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Interview mit Prof. Dr. Heiko Beier – moresophy

Prof. Dr. Heiko Beier moresophyWer ist Heiko Beier? Bitte stell Dich doch mal kurz vor.

moresophy GmbH. In dieser Funktion gilt meine berufliche Leidenschaft seit nun schon fast 15 Jahren der Aufgabe, mit intelligenter Software aus unstrukturierten Informationen geschäftsrelevantes Wissen zu ziehen.

Als ausgebildeter Teilchenphysiker habe ich bereits Anfang der 90er Jahre intensiv mit dem Internet und dem WWW gearbeitet. Die Grundprinzipien der Technologie haben sich seitdem nicht geändert und sind mir daher extrem gut vertraut. Auch habe ich schon Mitte der 90er Jahre „Big Data“ praktiziert. Ein Großteil der Algorithmen und Computer-Infrastrukturen, die heute in dem Umfeld breitflächig genutzt wurden, sind von Teilchenphysikern entwickelt worden.

Neben meiner unternehmerischen Tätigkeit bin als Professor für Internationale Medienkommunikation tätig. Dort gönne ich mir den „Luxus“ über den Tellerrand unmittelbarer Kundenbedürfnisse zu blicken und Trends und Entwicklungen systematisch zu analysieren.

Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verrate uns doch auch einen kleinen Spleen von Dir.

Ich verschwende viel Zeit mit Fussball. Weniger als Zuschauer, sondern mehr als Beobachter des unternehmerischen Geschehens. Ich finde es spannend zu betrachten, wie Fußballvereine geführt werden und wie Trainer und Vereinsführung es schaffen können, auch mit weniger Geld ein erfolgreiches Team auf die Beine zu stellen. Ich finde dort viele interessante Metaphern zu anderen Bereichen der Wirtschaft. Als gebürtiger Hamburger bin ich im Thema Fussball ansonsten extrem leidgeprüft. Bin sicher einer der wenigen, deren Herz für den FC St. Pauli und den HSV gleichzeitig schlägt.

Elevator Pitch! Was macht Eure Firma? Und vor allem: was macht ihr am besten, wo liegt Eure Superpower?

Wir sind Experten, um automatisiert einen Mehrwert aus unstrukturierten Informationen zu holen. Oder mit anderen Worten: um Content jederzeit in den richtigen Context zu setzen.

Wir verstehen uns als „Smart-Data-Versteher“ und Business-Enabler. Arbeiten in allen Fällen eng mit unseren Partnern und Kunden zusammen und sind in einigen Fällen indirekt an spannenden Business-Cases beteiligt, die bestehende Geschäftsmodelle massiv verändern werden.

<WAS?>

Wir bieten Softwarelösungen für hochwertige, relevante Daten mit Aussagekraft und Struktur. Damit lassen sich selbst größte Informationsmengen automatisiert strukturieren, intelligent in Verbindung bringen und einfach auswerten – damit finden Sie den direkten Weg zur Zielgruppe.

Vereinfacht gesagt: Unsere Kunden bringen mit uns wichtigen Content in den richtigen Kontext und machen ihn damit profitabler.

Relevanz-Motor“ nutzen z.B. Redaktionen führender Verlage und Portale. Auch im Online Marketing und Vertrieb, in Online-Shops sowie Intranets und Extranets integrieren Unternehmen die SUITE einfach in ihre Online Plattformen und profitieren schnell davon.

<Besondere Superpower?>

Unsere Philosophie gibt uns die Superpower – „smart ist mehr“.

Wir sehen uns als „Smart-Data-Versteher“ und Business-Enabler.

Das bedeutet einerseits, dass wir die Datenwelt von Unternehmen – das „Data Big Picture“ – ganzheitlich verstehen: Technologien, Prozesse, Semantik und Nutzen. Nur so können wir mit unseren Kunden und Partnern so eng zusammenarbeiten, dass daraus neue Produkte und spannende, profitable Geschäftsmodelle entstehen. Aktuell gibt es z.B. einen Business-Case, in dem sich bestehende Geschäftsmodelle sogar massiv verändern werden.

Dazu arbeiten wir konsequent nach unserem Verständnis von Smart Data:

Die strategisch richtigen und wichtigen Informationen, Daten und Content auswählen, in einen automatischen Kreislauf bringen, in dem sie mit jeder Umdrehung gegenseitig Qualität und Relevanz erhöhen – und erfolgreiche Entscheidungen treffen. Die Semantik ist dabei unser Fundament und wichtigste Methodik.

Apropos Superpower: Verrätst Du uns ein „Best Practice“ Beispiel Deiner Firma, wo ihr besonders erfolgreich wart?

Gerne.

Für eine führende Recruiting-Plattform haben wir den Prozess der Auswahl geeigneter Kandidaten um ca. einen Faktor 1000 (!) beschleunigt. Während früher die schriftlich eingehenden Anfragen von Menschen in Suchanfragen gegen die Datenbank übersetzt wurden, erfolgt dieser Prozess nun mit unserer Maschine in Bruchteilen einer Sekunde vollständig automatisiert. Vom Einlesen und Auswerten der Projektbeschreibungen, Identifizieren der wichtigen Skills und anderen Rahmenbedingungen zum Projekt, bis zur Auswahl des perfekten Kandidaten. Das geht nur mit einem engen Miteinander von Software und Branchen-Know-How. Mit anderen Worten: wir helfen Unternehmen dabei, Ihr Expertenwissen zu multiplizieren und viel produktiver zu nutzen.
Sehr vergleichbar ist es in einem aktuellen Projekt, in dem wir mit unserer Software eingehende Kundenanfragen automatisiert beantworten.

Wie lebt ihr Digitalisierung in Eurem Unternehmen? In welchem Bereich habt ihr Digitalisierung erfolgreich um- oder eingesetzt?

Ich bin zu einer Zeit in die Software-Industrie eingestiegen, als noch jeder, der wusste was ein Computer ist, als SW-Entwickler eingestellt wurde. Inzwischen ist Software-Entwicklung etwas ganz anderes. Ein vollständiger digitalisierter Engineering-Prozess. Mit anderen Branchen und Prozessen hat das gemeinsam, dass die Entwicklung sehr agil und dynamisch erfolgt. Da gibt es dann nicht mehr wenige große Releases von Software, sondern eine „continuous delivery“. Uns gelingt das nur, weil wir junge Menschen möglichst schnell in die Verantwortung bringen. Digitalisierung mit seinen schnellen Veränderungen stellt somit auch neue Anforderungen an Führung im Unternehmen.

Wenn Du Dir die Netzwirtschaft insgesamt, Euren Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was werden die Haupt-Herausforderungen in den nächsten Monaten oder Jahren sein?

Herausforderung für die Gesellschaft, bzw. den Staat:

Auch wenn ich mich vielleicht erst mal lächerlich mache. Ich glaube Angela Merkel hat Recht mit Ihrer Aussage „das Internet ist für uns alle noch Neuland“. Natürlich gibt es viel Erfahrung, tolle Experten und in der Sache ist eigentlich alles klar. Aber in bezug auf unsere Gesellschaft ist der Zeitraum seit der breiten Nutzung des Internets viel zu kurz, als dass wir uns mit all seinen Konsequenzen darauf haben einstellen können. Der Staat ist überfordert, was wie zu regulieren ist. Wir haben seit über 60 Jahren einen Bundesverkehrsminister. Aber das Internet verändert unser aller Leben viel umfassender als es das Auto jemals getan hat. Dennoch wird diese Aufgabe nicht zentral angepackt. Es fehlt das Bewusstsein – in der Gesellschaft insgesamt und daher auch auf politischer Ebene. Ich sehe es auch am Thema Bildung: Digitalisierung bietet auch eine riesige Chance für die Bildung – aber mit Medienkompetenz und flächendeckender Versorgung mit digitalen Lehrmitteln ist es in Deutschland schlecht bestellt.

Herausforderung für die Netzwirtschaft in Deutschland / Europa:

Ich denke, die Rahmenbedingungen sind hier sehr gut. Eher zu gut: Ich sehe als das größte Risiko, dass wir in Deutschland in vielerlei Hinsicht zu saturiert sind. Es gibt Branchen, die seit Jahrzehnten einen internationalen Wettbewerbsvorsprung haben. In dieser Komfortzone lässt es sich zu leicht ausruhen. Doch die Gefahr ist groß. Änderungen im digitalen Geschäft sind disruptiv und sehr viele Unternehmen werden sich einem schier übermächtigen Wettbewerb ausgesetzt sehen, den sie nicht einmal ansatzweise haben kommen sehen.

Herausforderung für unseren Markt:

Das lässt sich kurz fassen: Mut zur Veränderung und zu Neuem Denken. Loslassen, Risiken bewusst eingehen und Unternehmertum im Unternehmen fördern.

Herausforderung für unsere Firma:

Nicht nur wir, sondern alle unabhängigen Software-Anbieter sehen sich einer brachialen Sales-Gewalt US-amerikanischer Anbieter von Cloud-Lösungen gegenüber. Die Versprechen sind gigantisch. Der Nutzen und insbesondere die Flexibilität allerdings häufig viel geringer. Hier wird es entscheidend sein, die Bereiche zu identifizieren, wo Cloud-Lösungen ihre prinzipbedingten Grenzen haben. Wir fahren hier zweigleisig, einerseits mit sehr flexiblen On-Premise-Lösungen und andererseits mit eigenen Cloud-Services, die wir gemeinsam mit Partnern sehr stark auf branchen- und prozessspezifische Bedürfnisse ausrichten.

Was hat Dich bisher am meisten am Internet geärgert, was am meisten gefreut?

Was mich ärgert: Das rigorose Ausnutzen von rechtlichen Grauzonen und der Naivität von Usern für Zwecke der Kommerzialisierung. Das erfordert eben mehr Gestaltungskraft auf politischer Ebene. Keine Sanktionierung, aber eben doch ein besseres Abwägen zwischen wirtschaftlichen Interessen und Bürgerrechten.

Was mich freut: Genau dieselben Mechanismen von offener Dialogführung, die zum „Ausspähen“ genutzt werden können, stärken andererseits Demokratie und Freiheit. Insbesondere verbinde ich hiermit den „Arabische Frühling“ – also die zumindest vom Kern her friedlichen Revolutionen in Tunesien oder Algerien.

Welches „Problem“ (privat oder im Unternehmen) würdest DU gerne von einem Start-up gelöst bekommen?

Nun, genau die Lösung um diese zwei Seiten des Internets besser individuell steuern zu können. Mehr Datenschutz und bessere Persönlichkeitsrechte, aber gleichzeitig die Vorteile des Internets mit Zugang zu relevanten sinnvollen Inhalten.

Zumindest für einen spezifischen Bereich der Digital Economy arbeiten wir schon daran 😉

Gib uns doch bitte eine Empfehlung für…

einen Blog / eine Newsseite / ein Fachmagazin (auch Print), mit dem/der Du Dich zu Fachthemen gerne informierst

https://twitter.com/NiemanLab (um zu verstehen, warum Digital Publishing in USA viel positiver bewertet wird als in Deutschland)

einen Artikel, der Dich in der letzten Zeit am meisten begeistert hat (mit URL)

Als Unternehmer verschaffe ich meinen Kunden einen großen Nutzen – mit Lösungen, die vieles von dem automatisiert, was traditionell Menschen intellektuell leisten. Als Unternehmer, Bürger und Familienvater frage ich mich aber auch ernsthaft, welche Konsequenzen diese Entwicklungen im Extremfall haben werden. Jedem, dem hier die Vorstellungskraft fehlt, empfehle ich das Interview mit dem israelischen Universalhistoriker Yuval Harari in der Süddeutschen Zeitung:

http://www.sueddeutsche.de/digital/universalhistoriker-yuval-harari-wir-werden-gewaltige-ungleichheiten-erleben-1.2337102

ein spannendes Buch, das Dich für Dein Business inspiriert hat

Information Rules – A Strategic Guide to the Network Economy, von C. Shapiro.
Geschrieben 1999. Aber in seinen Grundprinzipien immer noch aktuell!

eine Veranstaltung(-sreihe), auf der Du wirklich etwas dazugelernt hast (und was, bzw. von wem)

Wir arbeiten viel mit Medienhäusern und Fachverlagen. Nicht immer gibt es auf den Branchenkongressen wirklich bahnbrechendes Neues. Aber jüngst hat mich der Vortrag von Christian Blümelhuber auf dem Kongress der Deutschen Fachpresse fasziniert. Da ging es mal nicht um Technik oder Geschäftsmodelle, sondern um die Frage, mit welcher persönlichen Einstellung wir uns den Herausforderungen der Digitalisierung stellen sollten. Viele Menschen sind restlos überfordert, mit der Dynamik und Unsicherheit, welche die Digitalisierung schafft. Auch ich fühle manchmal eine Ohnmacht, nicht „hinterher zu kommen“. Herr Blümlhuber hatte überzeugende, fast trostreiche Antworten. Schwer in weniger Worten zu sagen, aber ich versuche es: was müssen wir tun? Forschen durch Spielen, Führen durch
Losen – und als Drittes: Lieben, als Kompensation für die vielen Veränderungen.

das hilfreichste Tool / die hilfreichste Software für Deine Arbeit

OneNote – auch wenn es von Microsoft ist 😉
Meine persönliche Produktivität wäre ohne so ein Tool gefühlt um einen Faktor 10 geringer.

Mit welchem Experten würdest Du am liebsten einmal 1 Tag zusammenarbeiten, und warum? (Oder von welchem Experten aus Deinem Fachgebiet hast Du bisher am meisten gelernt? Und was war das?)

Ich habe institutionell keine Verbindung ins Silicon Valley. Dort gibt es viele, die an ähnlichen Themen arbeiten wie ich – egal ob Google, Facebook u.a. Ein intensiver Austausch würde mich reizen – weniger um etwas über Technologie zu lernen, sondern vielmehr um zu verstehen, wie radikal dort Geschäftsmodelle gedacht werden, und Dinge einfach gemacht werden, die hier nicht mal gedacht werden dürfen.