interview

Interview mit Rouven Dresselhaus – Cavalry Ventures

Rouven Dresselhaus Cavalry VenturesWer ist Rouven Dresselhaus? Bitte stell Dich doch mal kurz vor.

Cavalry Ventures. Davor habe ich jahrelang im Venture Capital gearbeitet und war sehr aktiv als Business Angel tätig.

In meiner Freizeit wandere ich gerne und reise so viel wie möglich. Es muss nicht immer eine neue Stadt oder ein neues Land sein; bekannte Reiseziele, quasi Refugien fernab der Heimat, bekommen mir in meinem schnelllebigen Job hin und wieder sehr gut.

Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verrate uns doch auch einen kleinen Spleen von Dir.

Mich faszinieren Spiele aller Art, insbesondere Backgammon. Bei Backgammon ist es oftmals essentiell, eine klare Strategie zu verfolgen. Je nach Spielverlauf kommen dann Taktik und Glück als beeinflussende Faktoren hinzu. Eine gute Routine sowie Mustererkennung und das Beherrschen von Wahrscheinlichkeitsrechnungen sind vorteilhaft. Auch kann sich ein Spiel schnell wenden, zum Positiven wie zum Negativen. Im Prinzip ist es ein wenig wie Venture Capital im Schnelldurchlauf. Darüber hinaus suche ich ständig den Wettbewerb und setze mir neue Herausforderungen; manchmal auch so kleine wie das Erlernen eines neuen Kochrezeptes.

Elevator Pitch! Was sind für Euch spannende Themen? Wo liegt Euer Investmentfokus und was ist Eure Superpower?

Wir beobachten den Markt kontinuierlich und suchen auf der einen Seite innovative Unternehmen in bereits etablierten Branchen. Auf der anderen Seite wagen wir es ebenso gerne, Investments in solche Startups zu tätigen, die in noch kleinen Hyperwachstumsmärkten eine Vorreiterrolle spielen.

Unser Investmentfokus liegt auf Pre-Seed- und Seed-Stage-Firmen die von den besten Gründerteams geführt werden, die der Markt hergibt. Wir investieren überwiegend in Berlin und DACH, aber auch weltweit. Thematisch sind wir offen für alles Digitale und haben hierbei einen Fokus auf Consumer Internet und Enterprise, was nicht zuletzt an unseren Partnern Dominik Matyka, Marcel Hollerbach, Markus Fuhrmann, Claude Ritter und Stefan Walter liegt.

Unsere Superpower ist im Prinzip das Ergebnis jahrelanger harter Arbeit aller Mitglieder unseres Teams und unserer Supporter (hier haben wir einige Branchengrößen als Investoren und Supporter gewinnen können): Man benötigt 10.000 Stunden fokussierter Arbeit, um eine Materie vollends zu durchdringen. Bei uns kommen über 500.000 Stunden zusammen. Vereinfacht kann man auch sagen: Wir lieben, was wir tun. Immer und überall. Unsere Portfolio-Companies profitieren davon direkt.

Was war Euer letztes Investment und was hat Euch daran überzeugt?

Cross Engage. Daran überzeugt hat uns: Team, Set-Up, Timing, Markt.

Verrätst Du uns ein „Best Practice“ Beispiel von einer Eurer Portfoliofirmen, wo diese besonders erfolgreich waren? Was waren Deiner Meinung nach die Erfolgsfaktoren?

Tradeshift, das am rasantesten wachsende Netzwerk für Unternehmen, ist besonders schnell im On-Boarding neuer Unternehmen. Es gibt viele Erfolgsfaktoren bei Tradeshift. Die wichtigsten sind meiner Meinung nach folgende: Gründer mit jahrelanger spezifischer Branchenerfahrung haben eine für Unternehmen relevante Lösung entwickelt, die sich einfach installieren und bedienen lässt, per eigenem App-Store die Entwicklung relevanter Apps durch Dritte fördert und für die große Unternehmen als Multiplikator fungieren. Kühne & Nagel zum Beispiel, einer der ersten großen Tradeshift-Kunden, hat fast alle seine Lieferanten überzeugt, selbst Tradeshift zu nutzen. Mittlerweile nutzen primär durch diesen, wie wir es nennen, pyramidalen Verkaufsansatz, mehr als 1.000.000 Unternehmen Tradeshift.

Wenn Du Dir die Netzwirtschaft insgesamt, Euren Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was werden die Haupt-Herausforderungen in den nächsten Monaten oder Jahren sein?

Herausforderung für den Staat:

Der deutsche Staat muss mehr für Startups tun. Andere europäische Länder, wie z.B. Großbritannien, bieten Gründern und Investoren viel mehr. Dies fängt bei Themen wie Netzneutralität und Gründerzuschuss an und hört irgendwo bei langjährigen und zähen Diskussionen zu einem Investmentsteuerreformgesetz auf. Alleine die Tatsache, dass so lange über letzteres diskutiert wurde und dies seitens der Politik mit teils mehr als fragwürdigen Argumenten, ist schädlich für die Ansiedlung von Venture Capital in unserem Land. Deutsche Startups benötigen jetzt schon mehr Finanzierungen, als deutsche VCs stemmen können – und wir stehen noch ganz am Anfang der digitalen Revolution. Darüber hinaus repräsentieren Firmen, die durch Venture Capital finanziert sind, nur einen Bruchteil des deutschen BIP. Diesen zarten Keim schon im Ansatz ersticken zu wollen wäre gänzlich falsch. Mittelfristig müssen wieder mehr Innovationen aus Deutschland kommen, damit wir langfristig im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig bleiben. Hier hat der Staat noch viel zu lernen.

Herausforderung für die Netzwirtschaft in Deutschland:

Auf der einen Seite geht es hier um Startups und Investoren: Für US-amerikanische Akteure der Netzwirtschaft sind die Bewertungen, die deutsche Startups aufrufen, oft relativ niedrig. Dies ist einer der Gründe, weshalb mehr VCs aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten hierzulande nach Investmentmöglichkeiten suchen. Auf der anderen Seite gibt es wenige deutsche Fonds, die im Stande sind, sehr große Tickets zu zeichnen. Deshalb müssen deutsche Gründer insbesondere im Later-Stage Bereich oft ausländisches Kapital suchen. Dort sehen sich deutsche VCs dann einem immer stärkeren internationalen Wettbewerb ausgesetzt, wenn es darum geht, in die vermeintlich besten Firmen zu investieren. Ergo: Wir benötigen mehr große deutsche VC-Fonds. Auf der anderen Seite haben viele deutsche Großunternehmen von ihren amerikanischen Wettbewerbern noch einiges zu lernen, wenn es darum geht, Startups zu akquirieren. Natürlich freut es mich als VC, wenn ein US-amerikanisches Unternehmen ein deutsches Startup für viel Geld kauft. Es macht mich aber auch ein wenig traurig, zu sehen, dass dadurch tolle Firmen ins Ausland wandern und damit auch deren Gründer, die dann vielleicht nicht in Deutschland, sondern in den USA als Business Angel tätig werden und dortige Startups unterstützen.

Chancen für unseren Markt:

Deutschland hat bereits viele grandiose Startups hervorgebracht und wird dies auch in Zukunft tun. Wir stehen erst am Anfang der digitalen Revolution: Einfach immer am Ball bleiben, Augen offen halten und weitermachen.

Herausforderung für unsere Firma:

Unsere Herausforderung wird es weiterhin sein, die Startups, die die Märkte von morgen dominieren, zu identifizieren und in diese zu investieren.

Was hat Dich bisher am meisten am Internet geärgert, was am meisten gefreut?

Am meisten freut mich die Tatsache, dass jeder, der über einen Computer und einen Internetzugang verfügt – und sei es nur im Internetcafé – in unserer heutigen Welt etwas bewegen kann und zwar völlig losgelöst davon, in welchem Land diese Person lebt. Viele tolle Open-Source und Open-Collaboration Produkte und Projekte sind nur ein Resultat dieser Möglichkeit.

Es ärgert mich, dass durch das (mobile) Internet auch die Geschwindigkeit, mit der wir Menschen miteinander kommunizieren, rapide zugenommen hat. Vielen Menschen fällt das „Abschalten“ sehr schwer. Diese Entwicklung betrachte ich langfristig mit Sorge. Wenn man im ständigen Wettbewerb gewinnen möchte, dann muss man selbst und seine Mitarbeiter eben immer „on“ sein.

Welches noch nicht gelöste „Problem“ (privat oder für´s Business) würdest Du gerne von einem Startup gelöst bekommen?

Mehr Start-Ups, die die Verschwendung von Ressourcen (Energie, Rohstoffe, Lebensmittel, Wasser, etc.) sowie die zunehmende Verschmutzung unseres Planeten durch den Einsatz von Technologie eindämmen, stoppen oder gar umkehren können wären eine gute Sache.

Gib uns doch bitte eine Empfehlung für…

einen Blog / eine Newsseite / ein Fachmagazin, mit dem/der Du Dich zu Fachthemen gerne informierst

TechCrunch, weil immer über irgendetwas Relevantes berichtet wird.

einen Artikel, der Dich in der letzten Zeit am meisten begeistert hat

One Hundred Million Buys Much More in Berlin Than Silicon Valley von Aaron Ricadela, weil er belegt, dass es sinnvoll ist, in Berliner Start-Ups zu investieren.

Die Lebensgeschichte meines Freundes Morten Lund, weil er viele Unternehmen aufgebaut und erfolgreich verkauft hat, danach einige tolle Investments tätigte, einmal zu viel riskierte, dann alles verlor und sich seit einiger Zeit wieder etabliert hat. Leider nicht als Buch erhältlich.

eine Veranstaltung(-sreihe), auf der Du wirklich etwas dazugelernt hast

Ich lerne jedes Mal dazu während meiner Mentoring Sessions bei verschiedenen Acceleratoren, wo Gründer und Mentoren in kurzer Zeit möglichst ergebnisorientiert miteinander diskutieren.

das hilfreichste Tool / die hilfreichste Software für Deine Arbeit

Pipedrive, weil es einem VC rund um seinen Dealflow sehr weiterhilft. Slack benutzen wir auch viel.

Mit welchem Experten würdest Du am liebsten einmal 1 Tag zusammenarbeiten, und warum?

Mit Stephen Hawking, da er einen tiefen Einblick in und eine starke Meinung zu künstlicher Intelligenz hat; einem Thema, dem ich mich derzeit intellektuell widme und das Startups immer häufiger in der ein oder anderen Form angehen werden.