interview

Frank Pfeiffer – Polytel International

Frank Pfeiffer Polytel InternationalWer ist Frank Pfeiffer? Bitte stell Dich doch mal kurz vor.

Polytel International GmbH in Hamburg. Mein beruflicher Fokus liegt auf Strategieentwicklung, New Business und Business Development. Meine Spezialthemen sind Online-Marketing, Gaming, Gambling und Smart TV.

Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verrate uns doch auch einen kleinen Spleen von Dir.

Ich bin ein großer Fan von Trash TV. Fremdschämen finde ich gut 🙂

Elevator Pitch! Was macht Eure Firma? Und vor allem: was macht ihr am besten, wo liegt Eure Superpower?

Polytel ist Spezialist für cross-mediales Direktmarketing. Unser Fokus liegt auf Newsletter-Marketing, das wir zentral über unsere selbst entwickelte Software steuern und verwalten.

Apropos Superpower: Welches Best Practice Beispiel in Deiner Branche hat Dich besonders fasziniert und warum?

Die Steigerung der Werbeeffizienz bei Kraft Foods durch Marketing Automatisation. Der US-Lebensmittelkonzern unterhält 100 Websites für seine Marken und kommt damit pro Jahr auf 100 Millionen Unique User und 1 Mrd. Cookies. Das ist natürlich ein gewaltiges Käuferpotenzial. Kraft erschließt es sich, indem es erstens unterschiedliche Datenquellen (z.B. Big Data und Contentmarketing) in einer zentralen Datenmanagement-Plattform zusammenführt und verknüpft, diese vielfältigen Daten dann zweitens für das Anlegen und die Verfeinerung von Persönlichkeitsprofilen seiner User nutzt, um den einzelnen User schließlich drittens über das Ausspielen von für ihn relevanten Content sowie den automatisierten Einkauf und das automatisierte Ausspielen von Werbung zielgenau anzusprechen und in einen Käufer zu wandeln. In einem Test im 1. Halbjahr 2013 konnte z.B. das Kaffeesystem „Tassimo“ durch den Einsatz dieser Marketing Automatisation einen um 34 Prozent höheren Return aus den Werbeausgaben erzielen und arbeitet inzwischen ausschließlich mit Marketing Automatisation. Viele andere Marken von Kraft sind diesem Beispiel mittlerweile gefolgt und setzen ebenfalls auf diese Lösung.

http://www.absatzwirtschaft.de/marketing-automation-bei-kraft-foods-vom-rezept-zum-cookie-57659/)

Wie lebt ihr Digitalisierung in Eurem Unternehmen? In welchem Bereich habt ihr Digitalisierung erfolgreich um- oder eingesetzt?

Unser Geschäftsmodell ist auf Digitalisierung aufgebaut. Wir leben sie also praktisch jeden Tag. Für unsere Kunden konzipieren wir digitale Kampagnen und deklinieren sie für das stationäre und mobile Internet durch. Vor allem im Bereich Newsletter-Marketing.

Wenn Du Dir die Netzwirtschaft insgesamt, Euren Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was werden die Haupt-Herausforderungen in den nächsten Monaten oder Jahren sein?

Herausforderung für die Gesellschaft, bzw. den Staat:

Herausforderung ist, den Prozess der fortschreitenden Digitalisierung und Automatisierung (Stichworte: Big Data, Internet der Dinge, 4. industrielle Revolution) so zu gestalten, dass er demokratisch und sozialverträglich bleibt. Positiv an dieser Entwicklung ist meines Erachtens, dass es leichter wird, die öffentliche Verwaltung bürgernäher zu gestalten (man muss z.B. nicht mehr zum Amt gehen, sondern kann viele Dinge bequem von zu Hause aus online erledigen) und basisdemokratische Entscheidungsprozesse (z.B. Volksentscheide) per digitaler Abstimmung einfacher herbeizuführen. Auch der Technologiestandort Deutschland kann durch Digitalisierung und Automatisierung profitieren. Auf der anderen Seite gilt es aber auch, einen Überwachungsstaat zu verhindern und die Arbeitswelt so zu organisieren, dass es nicht zu einem massenhaften Arbeitsplatzabbau kommt.

Herausforderung für die Netzwirtschaft in Deutschland / Europa:

Eine Herausforderung ist sicherlich die Regulierungssucht europäischer und deutscher Bürokratien (z.B. Vorratsdatenspeicherung, Leistungsschutzrecht, überzogene rechtliche Bestimmungen im Online-Marketing). Eine weitere ist die marktbeherrschende Stellung US-amerikanischer Konzerne wie Google, Facebook, Amazon und Ebay. Deutsche und europäische Firmen aus allen Sparten sind hiervon betroffen. Sie müssen sich warm anziehen und kluge Strategien entwickeln, um sich gegen die Konkurrenz aus Übersee zu behaupten. Der Kauf der digitalen Karten-Sparte von Nokia durch BWM, Audi und Daimler oder der Aufbau eines eigenen Werbenetzwerks durch Otto sind gute Beispiele, wie dies gelingen kann.

Herausforderung für unseren Markt:

Die Herausforderung für die Medien- und Marketingbranche in Deutschland besteht darin, von dem momentanen zielgruppenorientierten Denken wegzukommen und stattdessen die Bedürfnisse des einzelnen Nutzers in den Mittelpunkt zu stellen. Der User soll in seinem Bedarf und seinen Wünschen optimal erkannt und abgeholt werden. Er soll Angebote genau in dem Moment bekommen, in dem er auch bereit ist, sie zu nutzen. Werbung und Angebote müssen also viel individueller werden als sie es heute sind.

Herausforderung für unsere Firma:

Ein Multi Device Marketing anzubieten, das kundenzentriert ist und die Bedürfnisse des einzelnen Users optimal erfüllt.

Was hat Dich bisher am meisten am Internet geärgert, was am meisten gefreut?

Mich ärgert am meisten, dass sich das Internet mit zunehmender Geschwindigkeit von einer ehemals offenen und anarchischen Plattform zum Big Brother wandelt. Und das mit tatkräftiger Unterstützer eines Großteils seiner User. Diese Leute gehen viel zu oft viel zu sorglos mit ihren Daten um und erkennen gar nicht, dass sie hemmungslos von großen Technologie-Konzernen und staatlichen Stellen manipuliert und ausspioniert werden. Wir müssen auf der Hut sein, dass aus Big Data nicht Big Brother wird!

Am meisten freut mich, dass das Internet nach wie vor Treiber neuer Erfindungen, Entwicklungen und Möglichkeiten ist. Es ist ein unerschöpflicher Quell an Informationen, Entertainmentangeboten und neuen Geschäftsmöglichkeiten.

Welches „Problem“ (privat oder im Unternehmen) würdest DU gerne von einem Start-up gelöst bekommen?

Na ja, Problem würde ich das nicht unbedingt nennen, was mich dazu umtreibt. Ich warte immer noch auf ein Start Up, das den Profi-Fußballclub „FC Web“ gründet und ihn mit Hilfe der Crowd finanziert und managt. Das ist eigentlich eine alte Idee, die ein Freund und ich schon vor 10 Jahren hatten. Heute könnte man das vielleicht „Social Football“ nennen und eine Brücke zwischen virtueller und realer Welt schlagen. Idee: Das Start Up schließt sich mit einem Verein aus der 4. oder 5. Liga zusammen, holt sich die Finanzierung über Crowdfunding, Mitgliedsbeträge, Sponsoring etc. und gibt den Vereinsmitgliedern umfassende Mitbestimmungsrechte in puncto Spielereinkauf, Mannschaftsaufstellung, Taktik, Stadionausbau usw. Ziel für den „FC Web“ ist es, in die 1. Bundesliga aufzusteigen und sich dort auch zu halten. Also ähnlich, wie bei einem Fußballmanager-Spiel, aber mit dem großen Unterschied, dass hier nicht der Einzelne, sondern alle Vereinsmitglieder gefragt sind und in der Verantwortung stehen. Damit nicht totales Chaos ausbricht, haben die Mitglieder in erster Linie beratende Funktion für den Trainerstab und das Club-Management. Diese beiden Organe haben am Ende des Tages dann die Entscheidungshoheit in ihren jeweiligen Fachbereichen.

Also: Wer gründet den „FC Web“ und startet die Kickstarter-Kampagne 🙂 ?

Gib uns doch bitte eine Empfehlung für…

einen Blog / eine Newsseite / ein Fachmagazin (auch Print), mit dem/der Du Dich zu Fachthemen gerne informierst

Eine Empfehlung reicht nicht. Ich möchte gerne 3 Newsletter nennen:

turi2 – für die tagesaktuelle Übersicht und Entwicklung der Medienszene

t3n – von den „digital pioneers“ – für neue Trends im Online-Marketing, der Name ist hier Programm

iBusiness – für Hintergrundberichte und Analysen in der Digitalbranche

einen Artikel, der Dich in der letzten Zeit am meisten begeistert hat (mit URL)

„Was unterscheidet Werbung und Kunst?“
Artikel über die Werbestrategie des Red-Bull-Gründers Dietrich Mateschitz. Für mich ist er einer der größten Marketing-Visionäre.

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/marketing-was-unterscheidet-werbung-und-kunst-13728869.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

ein spannendes Buch, das Dich für Dein Business inspiriert hat

Alexander von Humboldt: Abenteurer, Forscher, Universalgenie (Autor: Rainhard Barth).

Biografie über Alexander von Humboldt. Mich fasziniert an ihm seine Neugier und sein unendlicher Wissensdurst, seine Fähigkeit, über den Tellerrand zu schauen und neue Zusammenhänge zu entdecken, sein Wagemut und sein Enthusiasmus für seine Projekte.

eine Veranstaltung(-sreihe), auf der Du wirklich etwas dazugelernt hast (und was, bzw. von wem)

newTV Kongress 2014 (Hamburg): Vortrag von Arnd Benninghoff (damals Chief Digital Officer von ProSiebenSat1) zur Digitalstrategie von P7S1

das hilfreichste Tool / die hilfreichste Software für Deine Arbeit

Unsere selbst entwickelte Software, die sowohl die Produktion und Verwaltung von rechtssicheren E-Mail-Adressen zulässt als auch das Tracking und Reporting von Kampagnen. Darüber hinaus ist auch noch ein eigenes Affiliate-Programm und eine Finanzverwaltung integriert. Also ein mächtiges Tool, mit dem wir stets alles sicher und schnell im Griff haben.

Mit welchem Experten würdest Du am liebsten einmal 1 Tag zusammenarbeiten, und warum?

Mit Thomas Ebeling, Chef von ProSiebenSat.1. Zu seinem Amtsantritt wurde er als Branchenneuling noch von vielen sogenannten Medienexperten skeptisch betrachtet. Aber er hat seine Kritiker eines Besseren belehrt. Vielleicht hat ihm gerade sein unverstellter Blick geholfen, aus einem schlingernden TV-Konzern ein hochprofitables Unternehmen zu formen. Er hat jedenfalls frühzeitig die Risiken, aber auch die Chancen des Internets für sein Kerngeschäft erkannt und war mutig genug, die digitale Transformation seines Medienhauses einzuleiten und konsequent voran zu treiben. Leider alles andere als eine Selbstverständlichkeit in der deutschen TV- und Verlagsszene. Das Digitalgeschäft von P7S1 wächst seit Jahren kräftig und sichert die Zukunft des Konzerns. Und das in zunehmendem Maße auch jenseits des klassischen linearen TV-Geschäfts. Unter der Führung von Thomas Ebeling hat sich der ehemals reine Fernsehanbieter P7S1 zu einem digitalen Gemischtwarenhändler entwickelt, der seine Markenbekanntheit und sein Mediainventar (= Media for Equity) geschickt nutzt, um seine digitalen Geschäftsfelder zu monetarisieren. Wie selbstverständlich finden wir heute unter dem Dach von P7S1 neben alten und neu gegründeten Fernsehsendern auch ein reichhaltiges digitales Portfolio aus Entertainment- (z.B. VoD, Games), Shopping- und Serviceangeboten.

Mit Thomas Ebeling würde ich gerne über seine weitere Digitalstrategie und seine Vision einer Medienzukunft diskutieren.