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Interview mit Johannes F. Woll – socialevent.de / miitya.com

Johannes F. Woll socialevent.de / miitya.comWer ist Johannes F. Woll? Bitte stell Dich doch mal kurz vor.

Ich bin Münchner. An Grant hob i a. Soll heißen: Ich habe keine Lust mehr auf Verrenkungen, auf Verstellungen, auf’s Verbiegen. Ich bin mit fortschreitendem Alter ein immer größerer Freund des Direkten, Authentischen. Hier in München (und ich zähle den Speckgürtel mit) aufgewachsen, zur Schule, zur Uni gegangen. Währenddessen alle Jobs (wirklich alle: vom Tellerwäscher, über Telefonakquise, Krankenhauspfleger, Bestatter, Bauarbeiter, Konditor, Bartender etc.) mal gemacht. Schließlich nach Studium der Philosophie (für’n Geist), der Politischen Wissenschaften (für’n Verstand), der Psychologie (für’s Herz), der Statistik (für’n Ar…) und diverser anderer Fächer die klassische Verlagslaufbahn eingeschlagen (wir sind immer noch in München) und über Anzeigenverkauf, Außendienst, Vertrieb, Marketing, Herstellung und Programmleitung und energischen Frontenwechsel (Verlag / eigene Agenturen / Beratungsunternehmen) zu dem, was ich heute tue. Meine Leidenschaft und meine Kinder machen mich zu dem, was ich bin.

Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verrate uns doch auch einen kleinen Spleen von Dir.

Spleens? Da muss ich passen. Ich sammle weder Bierdeckel noch habe ich ein ausgeprägtes Faible für Krokoschuhe. Ich würde mich eher als Sammler spannender Begegnungen mit aufrichtigen und interessanten Menschen bezeichnen. Ich sammle gute Gespräche, liebe gutes Essen, guten Wein, gute Musik. Bin förmlich süchtig nach guter Gesellschaft. Das ist mir Antrieb und Ablenkung. Und ja, da bin ich Genussmensch. Wie ich das mache? Es braucht wohl eine Art Klassensprechermentalität. So organisiere ich seit 2004 jährlich zwischen 20 und 30 Events. Und bringe mir Begeisterung Menschen zusammen.

Elevator Pitch! Was macht Eure Firma? Und vor allem: was macht ihr am besten, wo liegt Eure Superpower?

Social Event lautet: We’re Creating Touchpoints.

Mit unseren Business-Events schaffen wir Anlässe für Begegnungen: Unter Business Professionals und zwischen Nutzern und Marken. Social Event hat die XING Events innoviert und ist autorisierter Partner zur Vermarktung offizieller XING-Gruppen mit den Zielen Audience Building und Lead Generierung.

Dann unterstützen und begleiten wir Unternehmen bei Transformationsprozessen. Wir können uns immer dann einbringen, wenn Angebote und Nutzer harmonisiert werden sollen. Und das jeweils digital und dialogisch getrieben ist.

miitya. The Instant Meeting App. Unser Flagschiffprojekt markiert die Social Networks der Zukunft: Die App zeigt dem Nutzer, wo sich seine persönlichen Kontakte aus seinem Adressbuch aufhalten und wie sie sich bewegen. Darüber hinaus sieht er andere miitya-Nutzer, die für ihn relevant sein könnten. Jeweils in Echtzeit. Dabei hat jeder Nutzer maximale Souveränität über seine Daten, seine Standortinformationen und seine Sichtbarkeit. miitya gibt es für iOS und Android als Freemium-Version für den persönlichen und als Premium-Version für den geschäftlichen Gebrauch. Und als White Label Lösung für Verbände, Vereine, Messen, Arbeitgeber und Marken.

Unsere Super-Power (was für ein mächtiger Begriff) liegt in unserer kreativen, nutzerfokussierten und agilen Vorgehensweise. Wir arbeiten nach Lean Startup-Methoden und bringen eine sehr hohe Umsetzungs- und Implementierungskompetenz mit. Simply hands on!

Apropos Superpower: Verrätst Du uns ein „Best Practice“ Beispiel Deiner Firma, wo ihr besonders erfolgreich wart? Was waren Deiner Meinung nach die Erfolgsfaktoren?

Unsere größte Erfolgsgeschichte ist wohl die Innovation der XING Events. Im Frühjahr 2004 organisierten wir sehr hemdsärmelig den allerersten Offline-Event über die Plattform, die damals noch openBC hieß. Binnen kürzester Zeit hatten wir nicht nur zig Nachahmer, wir brachten auch regelmäßig die Server in Hamburg zum Absturz, wenn wir zu unseren legendären openBC-Stammtischen luden und die Anzahl der Nutzer online sich nahezu verdoppelten. Die Geschäftsleitung wollte das unterbinden „wir machen nur online, nicht offline“, bis wir Lars Hinrichs im Frühjahr 2005 zu einem Event nach München luden, zu dem mehr als 500 Gäste kamen. Erfolgsfaktor? Das gab es vorher einfach noch nicht. Seit dem gibt es die offiziellen XING-Events (mehr als 150.000 Events werden p.a. über die Plattform organisiert) und das Ambassadorprogramm (Markenbotschafter) in DACH, das vielen Unicorns (z.B. AirBnB) als Vorbild dient. Wir brachten amiando und XING zusammen. Seit 2010 ist der Online Ticketservice eine hundertprozentige XING-Tochter. Und die von uns innovierten XING-Events eine feste Erlössäule des börsennotierten Unternehmens. Wir selber haben in den über 10 Jahren mehr als 300 Veranstaltungen organisiert und summarum fast 60.000 Teilnehmer mobilisiert, zusammengebracht und so Freundschaften, Arbeitsverhältnisse, Kollaborationen, sogar Ehen gestiftet. Unser Motto wurde Claim der offiziellen XING Events: Persönliches zählt. Geschäftliches ergibt sich. Wie im richtigen Leben.

Wenn Du Dir die Netzwirtschaft insgesamt, Euren Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was werden die Haupt-Herausforderungen in den nächsten Monaten oder Jahren sein?

Herausforderung für die Gesellschaft, bzw. den Staat (Anm: ich kann und will hier nicht zwischen Gesellschaft und Netzwirtschaft differenzieren müssen):

Deutschland ist leider immer noch Neuland. Stichwort: Datenschutz, Netzabdeckung, Breitband, Gründer- und Investorenspirit. Wir brauchen eine Kultur des Versuchens, des Scheiterns, des Neuanfangs, des Vertrauens. Wir müssen in Chancen denken können, nicht in Hindernissen. Ich bin für Bürokratieabbau und Netzaufbau. Wenn das an unserem Standort nicht bald erfolgt, werden digitale Trends zukünftig nicht in Europa gesetzt werden.

Herausforderung für unseren Markt:

Wir setzen unseren Schwerpunkt in den Bereichen Location Based Services und Marketing Automation. Obwohl wir da am Anfang stehen, geht das gerade beides durch die Decke. Eine von Google beauftragte und von Oxera durchgeführte Studie beziffert den Markt für „Geospatial technology services“ auf 150 bis 270 Mrd $US. Damit ist der Markt größer als die gesamte Videospielindustrie. Mehr noch: Diesem Markt sind jährliche Wachstumsprognosen von durchschnittlich 30 Prozent prognostiziert. Echtzeit und Kontextualität werden immer relevanter.

Herausforderung für unsere Firma:

So viele Herausforderungen: First time to Market. Effizientes Ressourcenmanagement (People & Money). Da geht es gleichermaßen um’s Finden, Halten und Binden. Und schließlich: Die goldene Mitte zwischen Fokussierung und Diversifizierung finden. Sich selber immer wieder disrumpieren. Und bei alledem Mensch bleiben. Für mich persönlich?

Was hat Dich bisher am meisten „am Internet“ geärgert, was am meisten gefreut?

Tim Berners-Lee, der Erfinder der HTML und Inventor des Internets, soll gesagt haben, „The Internet is about the interaction between people“. So habe ich das in den Anfängen auch erlebt. Heute steht das Internet oft nur für eine Neuinterpretation der Kleinanzeige. Im sinnlosen Kampf um Reichweite geht es fast nie um Relevanz, um Kontextualität. Ich weiß aber sehr wohl, dass das nur eine Momentaufnahme ist. Wenn Produkte, Inhalte und Profile miteinander intelligent verknüpft sein werden, wird das laute Hintergrundrauschen abnehmen. Darauf freue ich mich! Internet bedeutet aber auch eine Demonopolisierung. Der Kuchen der Awareness wird immer wieder auf’s Neue gebacken und verteilt. Nicht der Lauteste wird hier als Sieger hervorgehen, sondern derjenige, der wirklich was zu sagen, anzubieten hat. Und dann freut es mich, dass die Welt enger zusammenwächst. Aber neben den ganzen Globalisierungstendenzen auch eine neue Regionalisierung, ein erfrischender Föderalismus als Gegenströmung erwacht. Ich meine das nicht politisch. Sondern insbesondere in interkultureller, wirtschaftlicher und auch ökologischer Hinsicht.

Gib uns doch bitte eine Empfehlung für…

einen Blog / eine Newsseite / ein Fachmagazin, mit dem/der Du Dich zu Fachthemen gerne informierst

turi2.de spart mir täglich die Lektüre unzähliger Blogs und Medien zu Media & Marketing. Er hat ein gutes Händchen für kuratierten Inhalt, der mein Informationsbedürfnis trifft.

Unter allen Alphabloggern sind für mich Richard Gutjahr und Klaus Eck die relevantesten. Vielleicht, weil sie Inhalte mit journalistischem Gespür und der notwendigen Subtilität aufbereiten. Ohne Geschrei.

einen Artikel, der Dich in der letzten Zeit am meisten begeistert hat

Ein Artikel, der mich überraschte, ja sogar berührte, war das Interview mit Sarah Connor, in der sie über ihre Beweggründe für die Aufnahme einer syrischen Flüchtlingsfamilie berichtete und von ihren Erfahrungen und Erlebnissen berichtete. Nicht nur, weil das eine großartige Tat ist. Sondern, weil ich das dieser Frau nicht zugetraut hätte. Ich habe mich für mein Schubladendenken geschämt.

ein spannendes Buch, das Dich inspiriert hat

Gunter Duecks Schwarmdumm. Wild Duck geht mit den gestrigen Unternehmen so wunderbar ins Gericht. Das Buch hat so viel Wahrheit. Und sollte zur Pflichtlektüre jedes Entscheiders – ach was sage ich: jeder Person, die mit Menschen zu tun hat – gehören.

eine Veranstaltung(-sreihe), auf der Du wirklich etwas dazugelernt hast 

Das Gründerfestival bits&pretzels, das Ende September zum dritten Mal in München stattfand. Wir durften das als Partner begleiten. Unglaublich, mit welcher Professionalität und Leidenschaft die Jungs (Andi Bruckschlögl, Bernd van Storm und Felix Haas) das auf die Beine gestellt haben. Tolle Sprecher, großartige Kontakte, inspirierende Gespräche und ein wirklich cooles Rahmenprogramm. Ich habe selten so viel in so kurzer Zeit mitnehmen dürfen.

das hilfreichste Tool / die hilfreichste Software für Deine Arbeit 

Trello und Yammer.

Mit welchem Experten würdest Du am liebsten einmal 1 Tag zusammenarbeiten, und warum? Oder von welchem Experten aus Deinem Fachgebiet hast Du bisher am meisten gelernt? Und was war das?

Wenn ich diese Frage philosophisch beantworten sollte, dann würde ich sagen, von den Menschen, in denen ich mich immens täuschte. Weil sie mich positiv überraschten oder massiv enttäuschten.

Ganz konkret: Die zwei aus meinem Netzwerk, die sich und ihre Unternehmung immer wieder neu erfinden: York von Heimburg, Vorstand der IDG und Dieter Reichert, Vorstand von censhare. Sie leben die Kraft der kreativen Zerstörung. Jeden Tag auf’s Neue.

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