interview

Tim Schumacher – TS Ventures

Tim Schumacher TS VenturesWer ist Tim Schumacher? Bitte stell Dich doch mal kurz vor.

Ecosia.

Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verrate uns doch auch einen kleinen Spleen von Dir.

Ich mag ordentliche Tische, das heißt, dass mein Schreibtisch immer extrem aufgeräumt ist.

Elevator Pitch! Was macht Eure Firma? Und vor allem: was macht ihr am besten, wo liegt Eure Superpower?

Adblock Plus und dem Adblock Browser für Android und iOS steht. Adblock Plus ist entstanden aus einem Open-Source Projekt mit dem Ziel störende Online-Werbung im Internet zu verringern. Das Browser Add-On wurde inzwischen mehr als 400 Millionen Mal heruntergeladen, wöchentlich kommen ca. drei Millionen Neuinstallationen hinzu. Unser Ziel ist es einfach gesagt, das Internet zu einem besseren Ort zu machen.

Der User soll im Mittelpunkt stehen und unserer Erfahrung nach geht das nicht, wenn er ständig auf störende, lästige Werbung trifft, die ihn in seinem Handeln ablenkt und sogar behindert. Wir streben deshalb nach einem Kompromiss zwischen Usern und Online-Werbern, in dem wir Werbetreibende dazu anstoßen ihre Anzeigen zu verbessern und Nutzern erlauben störende Werbung auszublenden.

Ecosia ins Spiel:  Ecosia pflanzt für die Nutzung der Suchmaschine neue Bäume. So vereinen sich Technik und Umwelt in dem gemeinsamen Ziel bis 2020 eine Milliarde neuer Bäume zu pflanzen. Auch die Nutzung von Adblock Plus hilft übrigens die Umwelt zu schützen, da durch das Blocking Ressourcen eingespart werden. So schließt sich der Kreis mit dem Anliegen nicht nur das Internet, sondern auch die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

Apropos Superpower: Verrätst Du uns ein „Best Practice“ Beispiel Deiner Firma, wo ihr besonders erfolgreich wart? Was waren Deiner Meinung nach die Erfolgsfaktoren?

Bei Adblock Plus haben wir schon viele Herausforderungen angenommen, die sich für eine Erfolgsanalyse eignen:

Einige der größten Unternehmen im Medienbereich haben uns öffentlich kritisiert, beleidigt und sogar verklagt, trotzdem haben wir es geschafft auf jeglichen Ebenen sei es Technik, PR oder Rechtlichem mit viel harter Arbeit und einer guten Portion Idealismus weiter zu kämpfen. So wurde in Rekordzeit aus dem 2-Mann Startup ein Unternehmen mit inzwischen über 40 Mitarbeitern.

Wir haben uns von den Mächtigsten der Branche nicht einschüchtern lassen, ganz einfach weil wir an unser Produkt glauben. Auch wenn die Presse zum Teil sehr negativ über uns berichtet hat, müssen wir zugeben, dass wir von der medialen Aufmerksamkeit profitieren. Unser Adblock Browser für Android, der sich gerade in der Beta-Phase befindet wird von den Testern sehr positiv angenommen und Downloadzahlen befinden sich bereits im sechsstelligen Bereich.

Wie lebt ihr Digitalisierung in Eurem Unternehmen? In welchem Bereich habt ihr Digitalisierung erfolgreich um- oder eingesetzt?

Uns gibt es nur in der digitalen Welt. Wir nehmen unseren Anspruch, das Internet zu einem besseren Ort zu machen sehr ernst und leben es auch so. Bei Eyeo findet man deshalb sehr wenige Aktenordner, weil Transparenz für das Management als auch für die Mitarbeiter sehr wichtig ist.

Wenn Du Dir die Netzwirtschaft insgesamt, Euren Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was werden die Haupt-Herausforderungen in den nächsten Monaten oder Jahren sein?

Herausforderung für die Gesellschaft, bzw. den Staat:

Die Gesellschaft erkennt, dass das Internet keine fixen Vorschriften hat. Die ständig wachsende Internet-Population weiß inzwischen über ihre Kraft und will mitbestimmen und nicht bloß bestimmt werden. Das ist natürlich ihr gutes Recht und der Staat sollte sich damit kritisch auseinander setzen, damit das Internet nicht für falsche Zwecke missbraucht wird. Ebenfalls muss der Staat möglicherweise die Gesetze anpassen und sich mit neuen Fragen beschäftigen. Diese Erfahrung mussten wir selbst machen, nachdem wir von Verlagshäusern verklagt worden sind, die Adblock Plus als geschäftsschädigend einstuften. Zusammenfassend läuft es im Endeffekt darauf hinaus, dass die Nutzer entscheiden, in welche Richtung sich das Internet weiterentwickelt, demnach hat jeder von uns ein Mitspracherecht, was wir auch nutzen sollten.

Herausforderung für die Netzwirtschaft in Deutschland / Europa:

Die Netzwirtschaft in Deutschland steckt noch in den Kinderschuhen, das bedeutet konkret, dass wir weiter daran arbeiten müssen Deutschland auch für internationale Anleger interessanter zu machen.

Wir haben viele gut ausgebildete Kräfte aus dem IT-Umfeld und auch anderen Geschäftsbereichen, die für eine spannende Zeit sprechen, bloß sollten wir unsere Ideen und unseren Unternehmergeist nicht vergessen und auch mal über den Tellerrand des Möglichen schauen. Die deutschen Start-Ups haben ein großes Potenzial und ich denke, dass sie von erfahrenen Unternehmern profitieren und vice versa. Wir können alle gemeinsam viel lernen und daran arbeiten die deutsche Start-Up Szene so vielseitig wie möglich zu gestalten, denn die Digitalisierung ist in vollem Gange und neue Ideen und deren Förderung sind wichtiger denn je. Guckt man zum Beispiel in Richtung USA oder Asien fällt schnell auf, dass die Investiionsbereitschaft dort viel höher ist. Man geht dort mehr Risiko ein, kann deshalb auch mehr gewinnen oder eben verlieren. Im Prinzip ist auch das der Grund weshalb es deutsche Start-ups recht schwer haben und leider auch häufig scheitern.

Ein weiteres wichtiges Thema ist der Datenschutz, weil es uns alle betrifft. Keiner möchte gläsern sein, jedoch haben die Enthüllungen von Edward Snowden gezeigt, dass wir auf dem besten Weg dorthin sind, wenn wir nicht anfangen Dinge in unsere Hände zu nehmen. Ich glaube das sich dort in der Zukunft noch einiges tun wird, z.B. haben wir bei Adblock Plus bereits neue Privacy Einstellungen entwickelt und werden Nutzern  auch mit den neuen  Browsern für Android und iOS eine gute Alternative abseits der Monopolisten bieten können.

Herausforderung für unseren Markt:

Unser Markt und die Technologie entwickeln sich ständig weiter. Deshalb müssen wir anfangen die Frage zu beantworten, wie Adblocking im Zeitalter mit verstärkter Smartphone und Tablet Nutzung funktioniert. Hier stehen wir noch ganz am Anfang, sehen aber, dass diese Herausforderung auch von anderen Big Playern angenommen wird und haben natürlich das Ziel vor Augen, auch im mobilen Bereich Marktführer zu werden. Wir bauen an dieser Stelle auf unsere großartige Open-Source Community, die hinter unserer Leitidee steht, aber auch auf jeden einzelnen User, der seine Freiheit im Internet wünscht.

Weiterhin gibt es neue Start-ups, wie z.B. Pagefair, Secret Media und Sourcepoint die unsere Idee den Nutzern die Kontrolle über die Inhalte beim Surfen geben wieder nehmen wollen. Diese Tools sind im Grunde genommen Anti-User Programme, weil ihr Ziel ist, das Blockieren, zu dem sich der User freiwillig entschieden hat, wieder Rückgängig zu machen. Da wird dem Katz-und-Maus Spiel kein Ende gesetzt und ein produktiver Ansatz für ein nutzer-orientiertes Internet fehlt.

Herausforderung für unsere Firma:

Mitbeantwortet in oberer Frage

Was hat Dich bisher am meisten am Internet geärgert, was am meisten gefreut?

Ich würde lügen, wenn ich hier nicht Online-Werbung als einen der nervigsten Faktoren im Internet nennen würde, auf der anderen Seite bin ich natürlich auch unglaublich froh, dass es sie gibt. Die Online-Anzeigen und ich führen also eine Love-Hate-Beziehung, von der sicherlich beide Seiten profitieren.

Ansonsten freue ich mich einfach darüber, dass es das Internet gibt, denn wer weiß wie mein Leben ohne die virtuelle Welt heute aussehen würde.

Welches „Problem“ (privat oder im Unternehmen) würdest DU gerne von einem Start-up gelöst bekommen?

Die Abholzung der Wälder

Gib uns doch bitte eine Empfehlung für…

einen Blog / eine Newsseite / ein Fachmagazin (auch Print), mit dem/der Du Dich zu Fachthemen gerne informierst

Basic Thinking, einer der ersten deutschen Medienökonomie-Blogs, den der junge Chefredakteur Tobias Gillen betreibt, nachdem ich für ihn die Domain erworben habe.

einen Artikel, der Dich in der letzten Zeit am meisten begeistert hat (mit URL)

https://theoverspill.wordpress.com/2015/07/30/the-adblocking-revolution-is-months-away-with-ios-9-with-trouble-for-advertisers-publishers-and-google/

Dieser Artikel gefällt mir besonders gut, weil der Autor sehr differenziert die Pro’s und Con’s der Zukunft des mobilen Adblockings auflistet. Der Verfasser, Charles Arthur, ist ehemaliger Tech-Journalist des Guardian und ist jetzt als Freelancer tätig. Das erlaubt ihm seine Meinung noch ehrlicher zu äußern, als es bei vielen anderen Medien oftmals der Fall ist.

Arthur beleuchtet im Detail den Kampf der Giganten Apple und Google und zeigt ein mögliches Zukunfts-Szenario, wenn Apple im Herbst iOS 9 mit integrierten Werbeblocker herausbringt. Seiner Meinung nach könnte Android bei Einführung von Apples neuer Systemsoftware viele Nutzer verlieren, oder aber Google erlaubt über kurz oder lang selbst Adblocker im Playstore. Sollte er Recht haben, wäre das natürlich gut für unseren Adblock Browser, der zunächst für Android erscheint.

ein spannendes Buch, das Dich für Dein Business inspiriert hat

Sehr inspiriert hat mich 1984 von Orwell. Es ist natürlich ein viel diskutierter Klassiker, jedoch lohnt es sich das Buch und nicht nur den Wikipedia-Eintrag zu lesen. Ich kann den Roman jedem empfehlen, der dachte, dass der Begriff “Big Brother” von der Unterhaltungsbranche erfunden wurde. Die Thematik ist trotz seines Erscheinens im Jahr 1949 extrem aktuell und inspiriert mich dazu den Datenschutz noch mehr in den Vordergrund zu rücken. Gerade deshalb liegt mir das Produkt Adblock Plus besonders am Herzen, denn hier entscheidet der User selbst was er sehen will und durch den neuen Adblock Browser hat er sogar die Möglichkeit sich von den allsehenden Monopolisten zu lösen.

eine Veranstaltung(-sreihe), auf der Du wirklich etwas dazugelernt hast (und was, bzw. von wem)

re:publica gegeben. Es war nicht nur toll vor jungen, interessierten Menschen zu sprechen, sondern auch sehr inspirierend, da wir direktes User-Feedback bekommen haben und dementsprechend auch unsere Kommunikationsstrategie anpassen mussten. Ich finde es sehr wichtig den Kontakt zu suchen, denn Zahlen, für sich alleine betrachtet, reichen für ein konstruktives Feedback nicht aus.

das hilfreichste Tool / die hilfreichste Software für Deine Arbeit

Mattermark kennengelernt. Das Datenanalyse-Tool gibt einen guten Überblick über die Aussichten der schnellst wachsenden Unternehmen und hilft mir den Markt im Auge zu behalten und beantwortet Fragen über Unternehmen, die in meiner Position als Investor ausschlaggebend sind. Vor kurzem habe ich mit Hilfe des Tools die Berliner, Kölner und die Münchener Start-up Szene auf die perspektivreichsten Unternehmen untersucht und mich sehr darüber gefreut, dass wir mit Eyeo auf dem zweiten Platz in Köln stehen.

Mit welchem Experten würdest Du am liebsten einmal 1 Tag zusammenarbeiten, und warum?

Bill Gates würde ich gerne einmal kennenlernen. Andere mögen ein besseres Produktgespür haben, aber Bill Gates hat ein atemberaubendes Gespür für das, was wirklich wichtig ist: früher war das für ihn Microsoft, jetzt sein lobenswertes humanitäres Engagement.