiotisches Knowhow mit einem deutlichen Wissens- und Praxisvorsprung aufwarten. So lernen Unternehmen Sprache und Kommunikation u.a. in den Bereichen Kommunikation, Marketing und Vertrieb/Service dergestalt einzusetzen, dass Marke immer implizit ist. So lassen sich nicht nur im Netz Werte schaffen, die nicht mehr nur auf die Strategiepapier stehen, sondern von zentralen Stakeholdern geteilt werden.

Wenn Du Dir die Netzwirtschaft insgesamt, Euren Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was werden die Haupt-Herausforderungen in den nächsten Monaten oder Jahren sein?

Herausforderung für die Gesellschaft, bzw. den Staat:

Der durchschnittliche Bürger nimmt einen großen Teil seiner virtuellen Gesprächsmacht immer noch über „Gossip Talk“ wahr. Hier sollten die Augen weiter aufgemacht und erkannt werden, welche Macht geteiltes, relevantes Wissen ausüben kann. Im Sinne einer humanen, durch Teilhabe charakterisierten Ökonomie reichen Phänomene wie „Shit Storms“, die aufgrund des Gebarens einiger politischer oder wirtschaftlicher Akteure losgetreten werden, nicht weit genug. Menschen sollten einen noch energischeren Haltungswechsel zu wichtigen Themen im Netz einnehmen, um diese langfristig zu treiben, statt sich in (kurzfristige) Gruppen des „Dagegen!“ und „Dafür!“ einzuteilen. Unternehmen sind heute die Institutionen mit den allergrößten verfügbaren Ressourcen der semantischen und ökonomischen Macht. Nutzen wir dies.

Herausforderung für die Netzwirtschaft in Deutschland / Europa: 

Der horrende Stellenwert des Wissenskapitals dürfte mittlerweile jedem bewusst sein: Wertschöpfung wird immer stärker über immaterielle Prozesse geschaffen. Hier sehe ich v.a. Nachholbedarf in der Ausbildung von (jungen) Fach- und Führungskräften. Das Wissen für das Unternehmensmanagement von morgen darf nicht mehr nur auf Modellen basieren, sondern muss aus der Wirklichkeit stammen. Hier sind gerade in ökonomischen Handlungsfeldern zentrale Disziplinen aus den Geistes- und Kulturwissenschaften hinzuzuziehen. Diese offerieren die notwendigen Ingredienzen zum Beispiel zum zeitgemäßen Verstehen von Sprache und menschlicher Interaktion. Schauen Sie sich einmal die durchschnittliche Stellenausschreibung für einen Kommunikations-Job in der Wirtschaft an: Eingefordert werden die alten wirtschaftswissenschaftlich geprägten Kompetenzen der Marketingkommunikation. Diese sind wichtig, aber heute schlicht nicht mehr ausreichend. Das Management von Komplexität braucht Methoden für die Wirklichkeit; nicht nur für die Simulation von ihr.

Herausforderung für unseren Markt:

Die Plastizität, die die kontinuierlichen Gespräche dem Internet verleihen, wird immer noch zu wenig als Chance begriffen. Gilt doch: Je höher die Intelligenz eines Systems, desto weniger sollte „von oben“ reguliert werden. Die Unternehmen haben es im Netz mit einer Kollektivintelligenz erster Güte zu tun. Die Regulierungswut jedoch ist in vielen Branchen immer noch ungebrochen. Was heute teilweise als „Dialogmarketing-Strategie“ umgesetzt wird, ist hanebüchen. Der Preis, der für eine falsch verstandene Datennutzung im Marketing gezahlt wird, wird sich für viele in der Währung „verloren gegangene Beziehungen“ (Sozialkapital) ausdrücken.

Herausforderung für unsere Firma:

Materielle Wertsteigerung von Unternehmen ist heute, mehr denn je, abhängig von immaterieller Werte-Entwicklung. Wirtschaftsorganisationen werden sozusagen über die Ausprägung ihrer Kompetenz des „Sprechen-Könnens“ verwundbar – oder eben stark. Unsere Herausforderung und attraktive Aufgabe ist es und wird es sein, das „Zahlendenken“ zu Gunsten eines „Denken in Beziehungen und Bedeutungen “anzureichern. Wir haben dazu die Überspezialisierung unseres Marktes überwunden und praktizieren Transdisziplinarität.

Was hat Dich bisher am meisten „am Internet“ geärgert, was am meisten gefreut?

Netze sollen verbinden. Das ist ihre Aufgabe. Bislang dominiert aber das technische Denken die Dialoge zwischen Unternehmen und ihren Stakeholdern. Dabei gilt für Wissen wie alle immateriellen Assets: Sie vermehren sich nur, wenn man sie „nach draußen“ abgibt. Erst, wenn Unternehmen die Prinzipien und Mechanismen der menschlichen Sprache ernstnehmen und verstehen,  werden sie die passende Sprache im Digitalen finden.

Die Unternehmen haben im Rahmen der Digitalisierung die große Chancen, die alten Sender-Empfänger-Modelle zu Gunsten zeitgemäßer Kommunikations-Modelle weichen zu lassen. Und einige Unternehmen haben diese Herausforderung mit Bravour angenommen und gemeistert. Gefreut haben mich Unternehmen wie z. B. die Leodan Privatbank, die als erste Schweizer Privatbank verstanden hat, was Kunden heute von einem Banking erwarten. Oder die Arbeiten der R+V Banken sowie der Sparkassen, die in ihrer Kommunikationsarbeit neben derwichtigen Vorausplanung die notwendige Kompetenz der kontinuierlichen, dynamischen und nicht einseitig steuerbaren Wechselwirkung für sich erkannt haben.

Gib uns doch bitte eine Empfehlung für…

einen Blog / eine Newsseite / ein Fachmagazin, mit dem/der Du Dich zu Fachthemen gerne informierst

http://www.koenigswieser.net). Sie verbinden erstklassische Managementberatung mit einem wissenschaftlich hohen Standard.

einen Artikel, der Dich in der letzten Zeit am meisten begeistert hat 

http://www.brandeins.de/archiv/2005/kommunikation/der-pudding-die-wand-und-der-nagel/).

ein spannendes Buch, das Dich inspiriert hat

Eine kleine Auswahl: Weinberger  (2011), der in „Too Big to Know“ die Wissenskrise endlich einmal vom wichtigen Begriff des Wissens selbst angeht. Er versteht: Die Bedeutung der Algorithmen wird niemals die Bedeutung menschlicher Sprache übersteigen. Schneier (2012), der in „Die Kunst des Vertrauens“ saubere Grundlagenüberlegungen anstellt und jegliche unterkomplexe Verständniseinengungen zum Theme Vertrauen aus dem Raum schmeißt. Und Northoff (2014), der sich fragt: „Wie kommt Kultur in den Kopf?“ Ein wunderbares Buch, um sich mit der Entstehung alltäglicher Bedeutung zu beschäftigen. Ohne dass man es merkt.

eine Veranstaltung(-sreihe), auf der Du wirklich etwas dazugelernt hast 

http://www.wirtschaftskommunikation.net). Hier haben Wissenschaftler und Praktiker wirklich zueinander gefunden und sich wohltuend konspirativ ausgetauscht.

das hilfreichste Tool / die hilfreichste Software für Deine Arbeit (außer dem Kopf 😉

Das „Tool“ ist und bleibt die Verknüpfung von altem mit neuem Wissen. Die Umsetzung in technische Systeme steht auf einem anderen Blatt und ist immer nur der zweite Schritt.
Die stimmungs- und einstellungsrelevanten semantischen Pattern im Netz werden nicht durch Algorithmen bestimmt oder gar beherrscht werden können. Viele Tools, die im Dialogmarketing- oder Content-Bereich auf dem Markt sind, analysieren den oberflächlichen Output eines Restes von Sprache. Insofern ist mein hilfreichstes „Tool“ das verstehende Verknüpfen neuer Datenanalysesysteme mit den alten Grundlagen menschlicher Sprachprinzipien und –mechanismen. Menschliche Sprache und die hier entstehende Bedeutung  lässt sich weder be- noch hochrechnen.

Mit welchem Experten würdest Du am liebsten einmal 1 Tag zusammenarbeiten, und warum?

Mr. Henry Marsh. Er arbeitet im wahrsten Sinne des Wortes an der Schnittstelle zum Undenkbaren. Seine Erfahrungen und Worte machen demütig.