interview

Interview mit Bernd Kreissig – MediaSupervision Software Consulting

Bernd Kreissig MediaSupervision Software ConsultingWer ist Bernd Kreissig? Bitte stell Dich doch mal kurz vor.

Ich bin Macher und Umsetzer aus Leidenschaft. Vor über 20 Jahren habe ich in Verlagen mit der digitalen Transformation begonnen, indem ich als Entwickler Satzdaten in Multimedia-Inhalte konvertiert habe. Ich habe elektronische Produkte und Dienstleistungen konzipiert und umgesetzt, und die zugehörige digitale Infrastruktur definiert und aufgebaut. Über die Jahre ist Management-, Prozess- und Führungserfahrung bis hin zum Top-Management hinzugekommen, aber meinen technischen Wurzeln bin ich immer treu geblieben.

Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verrate uns doch auch einen kleinen Spleen von Dir.

In meinen Urlaubszeiten bereise ich wieder und wieder das Südpolarmeer, die Subantarktis und Antarktis. Eine menschenarme, eisige Einöde, wo es kein Angebot an Kultur oder Events gibt, und übrigens nach wie vor kein ungefährliches Reisegebiet. Ich bin süchtig nach diesem entlegensten unserer Kontinente.

Elevator Pitch! Was macht Eure Firma? Und vor allem: was macht ihr am besten, wo liegt Eure Superpower?

www.mediasupervision.dehelfen Verlagen und Medienunternehmen, sich, ihre Produkte und Dienstleistungen sowie ihre Prozesse digital neu zu erfinden. Und zwar so, dass das in nützlicher Frist und mit begrenztem Budget umgesetzt werden kann. Wir wissen, an welchen Stellen kosteneffiziente Open-Source-Lösungen vorteilhaft sind, und an welchen eher ein proprietär-kommerzielles System angeraten ist. Und wir können anschließend sowohl das Projektmanagement der Umsetzung als auch den nachfolgenden Betrieb leisten.

Kurz gesagt: Wer sich als Medienunternehmen ganz oder in Teilen digital verbessern oder neu aufstellen will und dabei jenseits der großen Dienstleister eine kosteneffiziente, schnelle und tatsächlich funktionierende Unterstützung sucht, der sollte sich an uns wenden.

Wie lebt ihr Digitalisierung in Eurem Unternehmen? In welchem Bereich habt ihr Digitalisierung erfolgreich um- oder eingesetzt?

Es geht ja nicht nur darum dass, sondern v.a. wie digitalisiert wird. Auch ein Dokumentenmanagementsystem mit eingescannten, nicht volltexterfassten Inhalten und wenigen Metadatenfeldern ist eine Digitalisierung, bringt aber trotzdem nur begrenzte Vorteile gegenüber der Vorhaltung von Papierakten.

Demgegenüber haben wir sowohl unsere eigene interne Dokumentation (von Technik über Kunden bis hin zu Geschäftsprozessen), als auch diejenige von wichtigen Kundenprojekten auf ein System von semantischen Wikis umgestellt. Das funktioniert fantastisch. Die semantischen Annotationen und Formulare führen dazu, dass die Inhalte so weit wie nötig in Feldern strukturiert sind und v.a. redundanzfrei vorgehalten werden. Trotzdem aber können sie wie bei einer „normalen“ Datenbank in unterschiedlichen Views, Auszügen und Listen angezeigt werden, oder auch automatisch aus externen Quellen aktualisiert werden. Umgekehrt erlaubt das unkomplizierte Editieren von Wikiseiten, neue Inhalte frei oder auch strukturiert einzupflegen, ohne dass vorher eine DB-Schema-Anpassung erfolgt sein muss. Und schließlich findet die Kommunikation zu den Inhalten gleich dort statt, wo sie auch später noch hilfreich sein kann, anstatt in E-Mail-Archiven zu vermodern.

Wenn Du Dir die Netzwirtschaft insgesamt, Euren Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was werden die Haupt-Herausforderungen in den nächsten Monaten oder Jahren sein?

Herausforderung für die Gesellschaft, bzw. den Staat:

Fangen wir doch mal mit den Schulen an. Der digitale Wandel hat auch dort begonnen, ist aber noch zu langsam. Nötig wären wesentlich beherztere Reformen. Das betrifft nicht nur digitale Trägermedien, sondern auch eine Modernisierung von Unterrichtsformen und Inhalten. Mir scheint z.B. die Gewichtung von Fächern wie Chemie und Physik gegenüber zumindest Grundlagen der Informatik, Medienwissenschaft und Betriebswirtschaftslehre nicht ausreichend den heutigen Verhältnissen angepasst.

Herausforderung für die Netzwirtschaft in Deutschland / Europa:

Vereinfacht und überspitzt: Wir übernehmen zuweilen zu unkritisch Paradigmen der anglo-amerikanischen Netzwirtschaft. Eine Herausforderung besteht darin, auch bewährte europäische und „ur-deutsche“ Tugenden und Werte wirksam werden zu lassen. Optimale statt maximale Geschwindigkeit von Veränderung wäre ein Beispiel dafür, oder statt einseitiger Wachstumsorientierung auch die Wertschätzung der Stabilisierung z.B. bestehender Erfolge.

Herausforderung für unseren Markt:

Unsere Branche muss insgesamt noch besser darin werden, ihre Leistung auf wirklichen Kundennutzen und auf die messbare Realisierung von Erfolgspotenzialen ihrer Klientel auszurichten, und weniger auf buzzwordgestütze Auslieferung von Standardlösungen. Der schnelle Wechsel von Technologien macht das natürlich vermehrt erklärungsbedürftig und damit schwieriger.

Herausforderung für unsere Firma:

Wie auch vielen anderen kleineren Unternehmen gelingt es uns nicht immer ausreichend, an den richtigen Stellen mit unseren Kompetenzen und Stärken wahrgenommen zu werden. Also dort auf dem Radar zu sein, wo wir wirklich einen tollen Beitrag leisten können, nämlich Erarbeitung, Einführung und Betrieb von digitalen Verlagsprozessen und -angeboten. Das zu optimieren wird immer eine unserer wichtigsten Aufgaben bleiben.

Was hat Dich bisher am meisten „am Internet“ geärgert, was am meisten gefreut?

Mit dem Internet kam die Hoffnung, dass die schnell zunehmende Verfügbarkeit von Information, Wissen und Austausch die Welt zu einem sichereren, friedlicheren und weniger mit Leid behafteten Planeten machen würden. Wir Menschen schaffen es aber leider immer wieder, neu entstandene Möglichkeiten auch negativ zu nutzen, und z.B. mit Hilfe u.a. des Internets auch schreckliche Bilder und Gedanken zu verbreiten, oder gar terroristische Aktionen zu planen und durchzuführen. Da aus meiner Sicht keine Option ist, die Freiheit des Internet z.B. durch grundsätzliche Zensur zu beschränken, wird das wohl auch künftig geschehen, und darüber bin ich sehr traurig.

Den größten Vorteil zu nennen, der aus den Möglichkeiten der schnellen und umfassenden Information, des Wissensgewinns und des Austauschs im Internet entsteht, schaffe ich nicht. Ganz persönlich freut mich z.B. das große Angebot auf Musik zuzugreifen, sowohl was Aufnahmen als auch was Noten betrifft.

Gib uns doch bitte eine Empfehlung für…

einen Blog / eine Newsseite / ein Fachmagazin, mit dem/der Du Dich zu Fachthemen gerne informierst

Ich bin u.a. c’t-Leser. Dem Magazin gelingt seit vielen Jahren, das magische Dreieck „Breite der Abdeckung, Tiefe der Inhalte und Verständlichkeit der Darstellung“ zu meistern.

einen Artikel, der Dich in der letzten Zeit am meisten begeistert hat 

https://www.xing.com/news/klartext/es-gibt-keinen-arbeitsmarkt-fur-altere-wie-mich-249 – wie wir mit Personen jenseits der 40 auf dem Arbeitsmarkt umgehen (und dann auch noch laut über Fachkräftemangel jammern) geht mir gewaltig auf den Senkel.

ein spannendes Buch, das Dich inspiriert hat

Ganz direkt inspiriert hat mich Clayton Christensons „The Innovator’s Dilemma“. Aber ich muss hier auch noch das wichtigste Buch nennen, das ich in den letzten Jahren gelesen habe, Jaron Laniers „Wem gehört die Zukunft?“

eine Veranstaltung(-sreihe), auf der Du wirklich etwas dazugelernt hast

Der schweizerische Unternehmensberater Fredmund Malik hat mir vor 15 Jahren in einer insgesamt 10 Tage dauernden Seminarreihe die Grundzüge seiner Managementlehre vermittelt. Das war exzellent, ich profitiere bis zum heutigen Tag davon.

das hilfreichste Tool / die hilfreichste Software für Deine Arbeit 

http://semantic-mediawiki.org/ . Ich bin überzeugt, dass in spätestens 10 Jahren das RDBMS und seine Sicht auf strukturierte Daten primär als verknüpfte Tabellen seine führende Rolle verloren haben wird. Der Graphdatenbank gehört die Zukunft.

Mit welchem Experten würdest Du am liebsten einmal 1 Tag zusammenarbeiten, und warum?

Ich kann mich nicht entscheiden zwischen Kathrin Passig und Erik Möller. Beide haben sehr früh und sehr klar erkannt, welch vielfältige Chancen sich aus dem digitalen Umbruch ergeben. Kathrin Passig hat das als Autorin und in verschiedenen Projekten und Konstellationen umgesetzt und ist dabei immer eher unabhängig geblieben. Erik Möller hat über viele Jahre hinweg in Schlüsselpositionen bei einem der wichtigsten Player der digitalen Transformation gearbeitet, nämlich für die Wikimedia Foundation. Ich bin überzeugt, dass insbesondere das von ihm mit aus der Taufe gehobene Projekt „Wikidata“ eine der Wikipedia selbst vergleichbare Bedeutung und Anerkennung erlangen wird.

Im Unterschied zu vielen anderen haben beide ihren Beitrag nicht in möglichst hohen Profit oder Geltung umzusetzen versucht, sondern sind im Gegenteil kritische Begleiter des von ihnen mit getriebenen Prozesses geblieben. Das bewundere ich, und davon kann man lernen.