interview

Interview mit Joachim Braun – Frankfurter Neue Presse

Joachim Braun Frankfurter Neue PresseWer ist Joachim Braun? Bitte stell Dich doch mal kurz vor.

Frankfurter Neuen Presse.

Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verrate uns doch auch einen kleinen Spleen von Dir.

blogge darüber.

Elevator Pitch! Was macht Eure Firma? Und vor allem: was macht ihr am besten, wo liegt Eure Superpower?

Ganz einfach: Ehrliches, journalistisches Handwerk. Schreiben was ist, ohne Rücksicht auf persönliche Interessen. Den Finger in die Wunde legen. Damit leben, angefeindet zu werden.

Und das auch noch im digitalen Zeitalter: Meine Redaktion – ich spreche hier von meiner ehemaligen, der in Bayreuth – ist stolz darauf, digitale und analoge Kanäle gleichwertig und entsprechend den Anforderungen der Nutzer zu bedienen. Unsere neue Website nordbayerischer-kurier.de ähnelt mehr der von Digitalportalen als der klassischer Verlage und richtet sich an den Bedürfnissen der Leser aus.

In Frankfurt, bei der FNP, starten wir den Change-Prozess jetzt.

Wie lebt ihr Digitalisierung in Eurem Unternehmen? In welchem Bereich habt ihr Digitalisierung erfolgreich um- oder eingesetzt?

Der Nordbayerische Kurier arbeitet seit knapp einem Jahr online to print, soll heißen: Die Reporter bedienen die digitalen Plattformen, und die Blattmacher produzieren am Ende des Tages aus den besten digitalen Inhalten die Zeitung. Das erfordert neben einer intensiven Planung, dem Bewusstsein für wertigen Content, dem Verständnis für Nutzerinteressen auch eine veränderte Betrachtung der Inhalte. Der klassische Aufmacher ist tot, die Kollegen definieren die Themen entsprechend ihrer digitalen Umsetzung, danach ob sie aktuell sind, ob es von uns fortgeführte Themen sind oder ob der Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung egal ist.

Dem entspricht auch die mobiloptimierte Website mit vier Titelseiten: Aktuell, Meist gelesen, Mein Kurier und Kartendarstellung.

Wenn Du Dir die Netzwirtschaft insgesamt, Euren Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was werden die Haupt-Herausforderungen in den nächsten Monaten oder Jahren sein?

Herausforderung für die Gesellschaft, bzw. den Staat:

Die Spaltung zwischen Digital Natives und Digitalverweigerern zu überwinden und die Chancen des Wandels zu sehen. Wir brauchen bessere Chancen für Startups und mehr Digitalversteher an den Schlüsselpositionen von Politik und Wirtschaft, um zu agieren und nicht nur zu reagieren.

Herausforderung für die Netzwirtschaft in Deutschland / Europa:

Bisher sind wir extrem abhängig von den Ideen und der Entwicklung in den USA. Die angelsächsischen Werte sind aber andere als unsere, wie das Beispiel Persönlichkeitsrechte zeigt. Das schafft unseren Digitalen Chancen und Freiräume, die sie allerdings zu nutzen lernen müssen.

Herausforderung für unseren Markt:

In vielen Zeitungsverlagen herrscht Angst und Verzagtheit, statt Aufbruchsstimmung und Experimentierdrang. Das hat auch damit zu tun, dass die alte Idee von der Zeitung als Generalanzeiger auf Dauer keine Chance haben wird, weil die Menschen nur für Inhalte zahlen werden, die für sie wichtig, interessant und nützlich sind. Nur wenn wir Zeitungen im Digitalen attraktivere Inhalte anbieten, können wir auch erwarten, dass wir für Werbetreibende weiterhin attraktiv sind. Viele Redaktionen, wenn nicht sogar die meisten, haben das bis heute nicht verstanden und meinen, es genügt, die bisherigen Print-Inhalte einfach ins Netz zu kippen. Daraus aber wird sich niemals ein Geschäftsmodell entwickeln lassen.

Herausforderung für unsere Firma:

Auch beim Nordbayerischen Kurier fehlt es noch abteilungsübergreifend am Verständnis für die veränderten Anforderungen des Digitalen. Will sagen, im regionalen Markt können wir digitale Inhalte nur ungenügend vermarkten. Ein zweites Problem ist die Skalierbarkeit. Der lokale Markt ist einfach zu klein, und die Erlöse decken die notwendigen Investitionen für Entwicklung und Vermarktung digitaler Produkte kaum. Hier helfen nur Kooperationen im großen Stil. Das Plus der Lokalzeitung ist natürlich die gute Marktkenntnis.

Was hat Dich bisher am meisten „am Internet“ geärgert, was am meisten gefreut?

Puh, was für eine Frage: Am meisten freut mich, wie sich mein eigener Wissenshorizont durch den Austausch in sozialen Medien erweitert hat. Was mich extrem ärgert, ist die Dummheit und die Unverschämtheit von Nutzern gerade in sozialen Netzwerken, die Meinung mit Fakten verwechseln und ohne jeden Respekt vor den anderen Nutzern rumpöbeln.

Gib uns doch bitte eine Empfehlung für…

  • einen Blog / eine Newsseite / ein Fachmagazin, mit dem/der Du Dich zu Fachthemen gerne informierst

Ach, da gibt es viele. Herausheben mag ich keinen. Der Newsletter von wired.de bringt mich morgens auf den neuesten Stand.

einen Artikel, der Dich in der letzten Zeit am meisten begeistert hat

Der Innovation-Report der NYT ist zwar schon ein bisschen angestaubt, aber hierzulande immer noch äußerst aktuell.

Einer, der verstanden hat, um was es geht, ist RP-Chefredakteur Michael Bröker. Sein Projekt eines Listening-Centers finde ich extrem gut:

http://meedia.de/2015/09/15/social-media-first-chefredakteur-michael-broecker-ueber-den-digitalen-kulturwandel-bei-der-rheinischen-post/

  • ein spannendes Buch, das Dich inspiriert hat

Christoph Keese „Silicon Valley“, keiner erklärt besser als der Springer-Manager, wie sich die News-Industrie verändert

eine Veranstaltung(-sreihe), auf der Du wirklich etwas dazugelernt hast (und was, bzw. von wem)Die von Annette Milz („Medium Magazin“) organisierten „Chefrunden“, bei denen sich leitende Redakteure verschiedener Medien in aller Offenheit austauschen. Mein persönlicher Höhepunkt war eine fünftägige New-York-Reise der Chefrunde im Sommer 2015 mit Besuchen vieler alter und neuer Medienunternehmen

das hilfreichste Tool / die hilfreichste Software für Deine Arbeit

Immer noch Facebook

Mit welchem Experten würdest Du am liebsten einmal 1 Tag zusammenarbeiten, und warum?

Uwe Vetterick, Chefredakteur der Sächsischen Zeitung in Dresden und gerade vom Medium-Magazin zum „Regional-Chefredakteur des Jahres“ gewählt, baut gerade seine Organisation nach digitalen Bedürfnissen um. Das möchte ich mir gerne näher anschauen.