It is a systemic change that is leaving many publishers unsure of how they will make money.
John Hermann, The Awl / New York Times
Guten Tag,
der Dreiklang des Online-Publishings aus: Inhalten, Reichweite und Umsatz wird zunehmend zum Blues. Ein Systemfehler, sagt John Hermann. Wir hören genauer hin – und wollen wissen, welchen Klang man noch mit drei Noten erzeugen kann. Viel Spaß mit der 63. Ausgabe der Netzwirtschaft.
Beste Grüße,
Thomas Jahn
– frisch gefiltert in Berlin –
KALENDERWOCHE 15/16
Jour Fixe
Die Begriffe „Digitalisierung“ und „Industrie 4.0“ stoßen – im Gegensatz zu „Made in Germany“ – bei den Bundesbürgern auf wenig Gegenliebe, sagt das Allensbach Institut. Das wird wohl nicht daran liegen, dass BMW / Mini (gerüchteweise) das Apple iCar bauen soll und vielleicht auch nicht daran, dass Amazon (ebenso gerüchteweise) den Flughafen Frankfurt-Hahn (*) kaufen will, sondern eher daran, dass noch viel zu wenig „Made in Germany“ auf der Netzwirtschaft klebt. Lasst uns zusammen weiter daran arbeiten, dass sich das bald ändert.
SCHWERPUNKT: PUBLISHING
Systemfehler – Online-Publishing?
It is a systemic change that is leaving many publishers unsure of how they will make money.
John Hermann, The Awl / New York Times
Das Geschäftsmodell „Online-Publishing“ gerät von zwei Seiten unter Druck: Die Webseite, über Jahre Aushängeschild und Umsatzhoffnung der Verlage, wird zunehmend unwichtiger. Denn die Nutzer orientieren sich weiter in Richtung sozialer Netzwerke und Messenger. Die Verlage verlieren ihre Reichweiten – und die Anzeigenkunden folgen.
Money follows Eyeballs
Werbesprech
Von jedem digital eingesetzten Werbedollar landen jetzt schon 85 Cent bei Facebook oder Google (s. Chart). Adblocker rütteln zusätzlich am Umsatzgerüst der Publisher. John Hermann hinterfragt das System Online-Publishing …weiterlesen
Follow-Up „Medienkonsum“
Henry Blodget: „Messaging Apps are already bigger than social networks.“ Der Macher von Business Insider mit 7 Thesen zur Zukunft der Medien (gehaltvoll; kann man auch mehrmals lesen) …weiterlesen
B2B: Quartz untersucht das digitale Nutzungsverhalten von Managern. Für Dr. Holger Schmidt eine „Blaupause für Qualitätsmedien im digitalen Zeitalter“- so oder so ähnlich …weiterlesen
LÖSUNGSWEG: NATIVE ADVERTISING
BuzzFeed – How to Re-Work Online-Publishing
Wenn man Inhalte extern verbreitet und dafür im Gegenzug Daten und Einnahmen erhält, kann das ein gutes Geschäft sein.
Jonah Peretti, BuzzFeed
BuzzFeed weiß, wie man Reichweite aufbaut. Der Weg dorthin führte über die Erkenntnis, dass Inhalte im Netz nicht wegen der Informationen geteilt werden, die sie enthalten, sondern wegen der Emotionen, die sie auslösen. Das hauseigene System „POUND“ misst, über welche Pfade sich einzelne „Contents“ im Netz verbreiten und wird so zu einer Schlüsselressource im Geschäftsmodell von BuzzFeed. Content, Reichweite – und der Umsatz? Nicht die Reichweite wird (über Banner) monetarisiert, sondern umgekehrt: für eine Kampagne wird eigens Reichweite aufgebaut. Native Advertising in Reinform. Zusätzlich gehebelt über die hohen TKPs der Bewegtbildwerbung. Theoretisch. Denn praktisch produziert BuzzFeed ja auch nur Sichtkontakte. Reicht das, um Werbekunden dauerhaft zu binden? Oder wollen die einen härteren Rentabilitätsbeweis? Bühne frei für Jonah Peretti
LÖSUNGSWEG: CONTENT SYNDICATION
Vice Media – Das am schnellsten wachsende Medienunternehmen der Welt
Removing advertising from the business plan.
Shane Smith, Vice
Vice treibt BuzzFeeds Gedankenspiel zur Vermarktung noch einen Schritt weiter und hakt direkt beim Umsatz ein: Warum nicht gleich dorthin gehen, wo das Geld ist?
The scale is mobile, the problem is money. The money will come from online and TV.
Shane Smith, Vice
Die TV-Sender brauchen Inhalte für eine jüngere Zielgruppe, die sie immer weniger selbst verstehen. Vice findet den kommunikativen Zugang zu dieser Zielgruppe und produziert und verkauft Inhalte direkt an die Sender. Content Syndication ersetzt Anzeigenvermarktung – und wird zur tragenden Erlössäule. Shane Smith erklärt Jeff Jarvis, wie Vice die Verlagswelt von hinten aufrollt.
DER DRITTE LINK
Auf einen Espresso mit … Dr. Carsten Thies von Haufe
Die Haufe Gruppe ist führend im Wandel vom Fachverlag zum Anbieter digitaler Lösungen.
Dr. Carsten Thies, Haufe
Aus einer Loseblattsammlung wurde einer der umsatzstärksten Verlage Deutschlands. Glaubt man den Freiburgern, dann hat der digitale Wandel seinen Ursprung im Kauf einer kleinen Softwarefirma namens Lexware. Dort, zwischen Rennrändern und leeren Pizzaschachteln wurden die ersten digitalen Produkte für Steuerberater, Personaler & Co. entwickelt, die heute 300 Mio. € Umsatz pro Jahr einspielen. Wir haben einen der Manager befragt
LÖSUNGSWEG: PAID CONTENT
Statista – So geht Paid Content!
Das Geschäftsmodell von Statista kann man in der Kurzform als Netflix der Statistik beschreiben.
Udo Müller, Ströer (Mehrheitseigner von Statista)
Statista als Best Practice für die Verlagsbranche? Warum denn nicht. Statista bündelt im Netz zerstreute Inhalte und formt daraus skalierbare Produkte für Entscheider. Die dahinterstehende Rechercheleistung wird überwiegend von Historikern übernommen. Die können recherchieren und sind verfügbar. Die Reichweite stammt zu 70% aus Suchmaschinen. Denn relevante Statistiken und Infografiken produzieren Backlinks. Und die Erwähnungen auf Partnerseiten hebelt das SEO zusätzlich. Die Kunden sind überwiegend Unternehmen und die zahlen im Abo: 14 Mio. € Umsatz machte Statista so in 2015. 30% bis 35% sollen jährlich hinzukommen. Alles richtig gemacht, oder? Und welche „Contents“ können eigentlich noch aus den etablierten Systemen herausgelöst werden? Der Herr der Daten …weiterlesen
LÖSUNGSWEG: NEWSLETTER
My Little Paris – Die Frau mit den 1,5 Mio. Lesern
Durchsetzen wird sich das Schnelle und das Gute, unter Druck kommt das Langsame und das Durchschnittliche.
Sebastian Turner, Tagesspiegel
Wenn die Webseite als Produkt und als Geschäftsmodell zusehends schlechter funktioniert, dann kann ein Wechsel des Mediums vielleicht den Druck aus dem System Online-Publishing nehmen. Mit dem Newsletter „My Little Paris“ und nur einer Lifestyle-Geschichte am Tag überzeugte Fany Pechiodat 1,5 Mio. Abonnenten. Die Erlösfunktion: E-Commerce mit Produktproben. 80.000 Leser wollen diese Proben haben – und zahlen 10$ pro Monat oder in Summe etwa 10 Mio. $ im Jahr. Fazit: Newsletter sind pfeilschnell. Und Newsletter können sehr gut sein. Fany Pechiodat macht den Umsatz von Statista fast im Alleingang.
ONE MORE THING
Axel Springer – Das Richtige machen (update: 20.04.2023; zweifelhafte Headline)
Thus, the losers were positioned to reject and overpower the transformation simply because there were more of them.
Mathias Döpfner, Axel Springer
Welches Managementgeschick dahinter steckt, eine Organisation voller Alpha-Tierchen in und durch eine Transformation zu führen, sei mal dahingestellt. Auffallend ist, dass Springer rückblickend die richtigen Entscheidungen trifft:
- die frühzeitigen Investitionen in das intern wegbrechende Geschäft mit digitalen Kleinanzeigen, sorgten für nachhaltige digitale Profitabilität (die Basis)
- der Verkauf weiter Teile des Papiergeschäft sorgte für eine Konzentration auf die Kernmarken und macht den Weg frei für zukünftiges Digitalgeschäft (Fokus)
- und die Konstruktion „Plug & Play“ soll nachhaltig den Zugang zu Investitionsmöglichkeiten und Talenten schaffen (Möglichkeitenraum erweitern)
Wem das bisschen Newsletter und Paid Content also zu wenig strategisch war, dem sei der folgende Case der Stanford University ans Herz gelegt – leider kostenpflichtig und noch hakeliger als unsere Anmeldemaske, aber Zeit und Geld sind gut angelegt.
+++ Danke, dass du die Netzwirtschaft gelesen hast & bis nächste Woche +++
BEST OF NETZWIRTSCHAFT
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PRESS PLAY: Keziah
Hört man sich in einem zufällig ausgewählten Verlag um, dann klingt es dort wahrscheinlich nach Blues. Aber muss man da reinhören? Inhalte, Reichweite und Umsatz – aus diesen Grundtönen wird an der einen oder anderen Straßenecke schon deutlich hörbar eine Musik komponiert, die variabler, rhythmischer und hoffnungsvoller ist. Vielleicht eher Funk als Blues? Da wollen hinhören: Rhythm is love, Keziah.