interview

Interview mit Mirko Kaminski – achtung!

Mirko Kaminski achtung!Wer ist Mirko Kaminski? Bitte stell Dich doch mal kurz vor.

Ich bin auf der Ostseeinsel Fehmarn geboren, bin mit der Familie weiterhin jedes Wochenende dort und liebe das Angeln. Mein Sohn (10) begleitet mich dabei in unserem Boot und fängt – sehr zu meinem Leidwesen – bereits oft deutlich mehr als ich.
Ich habe schon vielerlei Dinge gemacht, war während meines Politikstudiums in Kiel Nachrichtensprecher, Reporter und Morningshowproducer beim Radiosender R.SH, habe für mehrere Zeitungen geschrieben, bin dann zur Kommunikationsberatung Burson-Marsteller nach Frankfurt gegangen, schließlich als Pressesprecher zur Citibank nach Düsseldorf gewechselt und habe dann 2001 die Agentur achtung! gegründet. Ich bin gerne in Jurys wie zum Beispiel beim Cannes Festival, beim eurobest, bei den PR REPORT AWARDS oder beim New York Festival. Oder ich bin unterwegs, besuche Start-ups und Agenturen – zum Beispiel in London oder Skandinavien. Das mache ich vor allem, um Inspiration zu tanken und die dann innerhalb der Agentur zu nutzen.

Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verrate uns doch auch einen kleinen Spleen von Dir.

Ich weiß gar nicht, ob das wirklich ein Spleen ist, aber ich schaue unglaublich gern Science-Fiction- und Fantasy-Filme sowie -Serien. Wenn sich mal partout keiner findet, der mich begleitet, dann gehe ich sogar allein ins Kino. Das muss aber schon ein Film sein, den ich wirklich unbedingt sehen will.

Elevator Pitch! Was macht Eure Firma? Und vor allem: was macht ihr am besten, wo liegt Eure Superpower?

achtung.de) glauben, dass inmitten dieses Smogs aus News, Infos, Trash, in dem wir heute alle leben, den Einzelnen nur noch das individuell Bedeutsame wirklich erreicht und im Idealfall berührt. Alles andere bleibt sozusagen im persönlichen „Schutz- und Abwehrfilter“ hängen. Unsere Stärke liegt darin, genau dieses Relevante, ja idealerweise Faszinierende zu finden oder zu entwickeln. Ideen, Themen, Storys, über die man spricht, berichtet und die Menschen mit anderen teilen. Wir wollen für Ideen stehen, die etwas anstoßen und in Bewegung setzen. Und da lassen wir uns durch keine Silos und Disziplinengrenzen einschränken.

Apropos Superpower: Verrätst Du uns ein „Best Practice“ Beispiel Deiner Firma, wo ihr besonders erfolgreich wart? Was waren Deiner Meinung nach die Erfolgsfaktoren?

Rechtsschutzversicherungen sind solch ein abtörnendes Thema, das gerne mal im beschriebenen „Filter“ hängen bleibt und nicht zu Menschen durchdringt. Die interessieren sich eben nicht dafür. Wer unterhält sich schon auf einer Party über Rechtsschutzversicherungen? Wir haben daher dem Rechtsschutzversicherer ADVOCARD dazu geraten, lieber auf ein Thema zu setzen, das Menschen wirklich interessiert und von dem ADVOCARD gleichzeitig wirklich Ahnung hat. Und dieses Thema ist: Streit. Millionen von Büchern drehen sich um Streit, Blockbuster rund um Streit füllen die Kassen, Streitthemen finden sich auf jeder Titelseite. Streit erregt die Menschen. ADVOCARD hat daher die Perspektive gewechselt und nicht mehr über das gesprochen, was dem Unternehmen selbst am meisten am Herzen liegt, aber sonst kaum jemanden hinter dem Ofen hervorholt, nämlich Rechtsschutzversicherungen. ADVOCARD hat auf ein anderes Thema gesetzt: Streit. Die Idee: Deutschlands großer Streitatlas. Wir haben erstmals überhaupt Millionen deutscher Streitfälle ausgewertet und kartografiert. Die Ergebnisse haben wir in einer interaktiven Deutschlandkarte zusammengefasst. Berlin ist die Streithauptstadt. Nirgendwo wird so viel gestritten. Und Männer streiten mehr als Frauen. Und, und, und. Eine unermessliche Quelle für Storys und überraschenden Content. Die Medien haben unglaublich intensiv berichtet. Gleich mehrmals war Deutschlands großer Streitatlas auf der Titelseite der BILD. TV-Nachrichtensendungen, Newsportale, Blogs, regionale Tageszeitungen, Tweets und Postings … Die Resonanz war immens. Es ist die erfolgreichste PR-Kampagne in der Geschichte von ADVOCARD geworden. Noch besser aber: Es ist auch eine sehr erfolgreiche Vertriebskampagne gewesen. Denn es ist etwas komplett anderes, ob ein Makler an der Tür fragt: „Wollen wir einmal über Rechtsschutzversicherungen sprechen?“, oder ob er auf dem iPad auf den Streitatlas zeigt und sagt: „Wissen Sie eigentlich, dass Ihr Risiko, in diesem Stadtteil in einen Streit hineingezogen zu werden, 53% beträgt?“

Wenn Du Dir die Netzwirtschaft insgesamt, Euren Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was werden die Haupt-Herausforderungen in den nächsten Monaten oder Jahren sein?

Mich bewegt vor allem das: Wenn ich nur ein paar Hundert Kilometer weit nach Skandinavien schaue, habe ich das Gefühl, dass es Deutschland gerade mächtig vergeigt. Da werden die Lütten schon im Kindergarten ans Coding herangeführt. Die Kids werden im Kindergarten und dann an den Schulen digital echt fit gemacht. Viele Jugendliche dort wollen Gründer werden und werden darin gefördert. Unterdessen steht im Grundschulklassenraum meines Sohnes hinten in der Ecke so ein uralter vergilbter Rechner. Der wird – wenn überhaupt – einmal im Monat eingeschaltet. Für mich ist es ein Horror, wie sehr sich viele in Deutschland offenbar auf alten Patenten und in der Vergangenheit Erreichtem ausruhen. Deutschland muss weitaus mehr in die digitale Bildung investieren. Ob ein Kind an die Möglichkeiten des Digitalen herangeführt wird, darf nicht davon abhängen, ob ein Lehrer sich selbst Kenntnisse angeeignet hat beziehungsweise gerade Bock darauf hat. Für uns ist es schon jetzt eine große Herausforderung, richtig gut qualifizierte und digital versierte Leute zu finden. Deutschland muss hier – wie wir im Norden sagen – mächtig in die Pötte kommen. Denn wir sind kein Land, das über mächtige Ressourcen verfügt. Unsere wichtigste ist Know-how. Man muss was dafür tun, damit das in Zukunft so bleibt.

Und dann ist da noch etwas: Die digitale Revolution stellt uns alle – Kommunikationsdienstleister wie auch unsere Kunden – vor immense Herausforderungen. Man muss sich das einmal vor Augen führen: Die letzte Umwälzung mit ähnlich großen Veränderungen für Wirtschaft und Gesellschaft hat über ein Jahrhundert gedauert und hieß industrielle Revolution. Wir erleben die gegenwärtige digitale Revolution also als eine um ein Vielfaches beschleunigte Umwälzung. Sie läuft gerade einmal 10–15 Jahre! Und so vieles hat sich bereits so massiv verändert.

Wenn sich Wirtschaft und Gesellschaft in einem derart hohen Tempo verändern, bleibt nicht viel Zeit für Umbaumaßnahmen mit einem langen und bequemen Vorlauf. Da sind diejenigen im Vorteil, die „klein und wendig“ bleiben – im Übrigen unabhängig von der wirklichen Unternehmensgröße. Da hat achtung! einen Vorteil. Wir können uns als wendige Inhaberagentur nicht nur schnell verändern. Wir wollen es auch.

Wir haben bereits früher als viele unserer Wettbewerber tradierte Strukturen aufgebrochen. Wir haben unsere Berater zu branchenorientierten Teams zusammengefasst und alle Ideen- und Contentproduzierenden Gewerke in unserem LAB miteinander verbunden. Es beraten also Kommunikationsgeneralisten mit Expertise in Branchen und Kategorien wie zum Beispiel Lifestyle, Automotive oder Financial Services. Gleichzeitig stehen ihnen Spezialisten im LAB zur Seite und arbeiten ihnen zu. Wir kommen so mit wachsender Komplexität und beschleunigter Veränderung gut zurecht.

Die Herausforderung in den nächsten Monaten und auch Jahren wird sein, die passenden Mitarbeiter für die immer spezifischeren und kleinteiligeren Aufgaben zu finden! Schließlich heterogenisieren sich Kompetenzen, Aufgaben und Profile immer weiter. Wer hat vor sieben, acht Jahren schon von Communitymanagern oder Facebook-Ads-Spezialisten gesprochen? Diese Herausforderung stellt sich allen im Markt. Und vielleicht wird die Attraktivität eines Unternehmens gegenüber potenziellen Mitarbeitern schon bald darüber entscheiden, ob es das Unternehmen auch weiterhin überhaupt gibt.

Was hat Dich bisher am meisten am Internet geärgert, was am meisten gefreut?

Am Internet ärgert mich am meisten, dass es vielerorts in Deutschland immer noch „langsam“ ist. Oder der Zugang viel Geld kostet. Zum Beispiel gehören doch Hotels, die dafür Geld nehmen, mit dem Klammerbeutel gepudert. Teure Zugänge, fehlende Versorgung, zu „langsames“ Internet. Die sind doch ein Unding und erneut so ein verschenktes Wettbewerbsplus. Ich weiß, ich übertreibe, aber eigentlich müsste die Verfügbarkeit eines maximal schnellen Internets überall und – gut, sagen wir mal – kostenlos verfügbar sein. Im Ernst: Was könnte und würde das ermöglichen? Es wäre der Wahnsinn, was sich da entfalten könnte.

Und damit zusammenhängend fasziniert mich, welche ökonomischen Möglichkeiten das Internet bietet. Im Grunde kannst du doch irgendwo an der Ostsee sitzen, ein paar richtig gute Leute „einsammeln“ und das nächste große Ding bauen. Theoretisch. Leider sind da andere – zum Beispiel die Amerikaner – weniger verzagt als wir Deutschen und denken zudem sofort an einen weltweiten Rollout und nicht lediglich daran, in Deutschland vielleicht die Nummer 5 zu werden. Auch Entrepreneurship mit internationaler Perspektive sollte in Deutschland ausgeprägter sein und stärker gefördert werden.

Welches „Problem“ (privat oder im Unternehmen) würdest DU gerne von einem Start-up gelöst bekommen?

Ein Traum wäre eine App, die mir auf dem Smartphone in Echtzeit anzeigt, wo gerade ein größerer Dorsch-Schwarm steht, um mich und mein Boot dann direkt dorthin zu führen. 😉

Gib uns doch bitte eine Empfehlung für…

einen Blog / eine Newsseite / ein Fachmagazin (auch Print), mit dem/der Du Dich zu Fachthemen gerne informierst

Ich bin nicht so der Leser. Ich nehme mehr aus Vorträgen mit, denen ich direkt beiwohne. Ich bin daher ein riesiger Fan zum Beispiel des Cannes Festivals, von der Dreamforce, vom eurobest Festival, usw. Ich werde jetzt aber auch mal zur CES und zur South by Southwest fliegen. Ich habe schlicht festgestellt, dass ich bei solchen Events deutlich mehr Inspiration tanke als durch pures Lesen.

einen Artikel, der Dich in der letzten Zeit am meisten begeistert hat (mit URL)

https://www.youtube.com/watch?v=XjJQBjWYDTs

ein spannendes Buch, das Dich für Dein Business inspiriert hat

Lars Hinrichs hat mir mal „Tipping Point“ empfohlen und ich habe es tatsächlich gelesen. Ich tue mich nämlich normalerweise mit Fachbüchern eher schwer. Ich habe etliche davon herumliegen. Bei allen habe ich höchstens die ersten zehn Seiten geschafft. „Tipping Point“ aber habe ich bis zum Ende gelesen. Und vieles, was mein Bauch ohnehin gefühlt hat, hat dann auch mein Kopf verstanden. Das Buch schildert sehr plastisch und gut, wie aus einem kleinen Anstoß eine große Bewegung werden kann.

eine Veranstaltung(-sreihe), auf der Du wirklich etwas dazugelernt hast (und was, bzw. von wem)

Ich lerne wirklich immer enorm viel, wenn ich beim Cannes Festival, bei der Dreamforce oder beim eurobest Festival bin. Und ich lerne viel in Jurys. Und oft fühle ich mich sehr klein, wenn da große Leute auf der Bühne von Großem berichten.

das hilfreichste Tool / die hilfreichste Software für Deine Arbeit

Mein hilfreichstes Tool? Ganz sicher mein iPhone. Damit lässt sich eigentlich die gesamte Agentur steuern. Damit mache ich die Videos für meinen YouTube-Kanal, meine Fotos für Facebook, Pinterest und Instagram. Schreibe E-Mails und What’s-App-Nachrichten. Schaue Casefilme. … Mir ist mal mein iPhone beim Angeln in die Ostsee gefallen. Da fühlte ich mich wie ausgeraubt.

Mit welchem Experten würdest Du am liebsten einmal 1 Tag zusammenarbeiten, und warum?

Ich würde echt gerne mal mit jedem der Experten, die wir bei uns in der Agentur haben, jeweils einen ganzen Tag verbringen. Da könnte ich echt viel lernen. Leider aber haben wir meist nur punktuell miteinander zu tun. Auf aktuellen Kundenprojekten. Bei Brainstormings. Oder wenn irgendwas anbrennt. 😉