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Interview mit Jürgen Braatz – ratingwissen.de

Jürgen_BraatzWer ist Jürgen Braatz? Bitte stell Dich doch mal kurz vor. Und damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verrate uns doch auch ein kleines persönliches Geheimnis von Dir.

Ich bin 57 Jahre alt und verdiene seit fast 30 Jahren mein Geld mit Kommunikation. Wie viele in meiner Branche war ich mal Schülersprecher und mit 17 Pressesprecher einer politischen Jugendorganisation. Aufgewachsen bin ich in Mülheim an der Ruhr, der Nahtstelle zwischen Ruhrgebiet und Rheinland. Das hört man aber nicht mehr, nur wenn ich will. Zum Studium bin ich dann nach Hamburg gekommen und hier will ich auch nicht mehr weg. Ich bin zum zweiten Mal verheiratet und habe vier erwachsene Söhne, drei eigene und einen Stiefsohn. Warum ist das relevant? Ich habe drei Digital Natives heranwachsen sehen und meine Ehrfurcht hält sich in Grenzen. Ich gehe gerne gut essen und tanze gerne. Beides kann ich im Restaurant Baku in den Grindelhochhäusern verbinden, das ist mein Geheimtipp. Die haben da eine sehr gute russisch-georgische Küche, gute Weine aus dem Kaukasus und am Samstag und Sonntag wird abends getanzt. Wir sind oft die einzigen Deutschen und es ist alles etwas schräg, aber wir lieben es.

Elevator Pitch! Was macht Eure Firma? Und vor allem: was macht ihr besser, was ist Euer USP?

Wir sind auf die Beratung von Finanzdienstleistern spezialisiert. Wir beraten sie umfassend in Sachen Kommunikation, verstehen aber im Unterschied zu vielen Wettbewerbern ihre Produkte, Märkte und Vertriebskanäle sehr genau. Ich kann die Finanzplanung eines Geschlossenen Fonds auseinandernehmen wie ein Analyst. Unser Standing im Markt profitiert davon, dass wir auch Veranstalter von Kongressen und Seminaren sind und dass ich einige Jahre lang einen gern gelesenen Branchennewsletter herausgegeben habe. Wir, bzw. ich persönlich werden als Experten wahrgenommen.

Was ist Eure interne “Secret Sauce”?

In Sachen Beratung haben wir einen umfassenden Ansatz. Ich scheue mich da vor Schlagworten wie 360 Grad, solche Begriffe kommen mir zu den Ohren raus. Aber wir schauen genau, wo die Engpässe der Kommunikation liegen. Wir werden zwar meistens engagiert, weil die Kunden in die Fachpresse wollen. Da kommen sie auch hin. Aber manchmal ist es viel wichtiger, die Kommunikation mit Kunden per E-Mail bzw. Newsletter zu verbessern. Oder ihnen ein schrilles amateurhaftes Design auszureden. Ob wir für unsere Kunden PR, Werbung, Direktmarketing, Web 1.0 oder Social Media machen, ist den Kunden egal. Die haben ein Defizit und wir bügeln das aus.

Richtig Spitze sind wir aber bei der Organisation und Durchführung  von Kongressen in der Größenordnung 100 bis 200 Teilnehmer, da macht uns keiner was vor. Unsere Größe wird auch regelmäßig überschätzt. Zu mir kamen Bewerber, die gedacht haben, wir hätten 50 Mitarbeiter, wir waren aber nur 5.

Was genau ist Deine Rolle im Unternehmen, wo liegt Deine Expertise und “Superpower”?

Ich bin mein ganzes Leben lang vorne gewesen und sehe zu, dass es so bleibt. 1995 hatte ich ein webbasiertes Geschäftsmodell und das Equipment, aber keine Erfahrung im Vertrieb. Danach bin ich wieder in Angestellter geworden in einer relativ traumhaften Position. Die Stadtreinigung Hamburg hatte nämlich einen Riesenetat und wir konnten quasi alles umsetzen, was uns und der Agentur einfiel. Dann bin ich von der PR in Marketing und Vertrieb gewechselt und habe da ein Produkt neu designen und positionieren lassen. Und habe eine Direktmarketingaktion gefahren mit 10 Prozent Bestellquote. Es ging übrigens um die Wäsche von Biotonnen. Im Jahr 2000 bin ich dann in die Finanzbranche gewechselt und war auf einmal für Investor Relations zuständig. Im Nachhinein war es typisch männliche Überheblichkeit, dass ich mir das zugetraut habe. Ich habe es aber gelernt, es hat geklappt. Fazit: Es gibt wenige Kommunikationsmaßnahmen, die ich nicht selbst schon einmal ausprobiert habe.

Wenn Du Dir die Netzwirtschaft insgesamt, Euren Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was werden die Haupt-Herausforderungen in den nächsten Monaten oder Jahren sein?

Herausforderung für die Gesellschaft, bzw. den Staat:

Wir sehen natürlich die Gefahren für die Freiheit durch Überwachung und Datensammeln. Ich bin überrascht, wie naiv viele Geeks und Nerds immer noch mit den Spielzeugen umgehen, die ihnen Apple und Google anbieten. Dass Facebook Daten sammelt, um mir passende Werbung zu zeigen, finde ich dagegen in Ordnung. Die könnten gerne noch viel besser darin werden. Was soll ich mit den Treppenliften, die mir ständig angezeigt werden.

Herausforderung für die Netzwirtschaft in Deutschland / Europa:

Es gibt ja ein allgemeines Gejammer darüber, dass wir keine Gründerszene der Netzwirtschaft haben und so furchtbar hinterherhinken. Ich sehe das anders. Es scheint so zu laufen, dass Startups der deutschen Netzwirtschaft sich so schnell wie möglich an US-Konzerne verkaufen. Ich weiß nicht, ob und wie man das ändern könnte und sollte; es ist ja die freie Entscheidung der deutschen Gründer. Im Übrigen vergessen viele, dass wir mit Telekom und SAP zwei global Player der Netzwirtschaft haben und je nach Betrachtungsweise auch mit Siemens und Springer. Und Otto ist stark im E-Commerce. Generell aber muss die Politik schnellstens Möglichkeiten finden, internationale Konzerne kontrollieren und bändigen zu können. Das gilt nicht nur für die Netzwirtschaft.

Herausforderung für unseren Markt:

Die Branche der Finanzdienstleistung schrumpft. Das wird so bleiben. Der Markt ist gesetzlich überreguliert und der Trend wird weitergehen. Die Branche weiß nicht wie sie darauf kommunikativ reagieren soll. Das bedeutet für meine Kunden und mich, dass wir alleine zurechtkommen müssen und von Wettbewerbern keine Schützenhilfe erwarten können, ganz im Gegenteil.

Herausforderung für unsere Firma:

Wir müssen uns neue Märkte erschließen. Daran arbeiten wir aktuell. Wir müssen unseren Kunden auch neue Dienstleistungen anbieten, in den Bereichen Video / Youtube und Social Media. Daran arbeiten wir auch schon länger. Es sieht so aus, dass wir in Kürze für einen Kunden eine Facebook-Präsenz aufbauen und betreiben.

Meine persönliche Herausforderung:

Nicht selbstzufrieden werden, sich nicht auf Lorbeeren ausruhen, nicht zu schnell sagen „Kenn ich schon“.

Wie sieht Dein “digitales Workout” in der nächsten Zeit aus? In welchen Themenbereichen willst Du Dich oder würdest Dich gerne verbessern?

Ich sehe eine große Zukunft für Videos als Mittel der Kommunikation. Damit beschäftigen wir uns schon seit einiger Zeit.

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Unbedingt Fredmund Malik „Führen Leisten Leben“ Danach habe ich verstanden, was ein Manager ist, was er zu tun und zu lassen hat.

eine Veranstaltung(-sreihe), auf der Du wirklich etwas dazugelernt hast 

Die re:publica 2014. Ich war zwar auch in diesem Jahr alle drei Tage da und werde es im nächsten Jahr wieder tun, aber im letzten Jahr habe ich gelernt, was auf den YouTube-Channels los ist. Das war komplett an mir vorbeigegangen.

das hilfreichste Tool / die hilfreichste Software für Deine Arbeit

Wir arbeiten im Tagesgeschäft sehr old fashioned und brauchen nur das übliche. Ich persönlich liebe Twitter als schnelles Informationsmedium und dann und wann für ein launiges Geplänkel.

Mit welchem Experten aus Deinem Fachgebiet würdest Du am liebsten einmal 1 Tag zusammenarbeiten, und warum?

Ich möchte aus Respekt meine Lehrerin bei 2 PR-Grundseminaren nennen, Marie-Therese Junkers, aber davon hat kein Leser was, denn sie lehrt nicht mehr. Aber Christoph Kappes wäre so jemand. Ich habe mal mit ihm zu Mittag gegessen und wir halten losen Kontakt. Er kann etwas, das ich gerne so gut könnte wie er, nämlich komplizierte Sachverhalte zergliedern, ordnen und die einzelnen Komponenten richtig benennen.