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Interview mit Andreas Martin – pilot@media.at

Andreas Martin pilot@media.atWer ist Andreas Martin? Bitte stell Dich doch mal kurz vor.

Andreas Martin ist quasi ein Urgestein der österreichischen Online Szene. Er ist Geschäftsführer der Full Service Digital Agentur pilot@media.at, einem Joint Venture der pilot group Hamburg und der zweitgrößten österreichischen Mediaagentur media.at. Die Agentur zählt unter anderem A1 Telekom Austria, die Österreichischen Lotterien, die Österreichische Post und die Möbelkette kika Leiner zu ihren Kunden.

Bereits im Jahre 2000 war der gebürtige Salzburger in Düsseldorf am Aufbau eines der ersten deutschsprachigen IPTV Angebote beteiligt. Das Beteiligungsunternehmen AbsolutFilm (damals im Eigentum von freenet.de) war quasi Vorreiter von Streamingdiensten wie Netflix & Co. Ein Jahr später wechselte Andreas Martin in die Telekom Austria und war dort der erste Produktmanager der hauseigenen TV/VoD Plattform.

2003 wechselte Martin ins Mobile Geschäft zu Hutchison 3G Austria, wo er mit einer kurzen Unterbrechung bei Sony bis 2013 blieb. Der studierte Betriebswirt war bei „3“ (Hutchison) zuletzt Leiter Business Development. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit war die Entwicklung der digitalen Multiscreen-Vermarktungsstrategie. Andreas Martin zeigte sich hier viele Jahre für den Aufbau des Display- sowie der Bewegtbildvermarktung des Unternehmens verantwortlich. Beim Mobilfunker kümmerte er sich viele Jahre auch um die Produktentwicklung und verantwortete zuletzt die Übernahme von Orange Telecommunications Austria.

Nebenberuflich ist Andreas Martin Präsident der Mobile Marketing Association Austria (MAA).

2015 wurde Andreas Martin von den Lesern eines renommierten Fachmediums zum „Onliner des Jahres“ in der Kategorie Innovation gewählt.

Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwinkel kennenlernen, verrate uns doch auch einen kleinen Spleen von Dir.

Ich bin Vater von zwei kleinen Kindern und interessiere mich (noch immer) für die Geschichte meiner Geburtsstadt Salzburg. So habe ich unter anderem 1996 ein Buch zu den „Salzburger Strassennamen“ wiederaufgelegt, das in den 30er Jahren mein Großvater erstmalig publiziert hat. Wer weiß, was sich aus diesem „Content“ im Zeitalter der geocodierte Daten und Augmented Reality noch alles ergibt…

Elevator Pitch! Was macht Eure Firma? Und vor allem: was macht ihr am besten, wo liegt Eure Superpower?

Unser Claim sagt, dass wir „Werbung für das digitale Zeitalter“ machen. Das bedeutet, dass wir als Full Service Agentur alle Facetten des digitalen Marketings anbieten. Wir sind der Überzeugung, dass gerade im Digital Bereich Kreation, Media und Tracking ganz eng miteinander verzahnt sind. Weiters denken wir auch nicht mehr in (Media) Gattungen, da unsere Welt in vielen Belangen digitalisiert wird. Unser Unternehmen hat sich auch hier stark positioniert: Wir bieten unter anderem Lösungen im Bereich Connected TV an oder können Bewegtbild Inhalte konzipiere und produzieren. Unsere Superpower liegt daher in der strategischen Herangehensweise, der Verzahnung der unterschiedlichen Dienstleistungen und letztlich in ausgereiften Media Plänen für unsere Kunden.

Der Köder muss weiterhin dem Fisch und nicht dem Angler schmecken. Digitalisierung ist gut, solange diese dem individuellen Menschen da draußen einen Nutzen stiftet. Was sich die Werbeindustrie alles überlegt, ist dem Otto Normal Verbraucher zumeist ziemlich egal, bis zeitweise einfach lästig.

Apropos Superpower: Welches Best Practice Beispiel in Deiner Branche hat Dich besonders fasziniert und warum?

Für mich ist und bleibt das weiterhin der rasante Siegeszug von Mobile. Die Einführung der Smartphones hat unser Mediennutzungsverhalten grundlegend verändert. Das herkömmliche Telefon ist zum Content Kanal mutiert. Das Mobile Device ist somit ganz zentraler Zugangspunkt für die Internetnutzung geworden. Medienanbieter bestätigen bereits vielfach, dass sie mehr mobile Zugriffe als über Desktop zählen. Als Präsident der Mobile Marketing Association Austria engagiere ich mich hier seit vielen Jahren für die werberelevanten Themen der Industrie. Der aktuelle Communications Report der Mobile Marketing Association Austria birgt wieder einige interessante Zahlen in sich:

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Wenn Du Dir die Netzwirtschaft insgesamt, Euren Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was werden die Haupt-Herausforderungen in den nächsten Monaten oder Jahren sein?

Herausforderung für die Gesellschaft, bzw. den Staat:

Mit Fluch und Segen der Digitalisierung entsprechend umgehen zu lernen. Das trifft jeden einzelnen von uns in der Rolle des Konsumenten und der individuellen Mediennutzung, fordert allerdings auch die Politik: wieviel (nicht) Regulierung ist notwendig? Zählt ausschließlich der Konsumentenschutz oder sind viele Themen auch infrastrukturpolitische Fragen und damit einhergehend die Frage, ob/wann Europa möglicherweise den Anschluss verliert.

Herausforderung für die Netzwirtschaft in Europa:

Die Herausforderung in Europa ist es, nicht nur reaktiv auf das zu reagieren, was woanders entwickelt (und monetarisiert) wurde, sondern proaktiv eigene Player hervorzubringen, die im weltweiten Konzert wettbewerbsfähig sind und darauf aufbauend auch eigene Rechtsstandpunkte zu manifestieren.

Herausforderung für unseren Markt:

Trotz (digitaler) Automatisierung bei digitalen Buchungen in der Prozesskette als Agentur einen klaren USP zu haben, der dem Werbekunden einen echten Mehrwert bietet und für den dieser auch bereit ist ein faires Honorar zu bezahlen.

Herausforderung für unsere Firma:

In der stetigen Dynamik ganz vorne mit dabei sein zu können, den Überblick nicht zu verlieren und die richtigen Leute zu finden.

Was hat Dich bisher am meisten am Internet geärgert, was am meisten gefreut?

Da ich mich in meiner beruflichen Laufbahn viele Jahre intensiv mit IPTV beschäftigt habe, hat mich natürlich vielfach die „mangelnde“ Bandbreite geärgert. Zur Verteidigung der Infrastruktur Provider muss man allerdings sagen, dass die Zurverfügungstellung einer solchen Leistung mit enormen Kosten verbunden ist und es laufend neue Devices oder Dienste gibt, die sehr bandbreitenintensiv sind. Da ist man notgedrungen immer hinten nach…

Um in diesem Kontext zu bleiben, hat mich umgekehrt sehr gefreut, dass man zwischenzeitlich sogar schon 4K Inhalte ansehen kann. Als ich im Jahr 2000 gestartet bin, hat man hingegen vielfach von „Ritter Sport Fernsehen“ gesprochen. So gesehen hat sich in rund 15 Jahren schon einiges getan….

Welches „Problem“ (privat oder im Unternehmen) würdest DU gerne von einem Start-up gelöst bekommen?

In diversen Vorträgen hört man ja immer wieder, dass das Mobiltelefon auch die Geldbörse oder den Schlüsselbund ersetzen wird. Bei beiden Themen sind wohl starke Industriestandards gefordert. Bei der mobile Access Technologie gibt es aber sicher auch Raum für Nischenplayer und das finde ich eine unheimlich spannende Thematik. Spätestens dann, wenn man einmal einen gewöhnlichen Schlüssel eines relativ modernen Schlosses nachmachen lässt, sieht man, dass hier wohl die Margins recht hoch sein müssen.

Gib uns doch bitte eine Empfehlung für…

einen Blog / eine Newsseite / ein Fachmagazin (auch Print), mit dem/der Du Dich zu Fachthemen gerne informierst

Bei uns Österreichern hilft manchmal der Blick über den Tellerrand (nach Deutschland). Ein Blick in W&V kann daher manchmal nicht schaden.

einen Artikel, der Dich in der letzten Zeit am meisten begeistert hat (mit URL)

Der Spiegel 15/2014 – „Software frisst die Welt“

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-126393805.html

Ein unheimlich gut aufbereiteter und tiefgehender Artikel.

ein spannendes Buch, das Dich für Dein Business inspiriert hat

„Hochexplosiv – Mein Leben mit Mr. RTL“ Ein Buch von Daniele Thoma für bzw. über ihren Mann Helmut. Ein Paradebeispiel wie aus einem kleinen „Start Up“ ein ernstzunehmendes und erfolgreiches Medienunternehmen wurde. Gemanaged mit viel Herz und dem „gsunden“ österreichischen Hausverstand.

eine Veranstaltung(-sreihe), auf der Du wirklich etwas dazugelernt hast (und was, bzw. von wem)

Die MIPTV in Cannes, die ich in den Jahren 2000 – 2012 regelmäßig besucht habe. Hier habe ich gelernt, wie die „traditionelle“ Content Industrie tickt und wie hart der Weg in Richtung Digitalisierung für derart etablierte Distributions- und Geschäftsmodelle sein kann.

das hilfreichste Tool / die hilfreichste Software für Deine Arbeit

Ein papierloser Schreibtisch mit einem Smartphone und meinem PC. Dann weiß ich, dass „digital“ eine Berechtigung hat.

Mit welchem Experten würdest Du am liebsten einmal 1 Tag zusammenarbeiten, und warum?

Dietrich Mateschitz. Als Digitaler kann man hier nur lernen: Er hat uns allen vorgemacht, wie man quasi aus nichts etwas machen kann. Es bedarf wohl keiner hochkomplexen Abfüllanlagen und einer komplizierten Wertschöpfung des eigenen Produktes, als vielmehr einer ordentlichen Portion Marketingverständnis. Herr Mateschitz ist ein hervorragender Manager und er kann es sich leisten mit der Marke „Servus“ einem wohl eher persönlichen Hobby nachzugehen.