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Interview mit Mike Münch – bmpwriters.com

Mike Münch bmpwriters.comWer ist Mike Münch? Bitte stell Dich doch mal kurz vor.

Adaptionsagentur Burton Münch & Partner World Wide Writers. Wir waren in Deutschland die ersten, die mit „Textadaptionen“ ihr Geld verdienten und hatten das Glück, die Anfänge der Globalisierung voll mitzunehmen. Mindestens so wichtig wie der wirtschaftliche Erfolg ist für mich, dass ich bei BMPwriters meine Neugier und mein Interesse an Menschen und Dingen, Psychologie der Verführung und Sprachästhetik ausleben kann.

Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verrate uns doch auch einen kleinen Spleen von Dir.

Ich bin süchtig nach visuellen Reizen, Ästhetik und Schönheit in jedem Aggregatzustand. In einem Office, das ohne Sinn für Farben, Proportionen, Harmonie oder Kontrapunkte gestaltet ist, könnte ich nicht arbeiten. Selbst die unvermeidlichen 08/15-Hotelzimmer unterwegs stürzen mich in die Krise. Lieblosigkeit ist ein Killer (mein Ästhetikfimmel allerdings leider auch …)

Elevator Pitch! Was macht Eure Firma? Und vor allem: was macht ihr am besten, wo liegt Eure Superpower?

Wir steigern das Bruttosozialprodukt! Als Text-Adaptionsagentur unterstützen wir große und mittlere Player dabei, mit ihrer Kommunikation zu punkten, wo es zählt: auf den internationalen Exportmärkten.

Aller Globalisierung und Digitalisierung zum Trotz ist die Welt vielfältig geblieben: unterschiedliche Wertesysteme, Sinn für Humor, ureigene kulturelle Prägungen und Erwartungshaltungen – Dinge, die wir quasi mit der Muttermilch aufgesogen haben und die unbewusst unsere Weltsicht prägen. Deshalb lassen sich Markenwelten und strategische Botschaften nicht mit dem Wörterbuch in einen anderen Kulturkreis transportieren.

Um bei den Menschen da draußen in Kopf und Bauch anzukommen, müssen wir das von Kulturkreis zu Kulturkreis unterschiedliche Grundrauschen durchdringen. Mit Adaptionen (vulgo: Übersetzungen), die sich so lesen, als ob sie an den jeweiligen Zielmärkten von Topkreativen konzipiert und geschrieben worden wären.

Als besonders nützlich erweist sich unsere interkulturelle Aufstellung auch bei der Entwicklung international tragfähiger Namen für Marken, Produkte und Features. Bei der Namensentwicklung gilt es, eine optimale assoziative Strahlkraft für die Zielmärkte unserer Kunden zu schaffen, gleichzeitig aber auch, kulturspezifisch negative Bedeutungen oder Konnotationen auszuschließen. Dabei holen wir natürlich auch urheber- und medienrechtliche Unterstützung an Bord.

Ein rigide vereinheitlichter Auftritt vernachlässigt die Unterschiede internationaler Kulturen. Ein Flickenteppich national eigenständiger Auftritte wiederum schwächt globale Marken (und ist nicht sehr kosteneffizient). Wir gehen einen dritten Weg, der eine optimale Balance beider Positionen anstrebt. Mit (inter)kultureller Intelligenz, Offenheit, Freude am Schreiben und einer konsequenten Ergebnisorientierung.

Unser Leitbild heißt Globales Branding funktioniert am besten, wenn es sich lokal anfühlt. Unser Claim Text sells. Das fasst unsere Mission ganz gut zusammen.

Apropos Superpower: Verrätst Du uns ein „Best Practice“ Beispiel Deiner Firma, wo ihr besonders erfolgreich wart? Was waren Deiner Meinung nach die Erfolgsfaktoren?

Der Deutsche Bahn Konzernclaim Zukunft bewegen bzw. dessen englisches Pendant On track for tomorrow. Das Beispiel veranschaulicht den erklärungsbedürftigen Charakter unserer Arbeit recht gut. Ist das eine Übersetzung? Eine Re-Kreation? Aber egal, wie man es nennt: Unsere englische Idee und die intendierte Message kamen beim damaligen Bahn-Chef Hartmut Mehdorn und international gut an.

Natürlich ist nicht jede Adaption so „freigeschwommen“, manchmal genügen ein paar Einsprengsel, um die jeweilige lokale Zielgruppe abzuholen. Das können Assoziationen sein, das Eingehen auf den jeweiligen Humor, eine Art Verortung. So wie ein bestimmter Geruch Erinnerungen oder Gefühle wecken kann. Auf jeden Fall muss eine Adaption gut geschrieben sein – wobei „gut“ in Deutschland, Frankreich oder China etwas völlig anderes bedeuten kann. One size fits all funktioniert wirklich nur sehr selten.

Wie lebt ihr Digitalisierung in Eurem Unternehmen? In welchem Bereich habt ihr Digitalisierung erfolgreich um- oder eingesetzt?

Außer beim Lunch eigentlich überall: Brainstormen mit Teammitgliedern über Landesgrenzen und Kontinente hinweg, Datenbanken für Terminologie und interkulturelle Besonderheiten, Kollaborations-Tools, Agenturmanagementsoftware, Online-Befragungen, Recherche …

Wenn Du Dir die Netzwirtschaft insgesamt, Euren Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was werden die Haupt-Herausforderungen in den nächsten Monaten oder Jahren sein?

Herausforderung für die Gesellschaft bzw. den Staat:

Ich befürchte die Herausbildung einer Art digitalen Nomadentums. Nicht, dass ein Leben ohne „Scholle“, dafür aber mit wechselnden Zugehörigkeiten nicht möglich wäre (der Futurologe Alvin Toffler hat schon in den Siebzigern in seinem Buch Future Shock einen Lebensentwurf ohne traditionelle Fixpunkte wie Heimat, Familie, lebenslange Beschäftigungsverhältnisse skizziert). Aber ähnlich wie das an die Stelle des persönlich verantwortlichen Ur-Kapitalisten getretene anonym vagabundierende Kapital ein Verantwortungsvakuum hinterlassen hat (allen CSR-Bekundungen zum Trotz steht maximaler Shareholder Value im Fokus moderner AGs), könnte auch der Verlust der „physischen Verortung“ auf Individualebene eine weitere Fragmentierung der Gesellschaft zur Folge haben. Hoffentlich spielt mir hier nur mein gelegentlicher Kulturpessimismus einen Streich …

Herausforderung für die Netzwirtschaft in Deutschland:

Über den nationalen Tellerrand zu schauen. Auch wenn Audi, BMW, Mercedes‑Benz, Porsche und VW in Sachen Automobil (noch!) den Ton angeben: Wir sind nicht das Maß der Dinge.

Herausforderung für unseren Markt:

Der von Übersetzungsprogrammen, virtuellen Dolmetschern etc. genährten Illusion entgegenzutreten, dass „Übersetzung“ eine bloße Commodity sei.

Zumindest in unserem Spielfeld braucht es neben Copywriting-Skills auch solide interkulturelle und marktpsychologische Kompetenz, damit die internationale Umsetzung von national konzipierten Marketing- und Werbemaßnahmen richtig funktioniert.

Herausforderung für unsere Firma:

Einen Bewusstseinswandel einzuleiten. Das Radar vieler deutscher Entscheider hat in Sachen internationale Kommunikation einen blinden Fleck, der die Marketingpower und die Wunsch-Wahrnehmung deutscher Unternehmen im Ausland schwächt – also da, wo die Musik spielt.

Wer seine Zielmärkte in Kopf und Bauch erreichen und seine Spendings optimal hebeln will, sollte seine Experten für den kommunikativen und kulturellen (!) Brückenschlag am besten von Anfang an auf Augenhöhe in die nationale Kommunikation einbinden. Wir nennen das Cultural Intelligence.

Abgesehen davon muss ich entscheiden, ob wir unsere immer noch sehr beliebte Flash-Website (www.BMPwriters.com) durch eine schon sehr weit gedachte Mischform aus Blog und Website ersetzen. Meinungen aus der Community sind sehr willkommen! (mike@BMPwriters.com)

Was hat Dich bisher am meisten am Internet geärgert, was am meisten gefreut?

Klasse finde ich, dass mir durch Food-Blogs und TripAdvisor die schlimmsten Überraschungen erspart bleiben, egal wohin ich auch reise. Schade, dass das mit dem Beamen immer noch nicht funktioniert – aber Alphabet arbeitet bestimmt schon dran …

Welches „Problem“ (privat oder im Unternehmen) würdest DU gerne von einem Start-up gelöst bekommen?

Dass jemand unser gesammeltes interkulturelles Research und Wissen in eine Anwendung packt, die dann auf Unterschiede zwischen verschiedenen Märkten bzw. Zielgruppen aufmerksam macht. Das könnte alles Mögliche sein, von der Zahlenkombination auf einem Nummernschild („444“ beispielsweise steht in China für „stirb!“) über den Stellenwert von Konsumobjekten (Lifestyle vs. sozialer Status oder praktischer Nutzwert bei Autos beispielsweise) und lokale Aussprachen mit unerwünschten Konnotationen („M-R-deux“ klingt französisch-flott ausgesprochen wie „merde“ – deshalb hieß der Toyota „MR2“ in Frankreich nur „MR“) bis hin zu komplexeren Unterschieden. Denn ob San Francisco, Stuttgart oder Shanghai: Menschen denken, fühlen, lachen, erinnern anders.

Dabei geht es keinesfalls nur um die Vermeidung interkultureller Fettnäpfchen, sondern vor allem auch um die Einbringung identifikationsstiftender Elemente. Nur wer sich im Kern angesprochen fühlt, lässt sich von einer Message, einem Produkt, einer Marke begeistern. Denn ob wir wollen oder nicht: Am Ende (und am Anfang) entscheidet der Bauch.

Gib uns doch bitte eine Empfehlung für …

einen Blog, mit dem Du Dich zu Fachthemen gerne informierst

http://blog.gfk.com/. Ohne Blah, gut recherchiert und statistisch perfekt untermauert. Und – manchmal liegt das Gute so nah – von der Gesellschaft für Konsumforschung aus Nürnberg frisch auf den Tisch.

einen Artikel, der Dich in der letzten Zeit am meisten begeistert hat

http://firstround.com/review/Powerful-Tips-from-Techs-Top-Media-Trainer-and-Speaking-Coach/

ein spannendes Buch, das Dich für Dein Business inspiriert hat

Alle, die effizienter mit Menschen aus anderen Kulturen kommunizieren wollen – sei es im Marketing, als Unternehmensstratege, Werber oder Arbeitgeber – werden sich und die Welt nach der Lektüre von The Culture Map (Erin Meyer) anders sehen. Und mehr erreichen.

Horizonterweiternd, wenn auch nicht so gerichtet, ist Tao: The Watercourse Way. Alan Watts hat mir den Daoismus als eine der drei Lehren (Konfuzianismus, Daoismus und Buddhismus) nähergebracht, die tief in der chinesischen Sprache und Alltagskultur verwurzelt sind. Tao prägt die östliche Wahrnehmung der Welt ebenso stark wie (nolens volens) der „christlich-abendländische“ Hintergrund den Westen.

eine Veranstaltung, auf der Du wirklich etwas dazugelernt hast

Das war eine Konferenz über Künstliche Intelligenz, die ich vor 25 Jahren als Simultandolmetscher mitbetreut habe. Ganz abgesehen von den Inhalten war es eine Begegnung mit der KI-Koryphäe aus Kalifornien, die das Credo meiner heutigen Agentur mitgeprägt hat. Auf meine zwischen Bier und Bockwurst geäußerte Überlegung, warum er sich im Gegensatz zu seinen deutschen Kollegen so unangestrengt verdolmetschen ließe, antwortete er: „Meinen Job als Redner habe ich nur dann gut gemacht, wenn mich auch die zufällig anwesende Putzfrau versteht.“ Welch ein Gegensatz zum Profilgehabe vieler deutscher Akademiker, die meinen, Nicht-Verstandenwerden wäre ein Beweis für intellektuelle Tiefe.

Diese Begegnung hat mir vor Augen geführt, wie groß die Unterschiede zwischen Kulturen jenseits des rein Sprachlichen sein können. Und meine Zukunft wesentlich beeinflusst.

das hilfreichste Tool für Deine Arbeit

Skype, weil ich damit face-to-face mit unseren weltweiten Teams kommunizieren kann – wenn doch nur jemand das Problem mit den Zeitzonen lösen würde.

Von welchem Experten aus Deinem Fachgebiet hast Du bisher am meisten gelernt?

Wir hatten das große Glück, mit einer Reihe großer Kreativer zu arbeiten, angefangen bei Kaderschmieden wie GGK Düsseldorf („schreIBMaschinen“) und HSR&S (Daimler und Nikon) über Springer & Jacoby, Jung von Matt, Heimat, Philipp und Keuntje, Ogilvy & Mather und BBDO bis hin zu thjnk. Danke: Mehr Inspiration geht kaum!