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Interview mit Doris Wiedemann – Wiedemann Consulting

Doris Wiedemann Wiedemann ConsultingWer ist Doris Wiedemann? Bitte stell Dich doch mal kurz vor.

Medien-Profi, Internet-Praktikerin, Beraterin – ich habe 15 Jahre lang Digitalabteilungen für Medienunternehmen wie Axel Springer, ProSiebenSat und Condé Nast aufgebaut und geleitet. Außerdem war ich Geschäftsführerin von Axel Springers Akquisition gofeminin. Seit vier Jahren berate ich Medienunternehmen und StartUps für digitales Wachstum. Das beinhaltet Unterstützung im Bereich M&A genauso wie detaillierte Konzepte für internes Wachstum der digitalen Assets.

Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verrate uns doch auch einen kleinen Spleen von Dir.

Kein Kaffee nach 12 Uhr 😉 – ansonsten bin ich bin leider sehr un-spleenig.

Elevator Pitch! Was macht Eure Firma? Und vor allem: was macht ihr am besten, wo liegt Eure Superpower?

Wir sind eine Unternehmensberatung für digitales Wachstum. Wir schließen die Lücke zwischen den operativ beratenden SEO- / Social-Media-Agenturen auf der einen Seite und den klassischen Unternehmensberatungen, welche die große Strategie im Blick haben. Die Wachstums- und Margenoptimierung dazwischen ist der Bereich, um den wir uns kümmern.

Wenn ein Unternehmen also bereits über digitale Assets verfügt, sei es durch internen Aufbau oder durch Akquisition, und diese nun optimieren möchte, dann kontaktieren sie uns – und wenn sie neue Assets konzipieren, stehen wir häufig auch mit an der Werkbank.

Wir sind echte Praktiker, die das digitale Handwerk von der Pike auf verstehen – wenn wir Gründern oder Digitalchefs zu Beginn eines Projekts begegnen, haben wir sofort eine Verbindung, weil wir genau verstehen, was da gerade läuft.

Die Superpower besteht dann darin, das Ganze so zu analysieren und in handlungsrelevante Bestandteile zu zerlegen, dass zum einen die Hebel zur Optimierung deutlich werden und zum anderen schnell messbare Erfolge zu sehen sind.

Apropos Superpower: Verrätst Du uns ein „Best Practice“ Beispiel Deiner Firma, wo ihr besonders erfolgreich wart? Was waren Deiner Meinung nach die Erfolgsfaktoren?

Was besonders im letzten Jahr stark von Kundenseite kam, war der Bedarf an detaillierten KPI für ihr Digitalbusiness. Das fassen wir unter dem Schlagwort „Business Intelligence“ zusammen – hiermit sind jenseits von reinen Traffic-Kennzahlen und Quellenanalysen z.B. detaillierte User-Kohorten-Analysen gemeint. Manche Digitalspezialisten sind in diesem Bereich schon sehr weit, viele Unternehmen stehen hier jedoch gerade in den Startlöchern, um ihr Digitalbusiness auch auf sehr detaillierter Deckungsbeitragsebene aussteuern zu können.

Für redaktionell betriebene Websites bedeutet das letztlich, z.B. den Wert der einzelnen Autoren in Kosten und Erlöse aufzuteilen und durch Deckungsbeiträge auszudrücken. Dasselbe gilt auch z.B. für Videos: Viele Sites pushen Videos, da hier die eTKPs noch deutlich besser sind als im Display-Geschäft. Videos kosten meist jedoch auch deutlich mehr – hier einen klaren Blick dafür zu entwickeln, welche Videos wieviel zum Gewinn beitragen, das ist für viele Sites ein aktueller Task.

Jenseits davon durften wir ein paar Unternehmen dabei unterstützen, ihr Geschäft auf mehrere Erlössäulen auszuweiten, also z.B. transaktionsbasierte Geschäftsmodelle zuzukaufen. Anderen haben wir erfolgreich geholfen, passende (strategische) Investoren zu finden bzw. international erfolgreiche Geschäftsmodelle in den deutschsprachigen Raum zu übertragen.

Wenn Du Dir die Netzwirtschaft insgesamt, Euren Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was werden die Haupt-Herausforderungen in den nächsten Monaten oder Jahren sein?

Herausforderung für die Gesellschaft, bzw. den Staat:

Wir brauchen deutlich mehr Menschen, die Code und digitale Geschäftsmodelle verstehen. Das ist auf staatlicher Ebene genauso kritisch zu bewerten, wie auf Unternehmens-Ebene.

Auf staatlicher Ebene bin ich mir häufig nicht so sicher, ob die Mechanismen der Digitalwirtschaft schon verstanden sind – wir reagieren oft nur auf die großen Digitalmächte aus den USA, und bevor wir überhaupt nur eine Position gefunden haben, ist das nächste Marktsegment schon dominiert und für uns kaum noch zu adressieren.

Außerdem ist der Zugang zu Seed-Kapital für digitale Konzepte nach wie vor zu schwer – und auch die Trendsignale für Investitionsentscheidungen kommen aus den USA. Wir reagieren und kopieren auch hier noch zu viel.

Herausforderung für die Netzwirtschaft in Deutschland / Europa:

Das hängt für mich stark mit dem vorherigen Punkt zusammen: Die Angst vor dem Scheitern ist zu groß, der Spaß am Ausprobieren steht zu weit hinter dem möglichst perfekten „Fit“ zurück – dabei gehen viele Chancen verloren. Und die großen Vier der Digitalwirtschaft haben uns schon lange abgehängt. Sie sind für uns bereits die Grundlage für neue Sekundärmärkte in Abhängigkeit von ihnen. Im Moment geht es um diesen Markt hinter diesen vier – und zumindest in diesem sollten wir relevante Player werden.

Herausforderung für unseren Markt:

Für Medienunternehmen, die werbebasierte Geschäftsmodelle verfolgen ist klar die Akzeptanz und technische Verbreitung von Werbung die große Herausforderung. Werbung wird es wahrscheinlich immer geben, gerade entscheidet sich aber, welche Medien hier wie wertvoll sind – und auf Site der Werbebuchenden sehe ich hier eine Überforderung und ein Delegieren an automatisierte Trading-Desks. Marketingbotschaften in digitalen Medien werden kaum mehr inhaltlich/ qualitativ ausgesteuert, die Erfolgskontrolle ist eine Adserver- oder Excel-Zeile. Die ganzen Variablen auf dem Weg zu dieser Schlusszeile werden nicht mehr betrachtet, der Werbetreibende hat die Kontrolle abgegeben. Das ist besorgniserregend. Und so wird auch die Werbung schlecht. Sites, die Werbebotschaften tragen, müssen mit gepushten Reichweiten dem hohen Preisverfall entgegenarbeiten – das ist für das gesamte Geschäftsmodell kritisch.

Herausforderung für unsere Firma:

In all der hohen Dynamik im Markt ist es wichtig, weiter einen klaren Blick für Ziele und die Schritte dorthin zu bewahren. Das ist ja letztlich Strategie. Unsere Herausforderung dabei ist es, hier immer so nah an der Praxis zu bleiben, dass wir auf Augenhöhe mit den Machern arbeiten können – und hier gibt es ja viele extrem gute Leute – und andererseits den Blick für das große Bild zu bewahren, der im täglichen Geschäft ja oft aus dem Fokus gerät, letztlich aber erfolgsentscheidend ist.

Was hat Dich bisher am meisten „am Internet“ geärgert, was am meisten gefreut?

„Am Internet“ hat mich bisher nichts geärgert – es ist eine großartige Erfindung. Sorge macht mir bei der ganzen Digitalisierung tatsächlich die Transparenz des Privaten. Menschen werden in ihren Aktionen, Gedanken, Äußerungen deutlich verfolgbarer und sind in ihren Möglichkeiten, Privates im Digitalen Feld auch privat zu halten derzeit gegenüber den Internet-Konzernen benachteiligt.

Am Internet gefreut hat mich bisher sehr viel – letztlich inzwischen fast 20 Jahre super- spannendes und abwechslungsreiches Berufsleben!

Gib uns doch bitte eine Empfehlung für…

einen Blog / eine Newsseite / ein Fachmagazin, mit dem/der Du Dich zu Fachthemen gerne informierst

Website Boosting. Alle befassen sich mit Trends und Actuals der Branche mit verschiedenen Spezialisierungen.

einen Artikel, der Dich in der letzten Zeit am meisten begeistert hat

Mir hat das Plädoyer für bessere Werbung von Manfred Klaus gut gefallen – viel Wahres darin.

ein spannendes Buch, das Dich inspiriert hat

„Der digitale Tsunami“ – ein schönes Werk, das einiges gut zuspitzt. Ich selbst bin da gelassener, aber einige steile Thesen zur Digitalisierungsstrategie vieler Konzerne geben schönen Denkanlass.

eine Veranstaltung(-sreihe), auf der Du wirklich etwas dazugelernt hast

„Coding for Entrepreneurs“ – ein Kickstarter-Projekt, bei dem Coding (Python) in den Grundzügen erklärt wird. Ist allerdings schon eine Weile her…

das hilfreichste Tool / die hilfreichste Software für Deine Arbeit (außer dem Kopf 😉

Excel ;-), Keine großen Besonderheiten: SimilarWeb, SearchMetrics, Sistrix, Google Analytics, Wappalyzer, App Annie, SensorTower, ….

Mit welchem Experten würdest Du am liebsten einmal 1 Tag zusammenarbeiten, und warum?

Ich würde gerne einen Tag mal mit bei Sequoia/ YCombinator mitlaufen….