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Interview mit Mathias Gehle -MCW Retail – Medien- und Convenience-Werkstatt

Mathias Gehle MCW Retail - Medien- und Convenience -
Foto: Elfriede Liebenow

Wer ist Mathias Gehle? Bitte stell Dich doch mal kurz vor.

Ich blicke auf eine über 25-jährige Berufserfahrung zurück, davon fast 20 Jahre in leitenden Positionen in unterschiedlichen Branchen wie Handel, FMCG, Prozessindustrie, Maschinenbau und Systemgeschäft. Ich war sowohl in internationalen Konzernen (Valora, Ahold, Shell, Linde, Holsten) als auch in mittelständischen, inhabergeführten Strukturen tätig. Nach über 11 Jahren als Geschäftsführer Deutschland des Schweizer Valora-Konzerns habe ich mich 2013 als Berater und Interim Manager mit dem Schwerpunkt Retail Medien und Convenience Food selbständig gemacht mit MCW Retail, einer spezialisierten Beratungs-Manufaktur. Daneben betätige ich mich als Business Angel und Startup Investor. Ich werde regelmäßig als Speaker und Moderator für Themen im Printvertrieb und Convenience engagiert, seit 2008 bin ich ehrenamtlicher Richter am Arbeitsgericht Hamburg.

Ich bin Baujahr 1965, verheiratet und lebe mit meiner Familie (2 Kinder) in Hamburg. Meine Ausbildung führte mich über den Betriebswirt an der Wirtschaftsakademie Hamburg zum Studium des Wirtschaftsingenieurwesens (Dipl.-Ing. oec.), zusätzlich absolvierte ich das Retail Lab an der Hochschule St. Gallen.

Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verrate uns doch auch einen kleinen Spleen von Dir.

Ich habe einen Faible für Musik der 60er und 70er Jahre. Obwohl ich ja eigentlich „zu spät“ geboren bin, höre ich gerne Sachen wie Led Zeppelin, Grateful Dead, Jimi Hendrix, Allman Brothers, The Who… Manch einer hält mich auch für ein „wandelndes Musiklexikon“ für Classic Rock.

Elevator Pitch! Was macht Eure Firma? Und vor allem: was macht ihr am besten, wo liegt Eure Superpower?

Ich arbeite als Freelancer im Interim Management und in der Beratung. Mein Label ist MCW Retail – Medien- und Convenience-Werkstatt, eine spezialisierte Beratungs-Manufaktur mit den Schwerpunkten Retail in den Branchen Medien (Presse & Buch) und Convenience Food. Der Mehrwert für meine Kunden bzw. mein USP ist, dass ich aufgrund meiner jahrelangen operativen Erfahrungen sofort wertschöpfend tätig werden kann mit Spezialwissen über filialisierten Einzelhandel, und zwar umfassend u.a. Brand, Konzept, Ladenbau, Standorte, Category Management, Vertrieb, E-Commerce, Omni-Channel. Darüber hinaus verfüge ich über ein sehr weitreichendes Netzwerk.

Apropos Superpower: Welches Best Practice Beispiel in Deiner Branche hat Dich besonders fasziniert und warum?

Da ich in mehreren Projekten im Bereich des Buchhandels tätig war und bin (und dies früher operativ war), ist nach wie vor Amazon als Online-Buchhändler und auch mit der E-Book Strategie das Best Practice Beispiel für mich. Jahrelang „unbemerkt“ von vormals marktführenden stationären Buchhändlern hat sich Amazon über Angebot (insbesondere auch Long Tail), Service und Innovation zum weit enteilten Marktführer und Impulsgeber entwickelt. Es hat fast 15 Jahre gedauert, bis die etablierten Player angefangen haben, dem etwas entgegen zu setzen.

Wenn Du Dir die Netzwirtschaft insgesamt, Euren Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was werden die Haupt-Herausforderungen in den nächsten Monaten oder Jahren sein?

Herausforderung für die Gesellschaft, bzw. den Staat:

Aus meiner Sicht geht es darum, optimale Rahmenbedingungen für die Digitalisierung zu schaffen und so den Zugang von Unternehmen und Menschen zu notwendiger Infrastruktur und Wissen zu gewährleisten. Hier sehe ich insbesondere für Ausbildung und lebenslange Weiterbildung einen bisher nicht gekannten Bedarf, um die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes zu erhalten.

Herausforderung für die Netzwirtschaft in Deutschland / Europa:

Die Herausforderung für Deutschland und Europa gleichermaßen ist es, den in vielen Disziplinen entstandenen weltweiten Marktführern im Bereich der digitalen Wirtschaft nachzueifern und eigene Cluster/Disziplinen zur Weltmarkführerschaft zu entwickeln. Das ist natürlich Aufgabe der Unternehmen selbst, insofern ist es notwendig, dass Gründer und Unternehmer als Vorbilder – um nicht zu sagen Helden – angesehen werden und nicht vorrangig als gierige Ausbeuter, Trickser oder Hasardeure.

Herausforderung für unseren Markt:

Hier möchte ich auf die Pressebranche eingehen. Die größte Herausforderung bleibt m.E. die Monetarisierung von digitalen Presseangeboten über E-Paper hinaus. Insgesamt bin ich skeptisch, ob langfristig ein genügend großes Marktvolumen generiert wird, um qualitativ hochwertigen Journalismus zu finanzieren.

Und zusätzlich geht es darum, mit „echtem“ digitalen Vertrieb überhaupt zu beginnen und diesen den „Tekkis“ aus der Hand zu nehmen. Leider gibt es noch nicht sehr viele wirklich mutige Vertriebsleute in der Pressebranche, die den Markt selber entwickeln wollen bzw. können.

Herausforderung für unsere Firma:

Schritthalten mit der Wissensexplosion ohne den Fokus auf das Relevante im eigenen Marktumfeld zu verlieren ist für mich ebenso wichtig wie für meine Kunden. Und natürlich braucht es genügend potentielle Kunden, die bereit sind, ihre bisherige Strategie in Frage zu stellen und sich offensiv mit den disruptiven Veränderungen auseinander zu setzen. Es ist immer wieder faszinierend, wie viele Unternehmen/Unternehmer sich „alten Wein in neuen Digitalschläuchen“ andrehen lassen und unglaublich viel Geld für inkrementale Effekte ausgeben.

Was hat Dich bisher am meisten „am Internet“ geärgert, was am meisten gefreut?

Ärgern tue ich mich immer noch gelegentlich, dass wirklich jeder ungefiltert seinen Senf absondern kann. Die Fülle wenig qualifizierter Inhalte ist wirklich erschreckend, auch in beruflichen Fachgebieten.
Am meisten freue ich mich tatsächlich über die ständige (mobile) Verfügbarkeit von (fast) allem.

Gib uns doch bitte eine Empfehlung für…

einen Blog / eine Newsseite / ein Fachmagazin, mit dem/der Du Dich zu Fachthemen gerne informierst

pv digest, ein Informationsdienst, der monatlich einen umfassenden Überblick über Nachrichten, Analysen und Meinungen rund um den Vertrieb von digitalen und gedruckten Presseprodukten gibt und auch den Buchbereich beleuchtet.

einen Artikel, der Dich in der letzten Zeit am meisten begeistert hat

Der Medienwandel eines Jahrzehnts in sechs Charts

https://netzoekonom.de/2015/11/20/der-medienwandel-eines-jahrzehnts-in-5-charts/

ein spannendes Buch, das Dich inspiriert hat

Michel Houellebecq, Unterwerfung. Es ist faszinierend zu lesen, wie ein Autor die Anbiederung einer intellektuellen Elite an eine gemäßigte muslimische Partei in Frankreich bzw. deren Präsidenten innerhalb weniger Monate beschreibt.

eine Veranstaltung(-sreihe), auf der Du wirklich etwas dazugelernt hast

./. Da tue ich mich wirklich extrem schwer.

das hilfreichste Tool / die hilfreichste Software für Deine Arbeit 

Smartphone, der verlängerte Arm natürlich…

Mit welchem Experten würdest Du am liebsten einmal 1 Tag zusammenarbeiten, und warum?

Tatsächlich würde ich gerne einen Tag mit Jeff Bezos von Amazon zusammenarbeiten. Ich glaube, dass ich viel von ihm lernen könnte, wie man tatsächlich unabhängig von bestehenden Marktmechanismen einen völlig anderen Ansatz wählen kann, um ständig neue Märkte zu erobern, ohne klassisch notwendige Infrastrukturen aufzubauen. Querzudenken in dieser Qualität hat schon etwas (fast) Einzigartiges.

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