interview

Interview mit Thomas Grandoch – Tvib

Thomas Grandoch Tvib
Foto: BMWi – Wolfgang Borrs

Wer ist Thomas Grandoch? Bitte stell Dich doch mal kurz vor.

Das frage ich mich auch manchmal 😉 Nein, Spaß beiseite, ich bezeichne mich immer als „künstlerischen Strategen“, der die „Kreative Ordnung“ liebt. Klingt widersprüchlicher als es ist, wenn man mal von irgendwelchen Stereotypen absieht. Ich bin ein kreativer Mensch, ich liebe es, Marken und Produkte zu erfinden, zu entwickeln und (cross)medial zu inszenieren. Doch ich liebe auch die Strategie und das Management der Prozesse dahinter.

Darum ist die Gründung eines Unternehmens wie Tvib nur logisch. Mich reizt dabei die Herausforderung als Gründer etwas Neues aus dem Nichts zu erschaffen, und ständig mögliche Probleme im Voraus zu erahnen, Lösungen zu finden, manchmal zu scheitern, und einen neuen Weg einzuschlagen, wenn man merkt, dass der bisherige Weg nicht funktioniert.

Was viele, die mich im Startup-Kontext kennenlernen immer verwundert ist, dass ich –  quasi nebenberuflich – auch Regiearbeiten übernehme. Im Juni 2016 inszeniere ich z.B. Wagners Oper „Der Fliegende Holländer“ auf dem Gipfel der höchsten Bergbauhalde im Ruhrgebiet.

Natürlich verwundert es auch die Kreativen, die ich im Regie-Kontext kennenlerne, nicht minder, dass ich Gründer und Geschäftsführer eines Technologie-Startups bin.

Übrigens ist Regieführen in meinem Verständnis auch wieder ein perfektes Beispiel für „Kreative Ordnung“.

Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verrate uns doch auch einen kleinen Spleen von Dir.

Oh ja, das ist jetzt wirklich privat. Aber gut, jeder hat vermutlich irgendwelche Spleens, ich habe folgenden: Im Winter habe ich immer ein Fläschchen Desinfektionsmittel dabei. Wenn ich bei anderen Firmen zu Besuch bin und in den Toilettenräumen solche Spender dafür sehe, denke ich mir automatisch immer: „Ein guter Arbeitgeber!“. Zwei meiner Freunde habe ich auch schon angesteckt damit, dass sie nun auch immer mit solchen Fläschchen rumlaufen, wenn wieder alle um einen herum krank sind.

Elevator Pitch! Was macht Eure Firma? Und vor allem: was macht ihr am besten, wo liegt Eure Superpower?

Tvib verbessert das Zusammenspiel der Marketingkanäle TV und Online. Das Geheimnis dahinter sind unsere exakten TV Spot Daten. Wir haben eine Technologie entwickelt, die es uns ermöglicht, das gesamte TV Programm in Echtzeit zu scannen, so dass wir sekundengenau wissen, auf welchem TV Sender jetzt in diesem Moment, wo ich das hier sage, welcher TV Spot ausgestrahlt wird. Klingt banal, ist allerdings eine Information, die die Werbetreibenden bisher nicht haben. Die Pläne vom TV Vermarkter, wann die Werbung laufen wird, unterscheiden sich von den echten Zeiten teils radikal.

Im Vergleich zur Online-Welt, ist TV eine Art Black Box, in die wir mit unsere TV data API Licht bringen.

Mit unseren Echtzeit TV Spot Daten kann dann zum Beispiel synchron die Landingpage des im TV beworbenen Webshop optimiert werden. Die TV Zuschauer, die aufgrund eines TV-Spots mit violetten Damenschuhen direkt den beworbenen Webshop besuchen, sehen dann z.B. direkt ganz oben diese Schuhe aus der Werbung. Online-Optimierung in Hinblick auf die TV-Werbung ist das. Doch wir ermöglichen auch TV-Optimierung in Hinblick auf die Online-Wirkung eines Spots: wir haben ein Reportingtool namens TV Analytics entwickelt, mit dem wir für unsere Kunden, z.B. Webshopbetreiber, exakt bestimmen, welche Visits bzw. Conversions auf der Seite auf welchen TV-Spot zurückgehen. Wir berechnen letztlich den Return on Investment jedes Euros, der vom Kunden für TV Werbung ausgegeben wird.

Besonders bei eBusinesses, die es aus der Online-Welt gewohnt sind, an jeder kleinen Conversion-Rate-Optimierungsschraube zu drehen, lindert diese Transparenz natürlich eine riesige Pain, da es dieses „Performance-Denken“ im traditionellen TV-Markt überhaupt nicht gibt.

Apropos Superpower: Verrätst Du uns ein „Best Practice“ Beispiel Deiner Firma, wo ihr besonders erfolgreich wart?

Hier eine kleine Anekdote, die eigentlich ein Nebenschauplatz für uns war, aber sehr gut zeigt, wie nützlich unsere exakten TV Daten sind. Bei einen Kunden, für den wir TV Analytics machen, tracken wir natürlich die TV Werbung. In einem Monat sollte der Werbespot erneuert werden, da der alte nicht mehr aktuell war. Durch unser Monitoring konnten wir schon nach wenigen Tagen dem Kunden mitteilen, dass auf einer Sendergruppe noch immer munter der alte Spot ausgestrahlt wurde – obwohl die Mediaagentur des Werbetreibenden felsenfest behauptete, dass überall das neue Spotmotiv on-air sei. In der digitalen Welt wäre soetwas einfach nachzuvollziehen. In der Offline-Welt des Fernsehens jedoch ist das ansonsten ein Blindflug bzw. reine Vertrauenssache. 

Wenn Du Dir die Netzwirtschaft insgesamt, Euren Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was werden die Haupt-Herausforderungen in den nächsten Monaten oder Jahren sein?

Herausforderung für die Gesellschaft, bzw. den Staat:

Letztendlich ist die Gesellschaft allgemein mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert, wie der Handel oder die Medienbranche: Durch die Digitalisierung und die Vernetzung gelten eherne Spielregeln, die bis dato als alternativlos galten, nicht mehr. Themen wie Urheberrecht, Whistleblowing bis hin zu scheinbar komplett nicht-digitalen gesellschaftlichen Aufgaben wie die Revitalisierung der Fußgängerzone einer deutschen Großstadt erfordern in einer vernetzten Welt, in der Informationen scheinbar ubiquitär sind, eine Neubetrachtung und damit vermutlich auch eine neue Gesetzgebung.

Herausforderung für die Netzwirtschaft in Deutschland / Europa:

Wir sind in Deutschland bekanntermaßen nicht die Fortschrittlichsten was die Adaption neuer Technologien betrifft. Das kann kluge Vorsicht sein. Oder eben dazu führen, mittelfristig abgehängt zu werden. Nur um ein Beispiel zu nennen: wenn ich sehe, dass von den deutschen Mobilfunkprovidern noch immer im eine sogenannte 1 GB „Flat“rate bei einem Handyvertrag als Standardpaket angeboten wird, dann frage ich mich in Hinblick auf die Situation in anderen Ländern, ob wir uns bald daran gewöhnen müssen, gewisse neue Features von Netflix, Apple, Google und weiteren zukünftigen Unternehmen in Deutschland einfach nicht nutzen zu können. Also Apple Music kann ich jedenfalls mit meinem jetzigen Handyvertrag unterwegs nicht nutzen.

Herausforderung für unseren Markt:

Ganz klar: Wir hängen mit unserem Geschäftsmodell ganz nah am Medium TV dran. Da liegen natürlich wie bei allen klassischen Medien die Herausforderungen der digitalen Transformation auf der Hand. Reichweitenverluste, die momentan durch die steigende Sehdauer der zunehmend älteren Bevölkerung aufgefangen werden, werden zu einem kompletten Umdenken dessen führen, was wir unter Fernsehen verstehen – ohne dass das lineare Fernsehen jedoch sterben wird, wie einige Leute schon seit Jahren immer wieder beschwören

Herausforderung für unsere Firma:

Momentan profitieren wir davon, dass TV Sender die digitale Transformation noch nicht vollzogen haben. Wir haben Ideen und Konzepte, wie wir uns auch langfristig positionieren können. Herausforderung ist also für uns, diese Konzepte rechtzeitig auf unsere technologische Roadmap zu packen und umzusetzen. Dabei sind die Besonderheiten des TV Marktes zu berücksichtigen, der gerne etwas träger reagiert: nicht alles, was technologisch möglich ist, kann auch direkt verkauft werden.

Was hat Dich bisher am meisten am Internet geärgert, was am meisten gefreut?

Mich ärgert es am Internet, dass in den „sozialen Medien“ eine nur auf den ersten Blick demokratische, anonyme Bühne für radikale Meinungen geboten wird. Meines Erachtens ein Beispiel für einen Besonderen, journalistischen Tiefpunkt in „etablierten Medien“, die sich einen zeitgemäßen Anstrich verleihen möchten: Es werden nicht mehr nur in der Mainzer Fußgängerzone scheinbar stichprobenartig Meinungen mit einem Kamerateam eingefangen um ein Stimmungsbild der Bevölkerung widerzuspiegeln, sondern nun auch die witzigsten, ironischsten und radikalsten Tweets zitiert und damit nahegelegt, dass das eine Durchschnittsmeinung sei.

Was mich am Internet am meisten gefreut hat? Nun, dass es das Internet GIBT, würde ich sagen. Ich kann mir eine Welt ohne nicht mehr vorstellen, es verändert an so vielen Stellen unser Leben im absolut positiven Sinne. Das Internet als „neues Medium“ in eine Reihe neben Radio, TV und Zeitschrift zu stellen, würde der Sache absolut nicht gerecht werden. Das Internet ist in meinen Augen kein Medium, sondern eine disruptive Sichtweise, wie man bestehende Konzepte neu denken kann – und muss.

Welches „Problem“ (privat oder im Unternehmen) würdest DU gerne von einem Start-up gelöst bekommen?

Steuererklärungen samt Anlagen einfach erstellen und ans Finanzamt übermitteln.

Gib uns doch bitte eine Empfehlung für…

einen Blog / eine Newsseite / ein Fachmagazin, mit dem/der Du Dich zu Fachthemen gerne informierst

um informiert zu sein, was in der klassischen TV-Welt passiert, hab ich immer ein Auge auf dwdl.de … wenn es allgemeiner um Marketing-Themen geht, mag ich auch viele Artikel der Brand Eins zum Beispiel.

einen Artikel, der Dich in der letzten Zeit am meisten begeistert hat 

Ein spannendes Interview mit Reed Hastings, dem CEO von Netflix, über seine Zukunfsvisionen im Spannungsfeld zwischen klassischem TV und VOD Services. https://www.wired.de/collection/magazin/ausgabe-0715netflix-im-richtigen-film (leider nur für Wired-Abonnenten).

ein spannendes Buch, das Dich für Dein Business inspiriert hat

„How brands grow“ von Bryan Sharp. Eine sehr pragmatische Sichtweise darauf, wie Markenkommunikation funktioniert.

eine Veranstaltung(-sreihe), auf der Du wirklich etwas dazugelernt hast 

Sehr spannend (aber in gewisser weise auch ein wenig schaurig)  ist jedes Jahr für mich der Besuch der Fachmesse für Onlinemarketing „dmexco“ in Köln. Dort trifft man tatsächlich jedes Unternehmen, das das Thema Digitales Marketing auch nur ansatzweise streift. Kein Wortspiel mit dem Begriff „Ad“ bleibt einem dort beim Blick ins Aussteller-Register erspart. Dennoch ein super Event, wo man einen sehr guten Überblick über die Branche bekommt und alle aktuellen Entwicklungen in dem Bereich im Blick behalten kann und vielen Leute, die man sonst nur per Mail oder Telefon kennt mal in die Augen schauen kann.

das hilfreichste Tool / die hilfreichste Software für Deine Arbeit

Google Docs / Spreadsheets zum kollaborativen Arbeiten.

Mit welchem Experten würdest Du am liebsten einmal 1 Tag zusammenarbeiten, und warum?

Ein Tag, ein Experte … Schwierige Entscheidung. Ich glaube, dass es interessant sein könnte, mal für einen Tag beim Kantinenchef bei Google in Kalifornien anzuheuern. Viele spannende Menschen mit spannenden Insider Gesprächsthemen, denen man hoffentlich lauschen kann. … Oder man schenkt den ganzen Tag Suppe aus und kriegt sonst nichts mit. Aber das Risiko wäre es mir wert 😉