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Interview mit Jörg Christoffel – Kommunikation (JC-K)

Jörg Christoffel Kommunikation (JC-K)Wer ist Jörg Christoffel? Bitte stell Dich doch mal kurz vor.

Jörg Christoffel – Kommunikation (JC-K) in Rottenburg am Neckar, ist ein hoch spezialisierter Ein-Mann-Betrieb, der sich ausschließlich der B2B-Kommunikation zu technischen Fachthemen widmet.

Als seit 20 Jahren freiberuflich selbständiger technischer Texter und Ghostwriter (früher auch Korrespondent für ausländische Fachmedien) verfasse ich praktische alle Formen gedruckter, Online gestellter und gesprochener Texte. Dazu zählen Reden, Fachbeiträge, Sachbuchkapitel und Sachbücher, Sprechertexte für Videos, Pressemitteilungen, Laudationes, Beiträge für die Proceedings von Fachtagungen etc. Im Unterschied zu sehr vielen Mitbewerbern verfasse ich diese Texte wahlweise zuerst in Englisch oder Deutsch, so dass die Erstabstimmung in der jeweils präferierten Zielsprache erfolgen kann.

Wesentliche thematische Schwerpunkte sind Automobiltechnik und Elektrotechnik.

Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verrate uns doch auch einen kleinen Spleen von Dir.

So sehr ich meine Arbeit liebe, so sehr brauche ich einen Ausgleich zu ihrer Kopflastigkeit. Bei mir sind das der Kampfsport (für den Körper) und die Anfertigung von Schmuckanhängern (für die Kreativität).

Elevator Pitch! Was macht Eure Firma? Und vor allem: was macht ihr am besten, wo liegt Eure Superpower?

JC-K verfolgt einen sehr pragmatischen Ansatz: Technische Fachleute, technische Führungskräfte und Management sind zwar häufig aufgefordert, (Fach-)Beiträge für Zeitschriften, Tagungen und Bücher zu verfassen sowie Ansprachen zu anspruchsvollen Themen zu halten. Vielen von ihnen liegt jedoch das „Machen“ mehr, als das „Reden“. Im Auftrag der jeweiligen Kommunikationsabteilungen fungiere ich hier als verlängerte Werkbank und formuliere als Ghostwriter – zeit- und kosteneffizient – solche Texte. Apropos Ghostwriter: Ich übernehme Sachthemen, keine wissenschaftlichen Arbeiten…

Die entscheidende Fähigkeit für solche Texte besteht darin, das Gehörte erstens schnell zu verstehen (z.B., wenn ein Ingenieur begeistert über „die definitionsgemäß verschobene Rauheitsamplitude spiralgleitgehonter Zylinderlaufflächen“ berichtet) und zweitens auch das zu hören, was daran für das Unternehmen und seine Zielgruppen relevant ist.

Anschließend müssen diese Inhalte in eine für Fachleute seriöse Form gegossen werden und gleichzeitig so allgemeinverständlich gehalten sein, dass fachfremde Entscheider den Sinn des Ganzen noch verstehen, ohne dass ihre „Frustrationstoleranz“ beim Lesen überfordert ist. Der angelsächsische Kulturraum ist uns in diesem Punkt noch um einiges voraus, aber die deutschen Fachmedien holen auf. „Seriös und trotzdem lesbar“ ist machbar.

Wie lebt ihr Digitalisierung in Eurem Unternehmen? In welchem Bereich habt ihr Digitalisierung erfolgreich um- oder eingesetzt?

Als einzelner Texter mit einem Standort „hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen“ kann man für Weltunternehmen nur tätig sein, weil die Digitalisierung und Vernetzung Grenzen aufheben. Für einen Dienstleister wie JC-K spielt es heute fast keine Rolle mehr, wo der eigene Betrieb angesiedelt  ist, solange die Kundenstandorte zumindest gelegentlich noch für persönliche Besuche erreichbar sind. Im Umkehrschluss bedeutet das auch, dass mindestens Zweisprachigkeit heute viel wichtiger ist, weil der Kunde in USA plötzlich um die Ecke sitzt.

Ohne Internet und Voice-over-IP wäre die Arbeit von JC-K gar nicht möglich. Schon deshalb nicht, weil überraschende Herausforderungen und damit verbundene kurze Deadlines eine virtuelle Nähe zum Kunden erfordern.

Meistens ziehen es meine Kunden vor, Telefonkonferenzen abzuhalten und ggfs. über Desktop-Sharing Dokumente zu teilen. Vielen ist das lieber, als Meeting-Räume reservieren und womöglich noch für eine Bewirtung sorgen zu sollen. Hinzu kommt, dass die Experten eines Unternehmens heute oft über den ganzen Globus verteilt sind („verteilte Entwicklung“).

Allerdings darf man nicht vergessen, dass diese Virtualisierung nur auf der Basis eines Vertrauensverhältnisses zwischen Auftraggeber und Dienstleister funktioniert. Eine solche Vertrauensbasis jedoch entsteht nicht digital, sondern durch persönliches Kennenlernen und „Beschnuppern“. Die Digitalisierung greift erst dann, wenn die persönliche Grundlage gelegt ist. Und: Ab und zu muss man sie auffrischen. Nur digital geht gar nicht, genauso wenig wie „ohne digital“ heute noch geht.

Mit Mitte Fünfzig kommt es mir bisweilen skurril vor, dass ich tatsächlich mal Disketten auf der Turnschuhstrecke zu Kunden, Grafikern und Druckereien verschickt habe. Oder, dass in den Kindertagen von E-Mail eine Mailgröße von 1 MB regelmäßig zum Abbruch der Verbindung geführt hat…

Wenn Du Dir die Netzwirtschaft insgesamt, Euren Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was werden die Haupt-Herausforderungen in den nächsten Monaten oder Jahren sein?

Herausforderung für die Gesellschaft, bzw. den Staat:

Das Netz ist Chance und Risiko zugleich. Ein Beispiel: Der „Brockhaus“ galt als justiziable Informationsquelle! Ja, so etwas gab es mal. Das stelle man sich in Zeiten schnelllebiger Online-Nachrichten einmal vor! Heute werden sogar Aprilscherze online gestellt, weil der zuständige „Redakteur“ von seinem Fachgebiet (wenn er denn eins hat) so wenig versteht, dass er den Scherz für eine echte Innovationsmeldung hält. Kein Witz, hab ich selbst erlebt. Das erklärt auch, warum rechte Propaganda das Netz so gerne nutzt. Hier findet jeder das, woran er glauben möchte, so erstunken und erlogen es auch sein mag.

Manchmal denke ich: Die digitale Kommunikation und die damit mögliche schnelle Nachrichten- und Meinungsverbreitung ist auf verheerende Weise missverständlich. Wir sind es gewohnt, Gedrucktes zu glauben (etwa der Tageszeitung oder Büchern). Auf dem Bildschirm von Smartphone und PC steht aber auch „Gedrucktes“ – nur hinter diesem Gedruckten steht vielfach nicht mehr die Qualitätsmaschinerie klassischer Medien, die wie ein Filter wirkt, den es zu passieren gilt, bevor sich eine Druckmaschine überhaupt in Bewegung setzt.

Herausforderung für die Netzwirtschaft in Deutschland / Europa:

Bandbreite, Bandbreite, Bandbreite!

Das schnelle Internet ist viel zu sehr auf den städtischen Raum konzentriert. Dabei bietet die Digitalisierung mit schnellem Internet im ländlichen Raum die Möglichkeit, neue Lebens- und Arbeitsformen abseits überlaufender Metropolregionen zu ermöglichen – und den grotesken Straßenverkehr zu reduzieren.

Herausforderung für unseren Markt:

Immer neue technische Themen verstehen und sich erschließen. Im Kopf jung bleiben. Immer wieder unterscheiden zwischen Hype und technischer Revolution.

Herausforderung für unsere Firma:

Immer daran denken, dass es um Botschaften von Menschen für Menschen geht und dass diese Botschaften wahr und hilfreich sein müssen.

Was hat Dich bisher am meisten „am Internet“ geärgert, was am meisten gefreut?

Ich erlebe das Internet als hochgradig intransparent. Ich weiß nie, wie die Auswahl dessen, auf das ich bei einer Recherche gestoßen bin, zustande kam. Manchmal fühle ich mich, wie in dem Film „Matrix“ und frage mich: Was gibt es in Wirklichkeit noch alles da draußen? Was lässt das Internet nur als Wirklichkeit erscheinen?

Ich liebe das Internet als Recherche-Instrument. Bevor ich zum Kunden gehe, arbeite ich mich ein und schaffe im Kopf die Strukturen, in das Wissen aus dem Briefing eingefügt werden kann.

Gib uns doch bitte eine Empfehlung für…

einen Blog / eine Newsseite / ein Fachmagazin, mit dem/der Du Dich zu Fachthemen gerne informierst

https://www.springer-fuer-professionals.de/automobiltechnik

Dieses Portal versteht sich als klassischer Informationsvermittler zwischen Experten und anderen Experten bzw. interessierten Fachleuten aus Nachbarbereichen.

einen Artikel, der Dich in der letzten Zeit am meisten begeistert hat

ohne konkretes Einzelbeispiel: immer wieder herausragend gute Reportagen in der Stuttgarter Zeitung

ein spannendes Buch, das Dich inspiriert hat

Nicht lachen: Stephen King, „It“ (Deutsch: „Es“). Es ist bemerkenswert, dass ein Erwachsener ein Buch so fesselnd aus der Blickrichtung von Teenagern schreiben kann. Die meisten Erwachsenen wissen gar nicht mehr, wie das bei ihnen selbst mal war – damals. Diese Fähigkeit zum Perspektivwechsel schätze ich sehr hoch.

eine Veranstaltung(-sreihe), auf der Du wirklich etwas dazugelernt hast (und was, bzw. von wem)

Ich habe rund 15 Jahre lang Tanzimprovisation betrieben und an zahlreichen Workshops teilgenommen. Die entscheidende Lernerfahrung war, ganz im Hier und Jetzt zu sein und das Hirn bei der Bewegung möglichst weit auszuschalten. In diesem Zustand kann man gut improvisieren, weil man frei von Hoffnungen, Ängsten und Wünschen wird. Diese Fähigkeit hilft auch als Texter vor dem leeren Bildschirm, auf dem am Anfang eines Auftrags nur erwartungsvoll der Cursor blinkt. Diese Fähigkeit hilft auch, wenn ein Kunde einen plötzlich und unerwartet auf die Probe stellt und man tatsächlich improvisieren muss.

Noch etwas hat mich die Tanzimprovisation gelehrt: Es ist wichtig, welche Fragen man sich stellt. Nur die richtigen Fragen führen zu neuer Erkenntnis. Ein Genie in dieser Hinsicht ist für mich Steve Paxton (Oregon, USA), der so grundlegend neue Fragen zur Bewegung des menschlichen Körpers gestellt hat, dass er das Verständnis damit tatsächlich vertieft.

das hilfreichste Tool / die hilfreichste Software für Deine Arbeit 

Mozilla Firefox – mein Tor zur Welt.

Mit welchem Experten würdest Du am liebsten einmal 1 Tag zusammenarbeiten, und warum?

Mit einem Choreographen, der zeitgenössischen Tanz schafft würde ich gerne mal einen Tag zusammen arbeiten und den kreativen Prozess mit den Tänzern erleben. Begegnungen mit Tänzern und Choreographen wie Stephen Petronio, Frey Faust und Alito Alessi waren hier Augenöffner.

Fachlich habe ich von meinem sehr geschätzten Mentor Manfred Piwinger (Fachautor und Dozent für Kommunikation und PR) etwas Wichtiges gelernt: Wer Kunden im Hinblick auf ihre Kommunikation beraten will, muss kompetent sein und seine Empfehlungen fundiert begründen können. Bauchgefühl reicht nicht. Deshalb gehört zur Kommunikation/PR zumindest eine Ahnung von wichtigen Einsichten aus der Psychologie und Sozialpsychologie.

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